Metropolit Onufrij: „Wir brauchen keine Autokephalie“

Oberhaupt der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats betont uneingeschränkte Unabhängigkeit seiner Gemeinschaft –Exarchen aus Konstantinopel sollen auf dem ausgedehnten Gelände des Kiewer Höhlenklosters untergebracht werden, wo sich auch die Residenz von Metropolit Onufrij befindet

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Foto: © Vadim Chuprina (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International)

Kiew, 14.09.18 (poi) Die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats ist eine „unabhängige Kirche, die über alle Attribute verfügt, um in der heutigen Zeit den Dienst für Gott und das Volk leisten zu können“: Dies betonte der Metropolit von Kiew, Onufrij (Berezowskij), am Freitag in einem Interview mit dem ukrainischen TV-Sender „Inter“. Krankheitshalber konnte der Metropolit nicht an der Sondersitzung des Heiligen Synods des Moskauer Patriarchats teilnehmen, beteiligte sich aber über Skype an der Diskussion. In dem TV-Interview erinnerte Metropolit Onufrij daran, dass die ukrainisch-orthodoxe Kirche ihren eigenen Heiligen Synod und ihren eigenen Bischofsrat hat. Die Entscheidungen des Bischofsrates seien unabhängig, niemand könne ein Veto dagegen einlegen. Es gebe einen kirchlichen Gerichtshof in Kiew und völlige wirtschaftliche und administrative Unabhängigkeit. Ein „Tomos“ zur Verkündigung der Autokephalie aus Konstantinopel würde die Unabhängigkeit seiner Kirche einschränken, sagte der Metropolit: „Wir brauchen das nicht“.

Die ukrainische Kirche habe spirituelle, kanonische und kulturelle Verbindungen mit dem Moskauer Patriarchat, das sei normal, stellte Metropolit Onufrij fest. Die Kirche sei keine politische Organisation, die sich heute dahin und morgen dorthin wende, die Kirche liebe alle, „die Russen, die Amerikaner, die Afrikaner, die Asiaten: „Wir haben keine Feinde. Wir haben Gegner, aber sie sind nicht unsere Feinde, wir beten für sie“.

Konstantinopel habe kein Recht, Exarchen in die Ukraine zu entsenden, das sei eine nicht dem Kirchenrecht entsprechende Aktion, unterstrich der Metropolit und schloss eine historische Abrechnung an: Die Kirche von Konstantinopel sei einst eine mächtige Kirche gewesen, die praktisch die ganze zivilisierte Welt umfasst habe. Sie sei mit dem Oströmischen Reich deckungsgleich gewesen. Aber heute gebe es kein Oströmisches Reich mehr, „sie leben in der Vergangenheit“. Statt dieses großen Staates gebe es die Türkei, wo man die orthodoxen Christen an den Fingern einer Hand abzählen könne: „Jene, die uns heute belehren und uns sagen wollen, wie wir leben sollen, haben zugelassen, dass ihre Heimat aus einem machtvollen orthodoxen Staat zu einem islamischen Land wurde. Sie haben weder das moralische noch das kanonische Recht, Exarchen für die Ukraine zu ernennen und in unsere Angelegenheiten einzugreifen“. Einmischung in die Angelegenheiten einer anderen Kirche sei „eine Sünde“, die zu einer weltweiten Spaltung führen könne.

Die Kirche dürfe nicht nach weltlichen Maßstäben leben, sagte Metropolit Onufrij, denn Politik sei immer auch „mit Intrigen, Betrug und Verrat“ verbunden. Die Kirche habe andere Waffen, um das Böse zu bekämpfen: Gebet, Buße, Geduld, Demut. Priester müssten Friedensstifter sein und keine Leute, die nach politischen Prinzipien handeln. Die heutige Ideologie sei nicht mit dem Evangelium vereinbar, sie legitimiere Abtreibung, gleichgeschlechtliche „Ehen“, Euthanasie usw. Die Kirche hingegen verkünde eine Botschaft, die die Menschen einlade, einander zu lieben, einander zu tolerieren und einander zu helfen.

