Patriarch Bartholomaios I. drängt auf Intensivierung des interreligiösen Dialogs

Bei Athener „Konferenz für religiösen und kulturellen Pluralismus“ plädierte der Ökumenische Patriarch für Wiedergewinnung der friedlichen Koexistenz im Nahen Osten

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Foto ©: ניר חסון Nir Hason (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Athen, 01.11.17 (poi) Den interreligiösen Dialog hat der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. bei der vom griechischen Außenminister Nikos Kotzias veranstalteten 2. Athener „Konferenz für religiösen und kulturellen Pluralismus“ als Voraussetzung für die Wiederherstellung der friedlichen Koexistenz im Nahen Osten wie auch in anderen Krisenregionen bezeichnet. Der Patriarch plädierte neuerlich für die Herstellung eines „stabilen Kommunikationskanals“ zwischen den Verantwortlichen der Religionsgemeinschaften, um einen wirksamen Beitrag zur Verhinderung und Beurteilung von Gewaltakten zu leisten, die sich auf angebliche religiöse Überzeugungen berufen. Dies sei um so wichtiger, weil die aktuellen Herausforderungen „gemeinsame Verantwortung und solide Zusammenarbeit“ verlangen. Die tragischen Ereignisse im Nahen Osten hätten im humanen, kulturellen, religiösen und Umweltbereich Verwüstungen angerichtet, für deren Überwindung ein Höchstmaß an Mobilisierung für interreligiöse Zusammenarbeit, die Heilung der seelischen Wunden und die Schaffung einer günstigen Atmosphäre für den Aufbau kreativer Koexistenz zwischen Religionen und Kulturen notwendig sei.

Wenn der Dialog verneint oder abgebrochen wird, würden an dessen Stelle „monolithische Ideologien, totalitäre Regime, grausame Demagogie und letztlich Waffen, Zerstörung und Tod“ treten, warnte der Patriarch von Konstantinopel. Ehrlicher Dialog dagegen könne den Lauf der Geschichte ändern. Die Intensivierung des interreligiösen Dialogs auf allen Ebenen unter Beachtung „früherer Fehlgriffe, heutiger Erfordernisse und künftiger Perspektiven“ erscheine ihm daher vordringlich, so Bartholomaios I.

Freilich könne der interreligiöse Dialog nur dann wertvoll und wirksam sein, wenn es gelinge, den Gläubigen die Furcht zu nehmen, dass der Dialog zu „panreligiösem Synkretismus“ führt, sagte der Patriarch. Zugleich müsse in überzeugender Weise dargelegt werden, wie wertvoll und notwendig gegenseitiger Respekt, Vergebungsbereitschaft, Nächstenliebe und Solidarität für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, den Frieden, die Wiederherstellung der Gerechtigkeit, die Entmutigung des fundamentalistischen Fanatismus in einer sich rasch globalisierenden Gesellschaft sind, in der das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Nationalität, Religion und Überzeugung unvermeidlich ist.

Wörtlich rief der Ökumenische Patriarch bei der Konferenz in Athen unter Bezugnahme auf die vom Apostel Paulus verkündete „Einheit des Menschengeschlechts“ aus „Jede Tötung eines Menschen ist ein verabscheuungswürdiger Akt des Brudermords! Jeder Krieg ist ein Bürgerkrieg! Und wenn dies gar im Namen Gottes geschieht, ist dies die höchste Gotteslästerung“. Da alle Menschen „von einem Blut“ seien, sei jeglicher Rassismus unberechtigt und verdammenswert. Die orthodoxe Kirche habe 1872 den „Phyletismus“ (Nationalismus) scharf verurteilt. Auch beim „Heiligen und Großen Konzil“ der orthodoxen Kirche auf Kreta im Juni 2016 sei der Beitrag der Kirche zu Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit, Geschwisterlichkeit unter den Völkern hervorgehoben und die Beseitigung aller „rassischen“ und sonstigen Diskriminierungen verlangt worden.

