Marokko: Papstreise auch im Zeichen des Gedenkens an die ersten franziskanischen Märtyrer vor 800 Jahren

Aber zugleich wird auch der Begegnung des Heiligen Franziskus mit dem ägyptischen Sultan gedacht – Ausstellung über die „Christliche Präsenz in Marokko“ ist vom Wirken der Franziskaner geprägt

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Foto: © : Casa Rosada (Argentina Presidency of the Nation), Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic) )

Rabat, 30.03.19 (poi) Die Marokko-Reise von Papst Franziskus steht in diskreter Weise auch im Zeichen des 800-Jahr-Gedenkens an die ersten Märtyrer des Franziskanerordens, die am 16. Jänner 1220 in Marrakesch hingerichtet wurden. Der Franziskanerorden verbindet selbst das Gedenken an die Erstmärtyrer mit der Besinnung auf die ebenfalls vor 800 Jahren stattgefundene Begegnung zwischen dem Heiligen Franziskus und dem Sultan Al-Malik al-Kamil vor den Mauern der ägyptischen Stadt Damietta.

Die fünf Erstmärtyrer – die Priester Berardo, Pietro und Ottone und die Laienbrüder Adiuto und Accursio – stammten alle aus der Gegend von Terni in Mittelitalien. Sie gehörten zu den ersten Gefolgsleuten des Heiligen Franziskus. Sie gingen zunächst nach Sevilla, das damals noch unter der Herrschaft des aus der berberischen Almohaden-Dynastie stammenden Sultans Muhammad al-Nasir stand. Die Franziskaner predigten in den Moscheen, dass Christus wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch sei und wurden daraufhin verhaftet und dem Sultan vorgeführt. Muhammad al-Nasir, der Sohn einer Christin war, entschied, dass die Franziskaner in den marokkanischen Teil seines Reiches überstellt werden sollten – mit dem strengen Auftrag, nicht mehr über Christus zu predigen. Die Franziskaner aus Terni brachten aber auch in Marokko in den Moscheen und im Gespräch mit den Leuten ihren Glauben an Christus zum Ausdruck, sie wurden neuerlich verhaftet, ausgepeitscht und schließlich geköpft. Der Heilige Franziskus war tief bewegt durch das Schicksal seiner Brüder. Die Leichname wurden nach Coimbra in Portugal überführt; das Erlebnis ihres Begräbnisses soll den Heiligen Antonius zum Eintritt in den Franziskanerorden veranlasst haben.

Der Kustos der Franziskaner in Marokko, P. Manuel Corullon, betonte im Gespräch mit „Vatican News“, dass der Besuch des Papstes für die kleine Kirche in Marokko („vielleicht 40.000 Seelen“) von größter Bedeutung sei, „für diese Kirche, die ihren Glauben unter den Muslimen in einer Dimension des Dienstes und des Dialogs lebt“. Aber auch unter den muslimischen Marokkanern gebe es „sehr viel Freude, sehr viel Enthusiasmus“ über den Besuch des Papstes. Die Menschen würden den Papstbesuch als Zeichen dafür empfinden, dass Marokko „offen ist für den interreligiösen und den interkulturellen Dialog“. Alles, was von den „marokkanischen Freunden“, aber auch von Seiten der Behörden, getan werde, stehe im Zeichen „eines Zartgefühls, einer wahrhaft unglaublichen Freude und Bereitschaft“.

Zweifellos sei auch diese Haltung eine Konsequenz des Dokuments über die „menschliche Brüderlichkeit“, das Papst Franziskus und der Großimam von Al-Azhar in Abu Dhabi unterschrieben hatten. Wörtlich sagte P. Corullon, er sei überzeugt, dass in Marokko die Christen „mehr als Brüder denn als Gegner“ gesehen werden. So werde auch die Wertschätzung der Präsenz der Kirche und der Christen als „Brüder und Weggefährten“ sichtbar.

Der Generalobere der Franziskaner, P. Michael A. Perry, betonte in seinem Brief an P. Corullon aus Anlass des 800-Jahr-Gedenkens der franziskanischen Erstmärtyrer die Bedeutung dieses Gedenkens für heute. Das Gedenken stelle eine „ernste Einladung“ dar, über die Natur der „authentischen Evangelisierung“ nachzudenken und bereit zu sein, von den „anderen durch den geduldigen Dialog zu hören und zu lernen“ und in ihnen, „vor allem in den muslimischen Nachbarn“, wahrhaft „unsere Brüder und Schwestern“ zu erkennen. P. Perry erinnerte daran, dass der Heilige Franziskus in seiner „Regula non bullata“ aufgezeigt hatte, dass es zwei Wege gebe, wie sich die Brüder unter den Nichtglaubenden verhalten können: „Keinen Streit anzufangen“ oder „wenn es Gott gefällt, das Wort Gottes zu verkünden“. Franziskus habe diese Worte unmittelbar nach dem Martyrium der Märtyrer von Marrakesch geschrieben. Diese Worte seien nicht nur wegweisend für die heutigen Missionare und Jünger Christi, sie würden auch die Reflexion des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Religionsfreiheit vorweg nehmen, wie sie in der Erklärung „Nostra Aetate“ zum Ausdruck komme. Die Franziskaner fühlten sich gedrängt, sich den glühenden Wunsch des Heiligen Franziskus zu eigen zu machen, der „seine Erfahrung der göttlichen Barmherzigkeit mit den anderen teilen“ und der deshalb alle Menschen als Brüder und Schwestern umarmen wollte.

Am 20. März – wenige Tage vor dem Papstbesuch – wurde im marokkanischen Nationalarchiv die Ausstellung „Christliche Präsenz in Marokko“ eröffnet. P. Carullon dankte bei der Eröffnung der unter dem Patronat von  Mohammed VI. stehenden Ausstellung allen marokkanischen Stellen für die Zusammenarbeit. Die Franziskaner in Marokko hatten für die Ausstellung ihr Archivmaterial über ihren jahrhundertelangen Dienst an christlichen Sklaven, Kaufleuten, Reisenden, Migranten usw. zur Verfügung gestellt. Dieser Dienst habe „in der Kirche, im Orden und in der muslimischen Gesellschaft“ unauslöschliche Erinnerungen hinterlassen, so P. Carullon.

Der Schüler Louis Massignons

Unter den in Marokko tätigen Franziskanern gab es immer wieder Aufsehen erregende Persönlichkeiten, so etwa P. Jean-Mohammed Abd-el-Jalil (1904-1979). Der Konvertit und Franziskaner stammte aus Fes, aus einer Familie muslimischer Notabeln. Mit neun Jahren begleitete er seine Eltern auf der Pilgerreise nach Mekka. Nach seiner zweisprachigen arabisch-französischen Gymnasialzeit ging er nach Paris, um Arabistik, Philosophie und Theologie zu studieren. Das Weihnachtsfest 1927 war eine wichtige Etappe auf seinem Weg zum Christentum. Am 7. April 1928 wurde er in der Kapelle des Franziskanerkollegs in Fontenay-sous-bois getauft. Sein Taufpate war der große Orientalist Louis Massignon. 1929 trat Abd-el-Jalil bei den Franziskanern ein, 1935 wurde er zum Priester geweiht. Im Jahr darauf wurde er an das Institut Catholique berufen. 1964 zog er sich zurück, nachdem bei ihm ein Zungenkrebs diagnostiziert worden war. Zuvor hatte er noch für die französischen Konzilsteilnehmer einen „Bericht über die aktuelle Lage des Islam“ erstellt. Er starb am 29. November 1979.