Metropoliten Emmanuel und Hilarion zum Patriarchengipfel

“Wir wollen nicht ein weiteres Schisma schaffen, sondern die Kirche einigen” – “Ein Gespräch von Herz zu Herz”

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Foto: © Selda Yildiz und Erol Gülsen/Istanbul und Türkei Reiseführer(Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Konstantinopel-Paris-Moskau, 01.09.18 (poi) Die Interpretationen der Begegnung zwischen den Patriarchen Bartholomaios I. und Kyrill I. im Phanar in Konstantinopel sind nach wie vor widersprüchlich. Beide Patriarchen haben bisher inhaltlich in Sachen Ukraine/Autokephalie nicht Stellung genommen. Dass die Dinge nicht so laufen, wie es die ukrainischen Schismatiker und ihre politischen Patrone in Kiew erhofft hatten, lässt sich freilich daraus ablesen, dass schon vor dem Patriarchengipfel im Phanar die Verschiebung der nächsten Sitzung des Heiligen Synods der Kirche von Konstantinopel von 10. September auf 9. Oktober bekanntgeworden war (der vieldiskutierte „Tomos“ über die Verleihung der Autokephalie an eine „orthodoxe Kirche der Ukraine“ müsste dort beraten werden, wobei offen bleibt, welche der orthodoxen Kirche in der Ukraine gemeint ist). Von Interesse ist aber, wie sich die beiden Metropoliten äußerten, die jeweils als „rechte Hand“ ihres Patriarchen im Phanar fungierten. Der Pariser Metropolit Emmanuel (Adamakis) und der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion (Alfejew), kennen einander seit vielen Jahren.

Metropolit Emmanuel stellte vor Journalisten fest, Patriarch Bartholomaios habe seinen Moskauer Amtskollegen informiert, dass es seitens des Ökumenischen Patriarchats eine Grundsatzentscheidung gebe, der Kirche in der Ukraine die Autokephalie (Selbständigkeit) zu verleihen und dass man davon nicht abrücken wolle. Jetzt gehe es aber darum, diese Entscheidung zu implementieren. Es gebe viel Arbeit, die wolle Konstantinopel jetzt koordinieren. Das Ende dieses Prozesses sei aber noch nicht erreicht, der “Tomos” werde erst auf der letzten Etappe des Implementierungsprozesses ausgearbeitet. Wörtlich sagte der Metropolit im Hinblick auf die Ukraine: “Wir wollen nicht ein weiteres Schisma schaffen, sondern die Kirche einigen”.

In der orthodoxen Kirche der Ukraine gebe es seit mehr als 25 Jahren eine Spaltung, daher habe sich das Ökumenische Patriarchat entschlossen, darüber nachzudenken, wie der orthodoxen Kirche in der Ukraine die Autokephalie verliehen werden könnte, stellte Metropolit Emmanuel fest. Zugleich betonte er die Bedeutung der Einheit der weltweiten orthodoxen Kirche, die eine starke und überall verbreitete Kirche sei. Das Ökumenische Patriarchat mit seiner langen Geschichte und Erfahrung habe in der orthodoxen Kirchenfamilie eine besondere Rolle, daher kämen Entscheidungen “und bisweilen auch Lösungen” von dort.

Ausdrücklich unterstrich der Pariser Metropolit, dass die beiden Patriarchen in einer “sehr brüderlichen und aufrichtigen” Weise zusammengetroffen seien und in diesem Geist die anstehenden Fragen diskutiert hätten. Wörtlich fügte er hinzu: “Ich denke, dass wir diese Art und Weise auch in Zukunft beibehalten sollten”.

Metropolit Hilarion stellte – mit einem kleinen Seitenhieb auf die “verwirrten” Darstellungen einzelner ukrainischer Medien – vor Journalisten klar, dass die beiden Patriarchen im Phanar ein brüderliches, aber vertrauliches Gespräch geführt hätten: “Dieses Gespräch war sehr offen und sehr herzlich, ein Gespräch von Herz und Herz”.  Wenn die Patriarchen ein öffentliches Gespräch hätten führen wollen, “dann hätten sie es getan”. Wörtlich meinte Metropolit Hilarion: “Wahrscheinlich wollen manche Leute Wunschdenken betreiben, aber ich denke, wir sollten eine verantwortungsbewusste Haltung einnehmen und unsere zwischenkirchlichen Beziehungen so weit wie möglich vor unbegründeten Spekulationen bewahren”.

Auf die Frage, was er zu den Äußerungen von Metropolit Emmanuel sage, verwies der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats auf die Feststellung des Pariser Metropoliten, dass Konstantinopel die bestehenden Schismen nicht durch ein neues Schisma heilen wolle. Das scheine ihm eine sehr “besonnene Position”, sagte Metropolit Hilarion. Zweifellos hätten die Kirche von Konstantinopel und die Kirche von Moskau unterschiedliche Auffassungen zu verschiedenen Fragen: “Das haben wir nie verheimlicht”. Daher habe man einander auch “nichts fundamental Neues” sagen können. Aber es sei sehr wichtig gewesen, dass das Treffen die Gelegenheit zum Informationaustausch geboten habe, zum “Uhrenvergleich”.

Metropolit Hilarion nützte die Begegnung mit den Journalisten zum Nachhilfeunterricht in Sachen Kirchenrecht: Die Patriarchen könnten nicht einfach zusammenkommen und Entscheidungen für ihre Kirchen treffen, weil jede orthodoxe Kirche von einem Bischofskonzil geleitet werde. In der Zeit zwischen den Versammlungen dieses Konzils habe der Heilige Synod der jeweiligen Kirche die Leitungsaufgabe. Jeder Patriarch spreche für seine Kirche, aber Entscheidungen würden nicht im “Hinter-den-Kulissen-Format” getroffen, sonden bei den Synodalversammlungen. Die Gespräche im Phanar am 31. August könnten zu Entscheidungen der Synoden in Konstantinpel und Moskau führen, aber es sei jetzt noch zu früh, darüber zu sprechen. Das wichtigste sei, dass ein fruchtbarer Meinungsaustausch stattgefunden habe. Metropolit Hilarion erinnerte daran, dass die beiden Patriarchen einander seit 1977 kennen und schon vor ihrer Wahl in das höchste kirchliche Amt intensiv zusammengearbeitet hätten, um in verschiedenen Fragen der panorthodoxen Agenda Konsens zu erreichen. Daher sei das Treffen im Phanar jetzt auch für die Stärkung der persönlichen Beziehungen zwischen den Patriarchen und der institutionellen Beziehungen zwischen den beiden Kirchen sehr wichtig gewesen. Man habe viele Fragen der bilateralen Beziehungen, aber auch der panorthodoxen Einheit besprechen können. Das Treffen habe in einer “sehr aufrichtigen Atmosphäre” begonnen und in einem “sehr freundlichen Stil” mit dem Austausch von Geschenken geendet. “Wir haben Konstantinopel mit freudigen Gefühlen und in einer sehr guten Stimmung verlassen”, sagte Metropolit Hilarion wörtlich.