Ökumenisches Großereignis ab 26. November in Wien

6. „Colloquium Syriacum“ der Stiftung „Pro Oriente“ mit Bischöfen und Experten aus aller Welt behandelt das Thema „Mit Hoffnung in die Zukunft – Miteinander und gemeinsames Zeugnis der Kirchen der Syrischen Tradition“ – 25-Jahr-Jubiläum des „Syrischen Dialogs“ von „Pro Oriente“ – Öffentliche Veranstaltung am Dienstag über die Zukunftsperspektiven des syro-aramäischen Christentums zwischen Auswanderung und Assimilation

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Foto: © Peter Gugerell (Quelle: Wikimedia, Lizenz: public domain)

Wien, 24.11.19 (poi) Ein ökumenisches Großereignis steht von 25. bis 28. November im Wiener Pallotti-Haus bevor: Unter dem Titel „Mit Hoffnung in die Zukunft – Miteinander und gemeinsames Zeugnis der Kirchen der Syrischen Tradition“ findet das 6. „Colloquium Syriacum“ der Stiftung „Pro Oriente“ statt. Es ist zugleich das 25-Jahr-Jubiläum des „Syrischen Dialogs“ von „Pro Oriente“. Der Begriff „Syrisch“ bezieht sich dabei nicht auf die heutige, seit acht Jahren von einem blutigen Krieg heimgesuchte Republik Syrien, sondern auf die Syrische Tradition des Christentums, deren Bedeutung von der Wissenschaft jetzt auf eine Ebene mit der Griechischen und der Lateinischen Tradition gestellt wird. Im Grunde stellt sie die erste Tradition des Christentums in dessen Ursprungsgebieten dar. Die beiden Hauptkirchen der „Syrischen Tradition“ – die syrisch-orthodoxe Kirche (ursprünglicher Patriarchalsitz: Antiochien) und die Apostolische Kirche des Ostens (ursprünglicher Patriarchalsitz: Seleukia-Ctesiphon südlich des heutigen Bagdad) – verkündeten das Evangelium bis weit nach Süd- und Ostasien.

„Pro Oriente“-Präsident Alfons M. Kloss eröffnet das „Colloquium Syriacum“ am Morgen des 26. November. Die Bedeutung des „Colloquiums“ kommt in den Grußworten von Kardinal Christoph Schönborn, Kardinal Kurt Koch (dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen), dem assyrisch-orthodoxen Katholikos-Patriarchen Mar Gewargis III. Sliwa, dem syrisch-orthodoxen Patriarchen Mor Ignatios Aphrem II. Karim und dem chaldäisch-katholischen Patriarchen, Kardinal Mar Louis Raphael Sako, zum Ausdruck. Die wissenschaftliche Leitung des „Colloquiums“ hat der Salzburger Ostkirchen-Experte (und Vorsitzende der Salzburger Sektion von „Pro Oriente“, der auch Mitglied der internationalen Kommission für den offiziellen theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und den orientalisch-orthodoxen Kirchen ist), Prof. Dietmar W. Winkler, inne. Am Dienstag erläutert der emeritierte maronitische Erzbischof von Beirut, Paul Matar (er ist seit 25 Jahren beim „Syrischen Dialog“ von „Pro Oriente“ dabei) den Kontext der am 4. Februar von Papst Franziskus und dem Großimam der Al Azhar-Universität, Ahmed al-Tayyeb, unterzeichneten Erklärung über „Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“. Anschließend referieren P. Frans Bouwen (Jerusalem) und P. Philip Nelpuraparampil (Changanassery) über bereits bestehende Abkommen zur pastoralen Zusammenarbeit im Nahen Osten und in Indien. Am Dienstagabend wird das Silberjubiläum des „Syrischen Dialogs“ mit einer öffentlichen Veranstaltung im Prälatensaal des Schottenstifts zum Thema „Gefährdetes lebendiges christliches Kulturerbe. Zukunftsperspektiven für das syro-aramäische Christentum zwischen Auswanderung und Assimilation“ begangen.

