Ukraine-Problem: Pariser Metropolit Emmanuel traf mit Athener Erzbischof zusammen

Metropolit Kallistos (Ware), einer der wichtigsten orthodoxen Theologen der Gegenwart, erneuerte in TV-Interview mit ukrainischem Sender seine massiven Bedenken gegen die Vorgangsweise Konstantinopels

0
413
Foto: © Narsil (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Athen-London, 02.04.19 (poi) Der Pariser orthodoxe Metropolit Emmanuel (Adamakis) – der als einer der engsten Vertrauten des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. gilt – hat am Montag in Athen das Oberhaupt der orthodoxen Kirche von Griechenland, Erzbischof Hieronymos (Liapis), aufgesucht. Im Mittelpunkt der Unterredung standen die aktuellen Spannungen in der weltweiten orthodoxen Kirche nach der Etablierung der neuen „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ im Widerspruch zur kanonischen ukrainisch-orthodoxen Kirche (des Moskauer Patriarchats). Metropolit Emmanuel wurde bei der Begegnung mit Erzbischof Hieronymos von Metropolit Amphilochios (Stergios) von Edirne (dem alten Adrianoupolis in Westthrakien) begleitet, der offizieller Repräsentant des Ökumenischen Patrirchen in Athen ist. Nach Angaben orthodoxer Websites versicherte Erzbischof Hieronymos seinen Besuchern aus dem Ökumenischen Patriarchat, dass er die Entwicklung der kirchlichen Situation in der Ukraine aufmerksam verfolge, die Kirche von Griechenland werde ihre offizielle Haltung bei der nächsten Vollversammlung ihrer Bischöfe zum Ausdruck bringen.

In der Kirche von Griechenland wird derzeit über die Antwort auf die Aufforderung des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. an Erzbischof Hieronymos vom 24. Dezember des Vorjahrs nachgedacht, die neue „Orthodoxe Kirche der Ukraine“ anzuerkennen und deren Primas Epifanij (Dumenko) in den Fürbittgebeten der Liturgie zu gedenken. Ähnliche Aufforderungen hatte Bartholomaios I. auch an die Oberhäupter der anderen autokephalen Kirchen gerichtet. Sowohl der Heilige Synod der Kirche von Griechenland (der am 19./20. März getagt hat) als auch dessen Vorstand – der „Permanente Synod“ – trafen keine definitive Entscheidung, diese wurde vielmehr an die Bischofsversammlung der Kirche verwiesen. Dieser Versammlung gehören alle Bischöfe der Kirche von Griechenland an, ihre nächste Tagung findet erst im Oktober statt. Zwei synodale Kommissionen – eine dogmatisch-kanonische und eine für interorthodoxe und ökumenische Fragen – wurden beauftragt, vertiefte Studien über die Ukraine-Frage anzustellen. Nach Angaben griechischer Blogs werden sich die Kommissionen insbesondere mit der Frage der Gültigkeit der Weihen der Bischöfe und des Klerus der „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ zu befassen haben.

 

Für Wiedereinberufung des Konzils von Kreta

Mittlerweile hat einer der angesehensten orthodoxen Theologen der Diaspora, Metropolit Kallistos (Ware) von Diokleia, der in Oxford und Cambridge verankert ist, in einem Interview mit dem ukrainischen “Inter TV” neuerlich seine schweren Bedenken gegen die Vorgangsweise des Ökumenischen Patriarchats in der Ukraine artikuliert. Der Metropolit betonte, dass die Situation in der Ukraine “überaus ernst” ist und nicht nur die orthodoxen Christen in der Ukraine, sondern die “orthodoxe Kirche in ihrer Gesamtheit” betreffe. Keine einzige orthodoxe Kirche habe die Entscheidungen des Ökumenischen Patriarchats unterstützt.

Im Hinblick auf den Abbruch der eucharistischen Gemeinschaft mit Konstantinopel durch Moskau sagte Metropolit Kallistos: “Von unserem konstantinopolitanischen Standpunkt aus haben wir mit niemandem die eucharistische Gemeinschaft abgebrochen, aber die Situation ist sehr ernst. Ich stimme daher, bei allem Respekt für Patriarch Bartholomaios I., nicht mit seiner Entscheidung überein”. Die Ukraine sei seit mehr als 330 Jahren ein Teil der russischen Kirche gewesen. Das sei “eine historische Tatsache, wir können die Vergangenheit nicht verändern”. Wörtlich fügte der Metropolit hinzu: “Daher glaube ich nicht, dass der Patriarch von Konstantinopel das Recht hatte, in die Angelegenheiten eines Gebiets einzugreifen, das Teil der russischen Kirche ist”. Er sei sehr besorgt, dass es in der Ukraine auch zur Anwendung von Gewalt komme, Lösungen könnten nicht durch “Gewalt und Unterdrückung” gefunden werden. Es wäre seiner Meinung nach “ein Unglück und ein Skandal”, wenn etwa die ukrainisch-orthodoxen Mönche gewaltsam aus dem Kiewer Höhlenkloster oder der Lawra von Potschajew vertrieben würden. Er “hoffe und bete”, dass dies nicht geschehen werde.

Nach der Auffassung von Metropolit Kallistos kann eine schwierige Situation nur durch Verhandlungen bereinigt werden. Er habe keine Vorstellung, wie “der nächste Schritt ein besserer” sein könnte, auf keinen Fall sollte die Entscheidung durch die Anwendung von Gewalt erfolgen. Er hoffe, dass die ukrainischen Probleme in “einem offenen Treffen der orthodoxen Kirche” diskutiert werden, betonte der Metropolit in dem TV-Interview: “Es ist sogar möglich, das Heilige und Große Konzil der orthodoxen Kirche wieder einzuberufen, das 2016 auf Kreta stattgefunden hat”. Leider sei damals die russische Kirche nicht anwesend gewesen, aber es gebe die Möglichkeit, das Konzil wieder zusammentreten zu lassen: “Ich hoffe, dass durch Gottes Barmherzigkeit dann auch die russische Kirche dabei sein wird”.

Abschließend erinnerte der Metropolit daran, dass die orthodoxe Kirche als eine Kirche der Versöhnung gelte, eine “katholische Kirche”, und Katholizität bedeute “Respekt füreinander und die Fähigkeit, aufeinander zu hören”: “Also reden wir offen und ehrlich und in der Liebe Christi miteinander”.