Pastorale zum Hochfest der Geburt des Herrn 2017

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Die Liebe zum Volk

Pastorale des Metropoliten Serafim zum Weihnachten 2017 

Erlöse, o Herr, Dein Volk und segne Dein Erbe…

Hochwürdige Väter und geliebte Gläubige,

Wir preisen Gott und danken dem Allbarmherzigen, dafür, dass Er uns wieder in Frieden diese winterlichen Feiertage anlässlich der Geburt des Herrn erreichen lässt, die in unsere Seelen Liebe und Freude, Licht und Wärme ausgießt. Jeder von uns hat sich nach dem Maße seines Glaubens und seines Eifers für Gott mit Fasten und im Gebet sowie mit dem Sakrament der Beichte und der Kommunion an Leib und Blut des Herrn darauf vorbereitet, um in gebührender Form dieses Große Hochfest begehen zu können.

Die Gottesdienste dieser Tage und all die wunderschönen Weihnachtslieder offenbaren uns das große Geheimnis, das sich in Bethlehem zugetragen hat, und preisen Gott, Der sich demütig erweist und Mensch wird, in die Menschheit eintritt und die condition humaine mit uns teilt, um die Menschheit aus dem Innersten unseres Wesens heraus zu erlösen. Das in Bethlehem geborene Kind – zugleich Gott und Mensch – ist wie ein göttlicher Same, der dem Sauerteig der Menschheit beigemischt wurde, also dem Herzen eines jeden Menschen eingegeben ist, in dem sich die ganze Menschheit konzentriert, damit die ganze Menschheit aufgeht und zu ein einzigem Laib wird. Der Erlöser Jesus Christus sagt von sich selbst, dass Er „das lebendige Brot ist, das vom Himmel gekommen ist” (Johannes 6, 51) und dass jeder, der von diesem Brot isst, also von Seinem Leib und Blut, eins wird mit Ihm und Anteil gewinnt am ewigen Leben (vgl. Johannes 6, 51-55). Jeder Mensch ist gerufen, in Christus zu wachsen und sich Tag für Tag innerlich darum zu bemühen, die notwendigen Bedingungen zu schaffen, damit der göttliche Same im Inneren seines Herzens und in seinem ganzen Wesen aufgehen kann.

Jeder Same braucht einen guten Boden, Wasser und Wärme, um heranzuwachsen und Früchte tragen zu können. Der Same der bei der Taufe in unsere Seelen ausgegossenen Gnade braucht zum Reifen den guten Boden des Herzens, den wir immerzu durch unser Gebet, durch Fasten und gute Taten bestellen. Wenn wir nicht jeden Tag beten, wenn wir nicht am Sonntag an der Göttlichen Liturgie teilnehmen und nicht die Beichte ablegen und die Kommunion an Leib und Blut Christi empfangen, wenn wir nicht mittwochs und freitags sowie in den vier Fastenzeiten des Jahres fasten, wenn wir uns nicht darum bemühen, unseren Nächsten so viel Gutes wie nur möglich zu tun, dann verhärtet sich unser Herz und verliert sein Gespür für die Gegenwart Christi in ihm. Statt geistlich zu wachsen und Christus immer näher zu kommen, verlieren wir uns dann in der Finsternis der Sünden und Leidenschaften, die mit der Zeit allmählich unsere Seele und unseren Leib zerstören.

In Christus zu wachsen bedeutet in der Liebe zu wachsen, unser Herz mit Liebe zu erfüllen und eins zu werden mit Ihm. „So lebe nun nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir”, sagt der heilige Apostel Paulus (Galater 2, 20). Derselbe Apostel hält uns an, „den Geist des Herrn” und „den Sinn Christi” in uns zu tragen (vgl. 1. Korinther 2, 16; Philipper 2, 5), also wie Christus zu denken und zu fühlen. Denn wer sich darum bemüht, den Sinn und Geist Christi in seinem Herzen zu tragen, der wird wie Christus lieben. „Die Nachfolge Christi” (De imitatione Christi) von Thomas a Kempis – ein im Mittelalter wie heute sehr populäres Buch – ermuntert uns, uns in jedem Moment unseres Lebens die Frage zu stellen: „Was würde Christus an meiner Stelle tun?“ Wenn wir uns immer wieder diese Frage stellen würden, dann könnten wir viele Sünden vermeiden und uns bliebe viel Leid erspart! Gleichzeitig müssen wir immer im Blick haben, dass der Sinn und das Ziel des Gebets, des Fastens, der Kommunion an den heiligen Sakramenten und aller guten Taten die Liebe ist: die Liebe zu Gott und die Liebe zu unseren Nächsten, mit denen wir in der Familie, in der Kirche und in der Gesellschaft zusammenleben.