Am Mittwochvormittag stehen in Referaten von Wafa Goussous (Amman), dem Metropoliten für die südindischen syrisch-orthodoxen Gemeinden in Europa, Mar Theophilos Kuriakose, und dem syrisch-orthodoxen Metropoliten für die Niederlande, Mor Polycarpos Augin Aydin, Fallstudien über den „Ökumenismus des Lebens“ und die Erfahrungen mit der pastoralen Zusammenarbeit in Jordanien, Indien und Europa auf dem Programm. Am Mittwochnachmittag behandeln der chaldäisch-katholische Bischof von Aleppo, Mar Antoine Audo, der indisch-orthodoxe Theologe P. Baby Varghese und der kalifornische assyrische Bischof Mar Awa Royel die gemeinsamen Herausforderungen und Chancen für die Kirchen der syrischen Tradition in Syrien, Indien und Nordamerika. Am Mittwochabend, 27. November, sind drei der am „Colloquium“ teilnehmenden Bischöfe aus dem Nahen Osten im kirchlichen Leben Wiens im Einsatz: Bischof Audo um 19 Uhr im Stephansdom beim Gottesdienst „für die bedrohten und verfolgten Christen“ im Rahmen des weltweit von „Kirche in Not“ durchgeführten „Red Wednesday“ (dabei werden in Wien u.a. der Stephansdom, das Parlament, die Augustiner- und die Peterskirche blutrot angestrahlt, um auf das Schicksal der verfolgten Christen aufmerksam zu machen) und Erzbischof Matar gemeinsam mit dem maronitischen Bischof von Zahle im Libanon, Joseph Moawad, um 19 Uhr in der Pfarrkirche Unterheiligenstadt, wo sich allsonntäglich die Wiener maronitische Gemeinde mit ihrem Seelsorger P. Michel Harb versammelt.

Am Donnerstag wird an der Schlusserklärung des 6. „Colloquium Syriacum“ gearbeitet, am Nachmittag haben die Teilnehmenden des „Colloquiums“ Gelegenheit, in der Österreichischen Nationalbibliothek ausgewählte Schätze aus den die „Syrische Tradition“ betreffenden Manuskript-, Druck- und Faksimile-Sammlungen in Augenschein zu nehmen. Am Freitag können sich Teilnehmende des „Colloquiums“ an einem internationalen Symposion über die Funde christlicher Texte in der Oase Turfan, einst ein wichtiger Knotenpunkt an der Seidenstraße in Hsinkiang (chinesisches Turkestan), beteiligen. Das Symposion, das vom Institut für Iranistik an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften organisiert wird, trägt den programmatischen Titel „Turfan im Mittelalter – Eine Oase für die Christenheit?“

Der „Syrische Dialog“ ist eine der großen Errungenschaften von „Pro Oriente“. 1994 begründete die Stiftung ihre „Syriac Commission“, in der erstmals alle neun Kirchen syrischer Tradition aus dem Nahen Osten und Indien vertreten waren. Bei der Gründungsversammlung hatten manche Mitglieder Tränen in den Augen, weil es nach Jahrhunderten der Trennung gelungen war, alle Kirchen der syrischen Tradition an einem Tisch zu versammeln. Diese Kommission bereitete die inoffiziellen sieben „Syrischen Konsultationen“ vor, die von der Stiftung „Pro Oriente“ in den Jahren 1994 bis 2005 durchgeführt wurden. Im Februar 2006 erklärte die „Syriac Commission“ ihre Arbeit für abgeschlossen. Dann kam es im Herbst 2006 zur Konstituierung des „Forum Syriacum“, das für die Gestaltung der „Colloquia Syriaca“ verantwortlich zeichnet. Das „Forum Syriacum“ besteht aus Repräsentanten der Kirchen syrischer Tradition sowie international anerkannten Expertinnen und Experten zur Geschichte, Sprache und Theologie dieser Kirchen. Alle Mitglieder werden von der Stiftung „Pro Oriente“ ernannt. Ziel ist es, die Kirchen syrischer Tradition und ihr 2.000-jähriges Erbe sowie ihre kulturelle Vielfalt für die kommenden Generationen zu wahren und die Kenntnis über diese Kirchen zu vertiefen.