Papst: „Eine Synode ist kein Parlament“

Papst Franziskus erinnert bei der Eröffnung der Synode der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche in Rom daran, dass es bei einer kirchlichen Synode nicht wie bei politischen Tauschgeschäften zugehen darf – „Wenn der Heilige Geist nicht dabei ist, dann gibt es keine Synodalität“

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Foto: © Jean-Pol GRANDMONT (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Rom, 03.09.19 (poi) „Eine Synode ist kein Parlament“: Diese klare Aussage traf Papst Franziskus am Montagmorgen im Apostolischen Palast vor den ukrainischen unierten Bischöfen, die zur Eröffnung der Synode der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche nach Rom gekommen waren. Papst Franziskus würdigte die Bedeutung von „Synode“ und „Synodalität“, erinnerte aber daran, dass es die Gefahr gebe, „synodalen Weg“ und „Haltung der Synodalität“ mit der Veranstaltung von Meinungsumfragen und anschließenden Kompromissverhandlungen zu verwechseln. Wörtlich sagte der Papst: „Nein, die Synode ist kein Parlament. Man muss die Dinge aussprechen, diskutieren, wie man es normalerweise tut, aber es ist kein Parlament. Synode bedeutet nicht, sich zu einigen, wie man es in der Politik tut: ich gebe dir das, dafür gibst du mir jenes“. Wenn der Heilige Geist nicht dabei sei, dann sei es keine Synode, dann gebe es auch keine Synodalität. An die Bischöfe gewandt, formulierte Papst Franziskus einen „Ratschlag“: „Geht in eure Synode mit dem Heiligen Geist, betet zu ihm. Streitet untereinander, wie ihr wollt. Denkt an das Konzil von Ephesus, wie damals gestritten wurde. Aber die Bischöfe waren tüchtig…Am Schluss hat sie der Heilige Geist zur Erkenntnis geführt: ‚Maria ist die Gottesmutter‘. Das ist der Weg, es ist der Heilige Geist“.

Der ukrainische griechisch-katholische Großerzbischof Swjatoslav Schewtschuk hatte eingangs betont, jeder der Bischöfe sei nach Rom gekommen, um die „Leiden und Hoffnungen des Volkes Gottes“ mitzubringen: „Wir wollen nicht nur während unserer Sitzungen Synode sein, sondern auch, wenn wir in unsere Gemeinschaften zurückkehren“. Es gehe darum, miteinander zu gehen, als eine mittlerweile weltweit verbreitete, lebendige und für alle offene katholische Ostkirche eigenen Rechts. An Papst Franziskus gewandt sagte der Großerzbischof von Kiew und Halytsch (Galizien): „Um Sie, Heiligkeit, versammelt, wollen wir Ihnen versichern, dass unsere Kirche eine pastorale Konversion lebt. Es ist uns bewusst, dass es nicht genügt, eine schöne und reiche Tradition wie die unsere zu haben, die die tausendjährige Erinnerung der Kirche der Kiewer Rus bewahrt, der ungeteilten Kirche des ersten Jahrtausends und ihrer Gemeinschaft mit der Kirche von Rom. Diese Tradition muss in authentischer Weise gelebt werden, wir müssen imstande sein, dem Menschen von heute das Herz dieser apostolischen Tradition zu vermitteln, die Möglichkeit der Begegnung mit dem lebendigen Christus, der heute durch den Heiligen Geist in seiner Kirche anwesend ist und mit uns über die Straßen der modernen Welt zieht“.

Einladung in die Ukraine

Der Großerzbischof von Kiew und Halytsch formulierte ausdrücklich eine Einladung an Papst Franziskus, die Ukraine zu besuchen. Wörtlich sagte Schewtschuk: „Unsere Kirche, überall auf der Welt, betet für Sie, unterstützt Sie, hört Ihnen zu und erwartet Ihren Besuch in der Ukraine“. Schon bei der Begegnung der ukrainischen unierten Bischöfe mit Papst und Kurie Anfang Juli hatte der Großerzbischof die drei großen Anliegen seiner Kirche benannt: Ukraine-Besuch des Papstes, Erhebung der ukrainischen unierten Kirche zum Patriarchat und Seligsprechung von Metropolit Andrej Scheptyzkyj (von 1900 bis 1944 griechisch-katholischer Oberhirte von Lemberg/Lwiw).

