Serbisch-orthodoxer Patriarch Irinej in Syrien und im Libanon

Staatliche und kirchliche TV- und Radiosender beider Ländern übertrugen Göttliche Liturgie aus Damaskus direkt – Begegnungen mit den Staatspräsidenten Bashar al-Assad und Michel Aoun

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Foto: © Micki (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Damaskus, 05.06.19 (poi) Der serbische Patriarch Irinej stattet derzeit dem orthodoxen Patriarchat von Antiochien in Syrien und im Libanon einen bis 8. Juni anberaumten offiziellen Besuch ab. Patriarch Irinej wird bei seinem „irenischen Besuch“ u.a. vom montenegrinischen Metropoliten Amfilohije (Radovic) und von Bischof Jovan (Mladenovic) von Sumadija begleitet. Liturgischer Höhepunkt des Besuchs war am Sonntag, 2. Juni, die Feier der Göttlichen Liturgie in der Heiligenkreuz-Kathedrale in Damaskus, bei der Patriarch Irinej mit dem Gastgeber, Patriarch Youhanna X., konzelebrierte. Die Liturgie wurde von staatlichen und kirchlichen TV- und Radiosendern aus dem Libanon und Syrien direkt übertragen und in der Öffentlichkeit stark beachtet.

Patriarch Youhanna X. bezeichnete die gemeinsame liturgische Feier als eine „eine große Botschaft des Friedens und der Nächstenliebe, eine Botschaft des Friedens für die ganze Welt“. Die Orthodoxie sei eine „große Realität“: „Wir tragen sie im Herzen“. Die Gäste aus Serbien könnten erleben, dass das syrische Volk „stark im Glauben“ sei. Patriarch Irinej dankte für die „brüderliche Gastfreundschaft“ in Syrien und erinnerte daran, dass schon der Gründer der serbischen Kirche, der Heilige Sava, Damaskus besucht hatte. Nach der Liturgie drängten tausende Gläubige auf das Gelände des Patriarchats, um den Segen des serbischen Patriarchen zu erbitten. Im Anschluss besuchte Patriarch Irinej mit seiner Delegation den melkitischen griechisch-katholischen Patriarchen Yousef Absi und den syrisch-orthodoxen Patriarchen Mor Ignatios Aphrem II.

Am Montag, 3. Juni, traf Patriarch Irinej – gemeinsam mit Patriarch Youhanna X. – mit dem syrischen Staatspräsidenten Bashar al-Assad zusammen. Der serbische Patriarch betonte sein Vertrauen, dass Syrien fähig sein werde, die derzeitigen Schwierigkeiten zu überwinden und seine historische Rolle als „effizienter Staat“ wieder aufzunehmen. Dieses Vertrauen werde durch den Eindruck der Geschlossenheit des syrischen Volkes in der „Auseinandersetzung mit dem Terrorismus“ gestärkt. Ausdrücklich würdigte Patriarch Irinej die „prinzipienorientierte Unterstützung“ der syrischen Regierung für den serbischen Standpunkt im Hinblick auf den Kosovo und die Metochie.

Assad hatte seinerseits die Zurückweisung des Extremismus durch den serbischen Patriarchen gewürdigt. Syrien und Serbien seien beide „ausländischer Einmischung und Versuchen zur Untergrabung der Souveränität und des gesellschaftlichen Zusammenhalts“ ausgesetzt gewesen. In beiden Ländern habe sich das Volk gegen diese Versuche gestellt, das sei eine solide Basis für Dialog und Zusammenarbeit zwischen Damaskus und Belgrad.

Im Gespräch mit syrischen Journalisten sagte Patriarch Irinej, er hoffe, dass bald Frieden in Syrien einkehren werde. Das serbische Volk sei imstande, „zu verstehen, was in Syrien vor sich ging, weil Serbien in einer ähnlichen Situation war“.