 

Wenn das Gebet, das Fasten und alles, was wir aus Glauben tun, uns nicht zu besseren, vergebungsbereiteren und gegenüber unseren Nächsten noch liebevolleren Menschen macht, dann heißt das, dass wir uns vergeblich bemühen. Aus dem Gleichnis vom Weltgericht im Evangelium nach Matthäus 25, 31-46 erfahren wir, dass Gott uns nach dem Maß unserer Liebe richten wird, die wir anderen gegenüber erwiesen haben, also danach, was wir unseren Nächsten an Gutem getan haben. Daher sagt auch der heilige Apostel Paulus, dass „die Liebe des Gesetzes Erfüllung ist“ (Römer 13, 10). Wer aufrichtig von Herzen liebt, erfüllt alle Gebote auf einmal. Und nur wer aufrichtig liebt, ist wahrhaftig frei. Ein freier Mensch hält sich von der Sünde fern, weil er weiß, dass die Sünde ihn in einen Sklaven verwandelt. Der Erlöser sagt: „Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht.“ (Johannes 8, 34) Und der selige Augustinus sagt: „Liebe und tue, was du willst!“

Geliebte Gläubige,

wir haben diese Weihnachtspastorale mit „Die Liebe zum Volk“ betitelt, denn im nächsten Jahr sind es hundert Jahre seit der Vereinigung des rumänischen Volkes in einem Staat. So wurde das Jahr 2018 vom Rumänischen Patriarchat zum „Jahr der Einheit im Glauben und des Volkes und Gedenkjahr der Begründer der Großen Einheit“ deklariert. Hunderte von Jahren lebten die Rumänen aufgrund widriger historischer Umstände in drei verschiedenen Ländern bis 1859 die Fürstentümer der Moldau und der Walachei sich unter der Regentschaft des Fürsten Alexandru Ioan Cuza vereinigten und 1918 noch Siebenbürgen sich mit dem Vaterland vereinte. Doch wenn sie auch über so lange Zeit getrennt waren, so bewahrten die Rumänen doch ihre Einheit in der Sprache und im Glauben. Dies ist ein wahres „rumänisches Wunder“, wie manche Historiker sagen. Vor allem der Glaube hat die Rumänen zusammengehalten. Wir wissen, dass unser Volk den christlichen Glauben bereits im Zuge seiner Herausbildung als Volk angenommen hat (2. bis 7. Jh.), so dass wir sagen können, dass wir den Glauben im Blut haben. Die Tugenden des Evangeliums haben das Wesen der Rumänen über die Jahrhunderte geformt und aus unserem Volk ein friedfertiges, fleißiges, intelligentes, bescheidenes und gastfreundliches Volk gemacht. Gott hat uns in der Geschichte mit frommen und weisen Herrschern gesegnet; einige davon wurden heiliggesprochen wie Stefan der Große, Neagoe Basarab und Constantin Brâncoveanu. Auch hatten wir Könige, die unser Volk und unseren Glauben liebten.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg rollte jedoch der atheistische Kommunismus wie eine Dampfwalze über unser Volk hinweg und zerstörte zu einem großen Teil dieses von seinem christlichen Glauben geformte Wesen und kultivierte in seinem Inneren den Tugenden der Ahnen entgegengesetzte Wesenszüge: den Unglauben, Klassenhass, Lüge und Diebstahl. Nach dem Fall des Kommunismus waren die Rumänen in keinster Weise darauf vorbereitet, gegenüber der ausländischen Wirtschaft konkurrenzfähig zu sein, was zunächst zu einem industriellen Niedergang geführt hat. So wie auch die meisten nicht darauf vorbereitet waren, sich eine mit Verantwortung verbundene Freiheit anzueignen. So haben die Emigration von Millionen Rumänen ins Ausland zur Arbeitssuche wie auch die extrem gesunkene Geburtenrate, die freilich von der Freigabe der Abtreibung noch unterstützt wurde (die zu über 20 Millionen Abtreibungen seit der Revolution geführt hat), den Fortbestand unseres Volkes in Gefahr gebracht. Die Bevölkerung überaltert massiv, manche Dörfer sind vom Aussterben bedroht.