An die Teilnehmer der Sondersitzung des Heiligen Synods unter dem Vorsitz von Patriarch Kyrill wandte sich Metropolit Onufrij mit einer Videobotschaft. Darin berichtete der Metropolit, es sei richtig, dass die beiden Exarchen bereits in Kiew eingetroffen seien, einer sei beauftragt, mit dem selbsternannten „Patriarchen“ Filaret zu verhandeln, der andere mit „Metropolit“ Makarij, dem Oberhaupt der sogenannten ukrainischen autokephalen orthodoxen Kirche. Er habe nicht die Absicht mit den beiden Exarchen zusammenzutreffen, die ohne seinen Segen ins Land gekommen seien, bekräftigte Metropolit Onufrij. Man werde sehen, wie sich die Situation entwickle.

 

„Keine Medizin, sondern Gift“

Der Kanzler der ukrainisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Antonij (Pakanitsch) von Boryspol, sagte in einem Interview mit der griechischen Website „Romfea“, trotz der Pläne Konstantinopels, in der Ukraine eine neue autokephale Kirche zu errichten, werde die überwiegende Mehrheit der Gläubigen der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchs die angestammte Kirche nicht verlassen. „Unsere Leute werden ihre Hirten nicht verraten, weil sie sie lieben und ihnen folgen“, so der Metropolit. Freilich werde es in den Familien Diskussionen geben, Gotteshäuser der ukrainisch-orthodoxen Kirche könnten besetzt werden, Brüder würden sich gegen Brüder wenden, die Ereignisse der 1990er-Jahre könnten sich wiederholen: „Wir rechnen mit dem Schlimmsten“.

Die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats stehe unter großem Druck, stellte der Metropolit fest: „Und die Mutterkirche von Konstantinopel gießt Öl ins Feuer statt uns zu helfen“. Die eigensinnigen Versuche des Ökumenischen Patriarchats, das Schisma in der Ukraine durch die Verleihung einer Autokephalie zu heilen, stellten keine „Medizin“, sondern ein „Gift“ für die kanonische orthodoxe Kirche in der Ukraine und für die ganze Orthodoxie dar.

Metropolit Antonij erneuerte den Vorschlag eines panorthodoxen Konzils. In der Geschichte der Kirche habe sich immer gezeigt, dass es notwendig war, ein lokales oder ökumenisches Konzil einzuberufen, wenn ein Problem, eine Häresie oder ein Schisma auftauchte. Nur gemeinsam könne man im Gebet und unter Beachtung des Wohls der Kirche im Vertrauen auf den Heiligen Geist Lösungen für die Probleme finden.

Nach Angaben aus Kiew sind die beiden von Konstantinopel ernannten Exarchen – Erzbischof Daniel (Zelinskyj) und Bischof Hilarion (Rudnyk)  – am Dienstag in der ukrainischen Hauptstadt eingetroffen. Sie wurden bei einem Rundgang durch das Gelände des Kiewer Höhlenklosters gesehen, einer der beiden Bischöfe kaufte in einem Kirchenshop ein Enkolpion. Laut „Union orthodoxer Journalisten“ hatte „Patriarch“ Filaret in der Woche zuvor beim Direktor des Museums des Höhenklosters, Aleksander Rudnik, vorgesprochen und verlangt, dass Korpus 19 der Baulichkeiten auf dem ausgedehnten Klostergelände, das teilweise noch immer als Museum genutzt wird, dem „Kiewer Patriarchat“ zu übertragen sei. Im Korpus 19 solle die Residenz der beiden konstantinopolitanischen Exarchen eingerichtet werden.

Auf der Website des ukrainischen Ministerrats ist seit letztem Montag eine Petition online, in der verlangt wird, die im Juli 2013 erfolgte Zurverfügungstellung des Höhlenklosters an die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats zu widerrufen. Der Ministerratsbeschluss vom 11. Juli 2013 über den Transfer von 79 Gebäuden auf dem Gelände des Höhlenklosters müsse aufgehoben werden und alle Gebäude seien wieder in staatliches Eigentum zu überführen. Für eine Behandlung der Petition wären 25.000 Unterschriften notwendig, bisher wurden erst 1.800 registriert. „Patriarch“ Filaret hat immer wieder die Forderung erhoben, dass das Kiewer Höhlenkloster – und auch die Lawra von Potschajew – seiner Denomination übertragen werden müsse