Nach dem Gespräch mit dem Präsidenten fuhren die beiden Patriarchen mit ihren Delegationen nach Maaloula, die Kleinstadt, in der auch heute das Aramäische, die Sprache Jesu, gesprochen wird. Der serbische Patriarch zeigte sich tief betroffen, als der Konvoi die rechts und links der Straße in Ruinen liegenden Dörfer und Kleinstädte passierte, wo der Hass auch zahlreiche Gotteshäuser zerstört hat. In Maaloula galt der erste Weg des serbischen Patriarchen dem Kloster St. Thekla, das im Jahr 547 von Kaiser Justinian errichtet wurde. Islamistische Milizen bemächtigten sich am 5. September 2013 der kleinen Stadt, verwüsteten die Kirchen und Klöster und vertrieben die 3.000 christlichen Einwohner. Die 40 Nonnen von St. Thekla blieben im Kloster, aber zwölf von ihnen wurden von den Islamisten entführt und konnten erst dank der Bemühungen des libanesischen Geheimdienstchefs im März 2014 heimkehren. Patriarch Irinej wurde von den Einwohnern von Maaloula stürmisch begrüßt, vor allem die Kinder aus dem von den Nonnen geführten Heim umjubelten die Gäste aus Serbien. Die Äbtissin, Mutter Pelagia, betonte die Verbundenheit der orthodoxen Syrer mit den orthodoxen Serben. Patriarch Irinej unterstrich, wie sehr ihn der Anblick der Zerstörungen getroffen habe: „Wir wissen um das Leid, das ihr erlitten habt, weil wir Serben durch ähnliche Situation gegangen sind“, fügte er hinzu.

Anderntags besuchte der serbische Patriarch mit seiner Delegation zwei weitere wichtige Klöster, das Kloster St. Belman in der Provinz Tartous und das Kloster St. Georg im Wadi-al-Nazara, das bereits im 4. Jahrhundert erbaute älteste Kloster Syriens. Am Abend nahmen die Patriarchen Irinej und Youhanna X. an einem Iftar-Mahl entsprechend der islamischen Tradition im Fastenmonat Ramadan teil. Der antiochenische Patriarch betonte dabei, dass das syrische Volk in seinem Leid eine tiefe Sehnsucht nach Frieden habe und den „Staub von Krieg, Terror und Extremismus“ abschütteln wolle. Der syrische Großmufti Ahmad Badr-ed-din Hassoun stellte seinerseits fest, das syrische Volk sei dank „seines Zusammenhalts und seiner Einheit“ bei der Verteidigung des Landes „stark und ungebrochen im Angesichts der Feinde“. Patriarch Irinej betonte die „Solidarität mit dem leidenden syrischen Volk“ und hob hervor, dass er vom Erleben der syrischen Realität stark beeindruckt sei.

In den nächsten Tagen wird Patriarch Irinej mit seiner Delegation auch den Libanon besuchen. In Beirut ist u.a. eine Begegnung mit dem libanesischen Staatspräsidenten Michel Aoun vorgesehen. Auch wird der serbische Patriarch das Kloster Balamand mit seiner Orthodoxen Universität besuchen.

Patriarch Irinej war am 1. Juni in Damaskus angekommen. Dort wurde ihm und seiner Delegation vor der Marienkathedrale von tausenden Menschen mit Gebeten und Musik ein feierlicher Empfang bereitet. „Wir fühlten uns an die Zeit der Apostel erinnert“, sagte ein Delegationsmitglied im Hinblick auf die Begegnung zwischen dem serbischen Patriarchen und Patriarch Youhanna X. am Tor der Kathedrale. Beim Dankgebet in der Kathedrale waren mit dem Episkopat des Patriarchats von Antiochien auch hochrangige Vertreter der anderen christlichen Kirchen und zahlreiche syrische Politiker anwesend. Patriarch Youhanna X. begrüßte seinen serbischen Amtskollegen Irinej mit den Worten: „Herzlich willkommen im Märtyrer-Land Syrien und in der Märtyrer-Kirche von Antiochien. Wir bitten um das Gebet für den Frieden in Syrien, für die Freilassung der entführten Metropoliten von Aleppo, für die Stabilität im Libanon und für alle Menschen, die durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogen worden sind“. Im Anschluss besuchten die Patriarchen u.a. die Omayaden-Moschee (die einstige Johanneskathedrale), wo in einer eigenen Kapelle das Haupt des Heiligen Johannes des Täufers von Muslimen und Christen verehrt wird. Beim Gang durch die Altstadt wurden die Patriarchen und ihre Begleitung von den Passanten akklamiert, in der kleinen Ananias-Kirche, wo nach der Tradition der Heilige Paulus die Taufe empfing, wurde gebetet. Am Abend fand in der Residenz des antiochenischen Patriarchen ein längerer Gedankenaustausch über die Situation der Orthodoxie statt; dabei wurden u.a. die Beziehungen zwischen den Patriarchaten von Antiochien und von Jerusalem und die Krise in der Ukraine behandelt.