Eingangs hatte der Patriarch die Initiative der griechischen Regierung gewürdigt, die schon zum zweiten Mal seit 2015 Verantwortungsträger aus dem östlichen Mittelmeerbereich zusammengerufen habe, um Wege zur Wiedergewinnung der friedlichen Koexistenz zu eröffnen. Bartholomaios I. erinnerte an jene Werte, die bereits in der Antike in Athen hochgehalten wurden und die „ein Geschenk an die ganze Welt“ seien. Dabei nannte der Patriarch insbesondere die Demokratie, aber auch drei „fundamentale kulturelle Kategorien“ menschlicher Existenz: Wahrheit, Rechtschaffenheit, Schönheit.

„Zutiefst pluralistisch“

Der orthodoxe Patriarch von Jerusalem, Theophilos III., hob bei der Athener Konferenz hervor, dass der Nahe Osten seit Jahrtausenden „zutiefst pluralistisch, sowohl in religiöser wie kultureller Hinsicht“ ist, die historische Evidenz dafür sei eindeutig. Heute sei daher die wichtigste Frage, wie diese Realität des Pluralismus so gelebt werden kann, dass die Würde jedes Menschen und das Wohl der verschiedenen Gemeinschaften, die die nahöstliche Gemeinschaft ausmachen, respektiert wird. Der nahöstliche Pluralismus solle als Geschenk, nicht als Problem betrachtet werden.

Das Mosaik des Nahen Ostens stelle eine Synthese aus überlappenden und miteinander verzahnten Geschichtsnarrativen, Kulturen und Relígionen dar, unterstrich der Patriarch von Jerusalem. Diese Synthese habe über Generationen hinweg das Milieu der Koexistenz erzeugt. Friedliche Koexistenz könne es geben, wenn sie „dynamisch, nicht statisch“ ist. Voraussetzung dafür sei wahrhafter gegenseitiger Respekt und die Überzeugung von der gemeinsamen Menschlichkeit und dem gemeinsamen Schicksal. Die dynamische Koexistenz sei im Nahen Osten lange vorherrschend gewesen. Heute gebe es aber „machtvolle Kräfte“, die nicht auf der langen Geschichte dieser Lebensweise aufbauen, sondern „diese fundamentale Basis“ des Lebens im Orient zerstören wollen.

Jerusalem bezeichnete der Patriarch als „großes Symbol und eindrucksvolle Verkörperung“ der Koexistenz. Das stelle zugleich die Schönheit der heiligen Stadt dar, es sei ihre göttliche Berufung. Wörtlich betonte Theophilos III.: „Statt Jerusalem in diesem Licht zu unterstützen und als die Heilige Stadt zu präsentieren, die sie tatsächlich ist, gibt es Leute, die entschlossen sind, diese Stadt zu unterminieren. Wir vergessen, dass es nicht wir sind, die Jerusalem besitzen; Jerusalem besitzt uns“.

Ohne religiösen und kulturellen Pluralismus wäre Jerusalem nichts, sagte der Patriarch. Ohne die Evidenz göttlich-menschlicher Begegnung an den Plätzen, die Juden, Christen und Muslimen heilig sind, ohne die Verschiedenheit der täglichen Erfahrung der Gottesverehrung in den verschiedenen Vierteln gäbe es das Jerusalem nicht, „das wir als die Heilige Stadt kennengelernt haben“. Diese Wahrheit sei bekannt und doch werde vielfach gelebt und gearbeitet, um gegen diese Wahrheit vorzugehen. Das stelle mehr als eine Tragödie dar, es sei „eine Beleidigung der Menschheit und Gottes“, so Theophilos III.

Es gehe darum, sich auf die „lebenspendende Dynamik“ zu besinnen, die die „wahrhaft Basis“ der friedlichen Koexistenz darstellt, betonte der Jerusalemer Patriarch. Nur dann könne man mit der Wiederherstellung des multikulturellen, multiethnischen und multireligiösen Mosaiks beginnen, das Jerusalem, das Heilige Land und der Nahe Osten darstellen.