Bulgarische Kirche St. Stefan in Istanbul wird neugeweiht

Die Bauelemente der „Eisernen Kirche“ waren Ende des 19. Jahrhunderts bei „Waagner-Biro“ in Wien gefertigt worden – St. Stefan spielte eine große Rolle in der bulgarischen kirchlichen Renaissance, aber auch in der Auseinandersetzung um den Nationalgedanken in der Orthodoxie

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Foto ©: Darwinek (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Istanbul, 04.12.17 (poi) Die bulgarische Kirche St. Stefan am Goldenen Horn in Istanbul wird am 7. Januar nach fast zehnjähriger Restaurierung neugeweiht. Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. und der bulgarisch-orthodoxe Patriarch Neofit werden konzelebrieren. Der türkische Staatspräsident Recep T. Erdogan und der bulgarische Ministerpräsident Bojko Borisov haben vereinbart, gemeinsam bei der Liturgie anwesend zu sein. Die Kirche St. Stefan trägt auch den Namen „Eiserne Kirche“, weil sie aus Stahl und Eisen erbaut wurde. Nach einer internationalen Ausschreibung waren die einzelnen Bauelemente, die zusammen rund 500 Tonnen wogen, zwischen 1893 und 1896 bei „Waagner-Biro“ in Wien gefertigt und über die Donau und das Schwarze Meer nach Istanbul verschifft worden.

Die Kirche St. Stefan spielte eine große Rolle bei der bulgarischen politischen und kirchlichen Renaissance im 19. Jahrhundert. Im Zug der bulgarischen Renaissance entwickelten sich auch kirchliche Strömungen, die eine Emanzipation der bulgarisch geprägten Gebiete des Osmanischen Reiches vom Ökumenischen Patriarchat wünschten. Sultan Abdulaziz I. begründete 1870 durch einen Ferman das autonome bulgarisch-orthodoxe Exarchat mit Sitz in Konstantinopel – die Hohe Pforte wollte damit vermutlich auch die Position des Ökumenischen Patriarchats schwächen. Als Amtssitz des Exarchen wurde vom Sultan die (damals noch hölzerne) Kirche St. Stefan in Konstantinopel bestimmt, die bereits seit 1849 als Gotteshaus der bulgarischen Gemeinde in der Stadt galt. Das Exarchat proklamierte im Mai 1872 unter dem Exarchen Anthim I. einseitig seine Autokephalie.

Eine im Spätsommer 1872 in Konstantinopel einberufene Synode, an der die Patriarchen von Konstantinopel, Alexandrien, Jerusalem und Antiochien sowie der Erzbischof von Zypern teilnahmen, erklärte daraufhin, dass das ethnisch-nationale Prinzip für die Bildung neuer Staaten sinnvoll sein könne, für die Kirche jedoch nicht annehmbar sei, da die ethnische Herkunft der Gläubigen keine Rolle spiele. Während die Bildung von Nationalkirchen in souveränen Staaten – etwa der Kirche von Griechenland im unabhängigen Staat Griechenland – legitim sei, wurde die Idee zurückgewiesen, dass innerhalb eines Staates – hier des Osmanischen Reiches – verschiedene orthodoxe Kirchen nach ethnischen Gesichtspunkten entstehen könnten. Da das Oberhaupt der bulgarischen Orthodoxen seinen Amtssitz in Konstantinopel hatte, sah die Synode auch das altkirchliche Territorialprinzip verletzt, wonach in einer Stadt nur ein einziger Bischof residieren könne. Die Synode verurteilte im September 1872 ausdrücklich den „Phyletismus“ genannten kirchlichen Nationalismus: „Wir weisen zurück, verurteilen und verdammen den Phyletismus, das heißt die Unterscheidung nach Rassen, den ethnischen Streit, die Zwietracht und die Trennungen in der Kirche Christi als einen Widerspruch zur Lehre des Evangeliums und zu den heiligen Kanones unserer gottseligen Väter, die die heilige Kirche stützen, die ganze Christenheit ordnen und sie zur Gottesverehrung anleiten“. Die bulgarische Kirche wurde für schismatisch erklärt, erst 1945 kam es zur Versöhnung. Die Weihe der Kirche St. Stefan am 7. Januar soll diese Versöhnung besiegeln.

Die Grundsteinlegung für die „Eiserne Kirche“ erfolgte durch den Exarchen Josef I.1892. Der beauftragte armenische Architekt Hovsep Aznavor entschied sich angesichts des schwachen Untergrunds am Goldenen Horn für einen leichten Bau ganz aus Stahl und Eisen und gegen eine Stahlbetonkonstruktion. Nach rund eineinhalbjähriger Bauzeit wurde die neue Kirche 1898 geweiht. Der tragende Rahmen der Kirche besteht aus Stahl, die Außenhaut aus gusseisernen Platten, die miteinander vernietet, verschweißt und durch Bolzen miteinander verbunden sind. In ihrer Architektur vereint die dreischiffige Kirche Elemente der Neogotik und des Neobarock. Die sechs Glocken des 40 Meter hohen Glockenturms wurden in der russischen Stadt Jaroslawl gegossen. Die Ikonostase wurde in Moskau angefertigt.

Die ursprüngliche Holzkirche St. Stefan war eine Stiftung des Fürsten Stefan Bogoridi (1775-1859), eines überaus einflussreichen osmanischen Politikers bulgarischer Herkunft. Nach dem russisch-osmanischen Krieg von 1828/29 nahm er als Mitglied der osmanischen Delegation an den Verhandlungen zum Frieden von Adrianopel teil. Für seine Verdienste dabei wurde er von Sultan Mahmud II. zum außenpolitischen Berater ernannt. In den darauffolgenden 30 Jahren nahm er an allen wichtigen Entscheidungen und Verhandlungen der Hohen Pforte teil. Stefan Bogoridi war einer der Unterzeichner des Londoner Protokolls, das die Souveränität Griechenlands besiegelte. Weiter nahm er an Verhandlungen, die den Status der Donaufürstentümer und Serbiens regelten, teil. In dieser Zeit erhob Mahmud II. Bogoridi zum Fürsten, 1834 wurde er zum Gouverneur von Samos ernannt. Unter Abdulmecid I. blieb Bogoridi nicht nur Berater des Sultans, er wurde Mitglied des Tanzimat-Rates. Er galt als einer der einflussreichsten Reformer und beeinflusste die Umstellung des Millet-Systems, um der christlichen Bevölkerung des Osmanischen Reiches mehr Rechte zuzusichern.