Die Synode der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche steht unter dem Thema „Gemeinschaft im Leben und Zeugnis der ukrainisch griechisch-katholischen Kirche“, an die 50 Bischöfe aus der Ukraine und der weltweiten Diaspora nehmen teil. Unter ihnen ist auch der Vikar des Papstes für die Diözese Rom, Kardinal Angelo De Donatis, der auch Apostolischer Administrator des vor kurzem begründeten Exarchats für die ukrainischen griechisch-katholischen Gläubigen in Italien ist. Die derzeitige Synodalversammlung ist von besonderer Bedeutung, weil die ukrainische griechisch-katholische Synode ihr 90-Jahr-Jubiläum feiert; gleichzeitig wird auch des 50. Jahrestages der Weihe der Basilika Santa Sofia in Rom gedacht, die nach dem Vorbild der Kiewer Sophienkathedrale errichtet wurde. Diese Basilika zeige die „katholische Dimension“ auf, wie  Großerzbischof Schewtschuk am Sonntag bei der Eröffnungsliturgie sagte. Santa Sofia stehe für „Urbi et Orbi“, also die Verbindung mit dem Bischof von Rom und der Weltkirche.  Am 5. September wird Schewtschuk in der Basilika Santa Maria Maggiore die Göttliche Liturgie feiern, um das Andenken der seligen Josaphata Hodarschewska zu ehren, die eine Mitbegründerin eines Lemberger Frauenordens war. Die 2001 von Papst Johannes Paul II. in Lemberg selig gesprochene Ordensfrau wurde vor 150 Jahren geboren, vor 100 Jahren starb sie.

Die Synode der mit weltweit rund 4,5 Millionen Christen größten katholischen Ostkirche berät bis 10. September über aktuelle Fragen. Ihre Aufgabe ist es u.a., kirchenrechtliche Regelungen („canones“) für verschiedene Bereiche des kirchlichen Lebens zu beschließen und Bischöfe zu wählen. Die ukrainische griechisch-katholische Kirche geht auf die Union von Brest Litowsk zurück. 1596 nahmen die orthodoxen Bischöfe der damaligen polnisch-litauischen Doppelrepublik („Rzeczpospolita“) die Gemeinschaft mit dem Papst auf, nicht zuletzt aus politischen Gründen, weil sie gegenüber den katholischen Bischöfen schwer benachteiligt waren. Aber viele Priester, Mönche und sonstige getaufte Christen (vor allem auch einflussreiche aristokratische Familien) beharrten auf der Zugehörigkeit zur orthodoxen Kirche, sodass es 1620 zur Wiedererrichtung der orthodoxen Hierarchie auf dem Territorium des polnisch-litauischen Staates kam.  In vielen Städten standen von da an ein orthodoxer und ein unierter Bischof einander gegenüber. Als die meisten Gebiete des polnisch-litauischen Staates Teil des Russischen Reiches wurden, drängten die russischen Behörden die unierten Bischöfe zur „Rückkehr in die Orthodoxie“. 1839 traten praktisch alle unierten Bischöfe aus Weißrussland, der Ukraine und dem eigentlichen Litauen zur russisch-orthodoxen Kirche über. Als letzte unierte Eparchie wurde die von Chelm in Polen 1874 liquidiert. Nur  in Galizien und Lodomerien (latinisiert aus den ukrainischen Landschaftsbezeichnungen Halytsch und Wladimir), das ab 1772 österreichisch war, konnte die Union von Brest überleben (dabei war Lemberg/Lwiw/Lwow jene Eparchie in der alten „Rzeczpospolita“  gewesen, die sich am längsten gegen die Union gesträubt hatte). Die Bezeichnung „griechisch-katholische Kirche“ war eine Prägung der österreichischen Amtssprache.  Als das östliche Galizien 1944 Teil der Sowjetukraine wurde, erfolgte durch die auf Druck des damaligen Ersten Sekretärs des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei in der Ukraine, Nikita Chruschtschow, 1946  zustande gekommene sogenannte „Synode von Lemberg“ die Auflösung der unierten Kirche, die bis 1989 in der Heimat nur im Untergrund existieren konnte. In Polen wurde die unierte Kirche zwar nicht aufgelöst, aber das kommunistische Regime zwang die griechisch-katholischen Gläubigen 1947 durch die „Aktion Weichsel“  zum Verlassen ihrer angestammten Heimat in Südostpolen. Die Unierten mussten sich in den neuen polnischen Westgebieten ansiedeln.

Unierte Bischöfe Europas tagen in Rom

Unmittelbar nach der ukrainischen griechisch-katholischen Synode findet von 12. bis 14. September in Rom die vom „Rat der Europäischen Bischofskonferenzen“ (CCEE) veranstaltete Jahrestagung der Bischöfe der katholischen Ostkirchen in Europa statt. Thema des Treffens der unierten Bischöfe ist „Die ökumenische Aufgabe der katholischen Ostkirchen im Europa von heute“. Geleitet wird das Treffen gemeinsam von Kardinal Angelo Bagnasco, dem Präsidenten des CCEE, und von Großerzbischof Schewtschuk. Tagungsort ist das päpstliche Ukrainische Kolleg  San Giosafat auf dem Gianicolo. Referate halten u.a. Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin, der Präfekt der vatikanischen Ostkirchenkongregation, Kardinal Leonardo Sandri, und der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch. Die unierten Bischöfe werden auch mit Papst Franziskus zusammentreffen.