So dürfen wir uns durchaus fragen, wie viel Glaube noch durch unser Blut fließt. Doch nur zu klagen reicht nicht aus. Sondern wir haben uns immer auch zu fragen, was jeder von uns für unser Volk und unser Land tun kann. Den Reichtum eines Landes bilden in erster Linie seine Menschen. Unser Land braucht uns. Wer ins Heimatland zurückkehrt, der gleicht dem großen Moses, von dem die Heilige Schrift sagt, dass er lieber mit dem Volk zusammen leiden und ins Land Kanaan zurückkehren wollte, als den Genuss der Sünde und den vergänglichen Reichtum der Schätze Ägyptens zu kosten (vgl. Hebräer 11, 25-26). Aber auch wenn wir nicht alle nach Hause zurückkehren können, so sollten wir wenigstens so oft als möglich nach Hause in unser Land fahren, unsere Familien und Verwandte besuchen und denen helfen, die zu Hause geblieben sind. Wir können sicher sein, dass ein in Rumänien verbrachter Urlaub uns mehr Ruhe und Erholung schenkt als in anderen Teilen der Welt verbrachte Aufenthalte. Selbst wenn wir keinen Angehörigen mehr dort haben, sind doch die Gräber unserer Ahnen dort. Und die Orte, an denen wir geboren sind, haben sich unserem Wesen eingeprägt und schenken uns einen tiefen inneren Seelenfrieden. Wir sollen unsere Landsleute lieben, die zu Hause wie jene in der Diaspora, und zwar so wie sie sind, mit ihren positiven wie negativen Seiten. Wir sollen nicht in die Sünde verfallen, die Menschen in gut und böse einzuteilen. Für einen gläubigen und frommen Menschen sind alle Menschen zunächst gut. Ein gläubiger und frommer Mensch sieht vor allem seine eigenen Schwächen und verurteilt niemanden. Wir sollten uns dessen enthalten, schlecht von unserem Land und Volk zu reden, denn das Heimatland wird als Mutterland immer auch mit einer Mutter identifiziert und die Mutter mit  dem Land.

 

Geliebte Gläubige,

Gott der Grundgütige hat uns auch in diesem Jahr in unserem geistlichen und pastoralen Wirken unterstützt, auch durch die Gründung neuer Pfarreien und Filialgemeinden und in dem Bemühen darum, neue eigene Kirchen zu erhalten oder zu bauen. Leider haben von den mittlerweile rund 120 Pfarreien und Filialgemeinden unseres Erzbistums bisher nur 20 ihre eigenen Kirchen. Dies erschwert unsere pastorale Arbeit ungemein. Derzeit sind eigene Kirchen im Bau für die Pfarreien in Traunreut, Leipzig, Bonn, Saarbrücken und Wien sowie das Kloster und Kirchenzentrum in München. Besonders das Kirchenzentrum in München, das ein Großprojekt von besonderer Bedeutung für die gesamte rumänische Diaspora in Deutschland darstellt, braucht die Unterstützung aller. Wie wir bereits in der Osterpastorale gesagt haben, werden die Namen aller Großspender in die Liste der Stifter aufgenommen und fortwährend am Altar des Klosters kommemoriert.

Ich bete zum in der Höhle von Bethlehem geborenen Christus, dass Er diese Worte der Unterweisung in das Herz eines jeden einprägen möge und diese reiche Früchte tragen mögen, damit sie in Euch die Liebe zu unserem Land und Volk befördern mögen, wie auch die Liebe zu den Ländern, in denen wir leben, sowie zur gesamten Schöpfung Gottes.

Ich wünsche Euch allen, Eltern und Kindern, Jungen und Alten:

Gesegnete Feiertage und

Auf viele Jahre! – Ad multos annos!

Der Segen des Herrn sei mit Euch allen!

✝ Serafim

Erzbischof und Metropolit

 

(Übersetzung: Pfarrer Prof. h. c. Dr. Jürgen Henkel, Selb-Erkersreuth)