Neue Front im ukrainischen Kirchenstreit

Es geht um die rumänischsprachigen Pfarrgemeinden in der nördlichen Bukowina

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Foto: © Petr Sporer (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Kiew-Czernowitz, 25.09.19 (poi) Im ukrainischen Kirchenstreit wurde eine neue Front eröffnet, die auch das Verhältnis zur orthodoxen Kirche im benachbarten Rumänien betrifft. Dabei geht es um die rumänischsprachigen Gläubigen in der nördlichen Bukowina. Dieser seit jeher von den Ukrainern beanspruchte Landesteil wurde im Juni 1940 von der Sowjetunion annektiert; wie überall in Ostmittel- und Osteuropa gab und gibt es in der Bukowina keine ethnischen Trennlinien, daher verblieb auch in dem der Ukraine zugeschlagenen Landesteil eine relativ große rumänischsprachige Bevölkerungsgruppe. Der aktuelle Zwist wurde durch Aktivitäten ausgelöst, die darauf abzielen, die rumänischsprachigen Pfarrgemeinden, die sich alle zur ukrainisch-orthodoxen Kirche unter Metropolit Onufrij bekennen, als Gemeinden der neugegründeten „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ unter Metropolit Epifanij registrieren zu lassen.

Der Heilige Synod der rumänisch-orthodoxen Kirche hatte am 21. Februar in Bukarest im Rahmen der Diskussion über die ukrainische Kirchenkrise verlangt, dass für die 127 rumänischsprachigen Pfarrgemeinden in der nördlichen Bukowina ein eigenes Vikariat errichtet wird, dass die rumänische Liturgiesprache und die „spirituelle Verbindung mit dem rumänischen Patriarchat“ sichern solle. Dabei blieb offen, ob die Forderung an die Kirche unter Metropolit Onufrij oder an die Kirche unter Metropolit Epifanij gerichtet war. Die „Orthodoxe Kirche der Ukraine“ erklärte sich im März bereit, ein solches Vikariat zu errichten, der Heilige Synod dieser Kirche errichtete das Vikariat am 27. Juli. Allerdings war keine einzige der 127 rumänischsprachigen Pfarrgemeinden bereit, in die als schismatisch angesehene „Orthodoxe Kirche der Ukraine“ einzutreten. Daraufhin häuften sich Pressionen gegen Klerus und Kirchenvolk der rumänischsprachigen Gemeinden, um sie zum Übertritt zur vom Ökumenischen Patriarchat mit der Autokephalie ausgestatteten neuen Kirche zu veranlassen. Die Pressionen lösten Widerstand aus; führende Persönlichkeiten aus den rumänischsprachigen Pfarrgemeinden der nördlichen Bukowina wandten sich an das Patriarchat in Bukarest.

Der Pressedienst der Erzeparchie Czernowitz der ukrainisch-orthodoxen Kirche veröffentlichte eine Erklärung, wonach in dieser Diözese ukrainischsprachige und rumänischsprachige Gläubige „in Harmonie zusammenleben“. Nicht selten seien rumänischsprachige Orthodoxe ihren ukrainischsprachigen Brüdern und Schwestern zu Hilfe gekommen, wenn diese Attacken politischer Parteigänger der neugegründeten autokephalen Kirche ausgesetzt waren. Konkret wurden zwei Vorfälle in Mikhaltscha und in Towtry. In Towtry sei der Pfarrer von „Aktivisten“, die Parteigänger der „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ waren, bedroht worden; obwohl er ein ethnischer Ukrainer ist, sei ihm bedeutet worden, er solle „nach Rumänien verschwinden“.

Die Entwicklung in der nördlichen Bukowina wird in den rumänischen Medien aufmerksam verfolgt. Das ukrainische Bildungsgesetz von 2018 und das Staatssprachengesetz von 2019 werden in Bukarest überaus kritisch gesehen und als Instrumente einer „forcierten Politik der Assimilation der Minderheiten“ betrachtet. Sowohl in Bukarest als auch in Czernowitz gibt es die Befürchtung, dass die Aktivitäten der Sympathisanten der „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ – insbesondere des Gouverneurs von Czernowitz (Cernauti auf rumänisch), Mikhail Pawljuk -darauf hinauslaufen, dass in der nördlichen Bukowina eine Doppelstruktur der rumänischsprachigen Seelsorge entsteht, während bisher die 127 rumänischsprachigen Gemeinden geeint sind.

Sorge besteht auch im Hinblick auf die beiden anderen teilweise rumänischsprachigen Gebiete in der Ukraine, wo die Berücksichtigung des rumänischsprachigen Elements in der Seelsorge dem Befinden der einzelnen Priester überlassen ist. Es handelt sich einerseits um den Budschak (den bessarabischen Küstenstreifen mit den Städten Reni und Bjelgorod Dnjestrowskij/Cetatea Alba) und den linksufrigen Bereich zwischen Dnjestr und Bug, wo es in der Zwischenkriegszeit die autonome moldauische Republik mit der Hauptstadt Balta gab.