Ukraine: Scharfe Worte des serbisch-orthodoxen Patriarchen

Rehabilitierung der ukrainischen Schismatiker kann „Katastrophe“ für die Orthodoxie bedeuten - Ökumenisches Patriarchat wäscht im Hinblick auf die „leicht vorhersehbaren Konsequenzen“ seiner Aktionen „nach dem Vorbild des Pontius Pilatus seine Hände in Unschuld“

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Foto ©: spc.rs (Quelle: Webseite spc.rs, Lizenz: Erlaubnis der Redaktion)

Belgrad-Podgorica, 17.10.18 (poi) In ungewöhnlich scharfen Formulierungen hat der serbisch-orthodoxe Patriarch Irinej in Interviews zur Vorgangsweise des Ökumenischen Patriarchats im Hinblick auf die Kirchensituation in der Ukraine Stellung genommen. In einem TV-Interview sagte er am Montag, die orthodoxe Kirche stehe heute „in der Versuchung“. Der Ökumenische Patriarch sei als Ersthierarch der orthodoxen Kirche in die „Versuchung“ gefallen, etwas zu tun, „wozu er kein Recht hat“, nämlich eine schismatische Kirche anzuerkennen und ihr die Autokephalie zu verleihen. Diese Entscheidung könne eine „Katastrophe“ für die Orthodoxie bedeuten. Er glaube, dass diese Auffassung von allen orthodoxen Ortskirchen geteilt werde, sagte der serbische Patriarch in dem Interview. Seine Hoffnung sei, dass „Gott uns aus dieser Versuchung retten wird“. Patriarch Irinej hatte in letzter Zeit zwei Schreiben an Patriarch Bartholomaios I. gerichtet, in denen er betonte, dass die Zuerkennung der Autokephalie nicht das Vorrecht des Patriarchats von Konstantinopel allein sei, sondern dass dies nur im Konsens aller autokephalen orthodoxen Ortskirchen geschehen könne.

In einem Interview mit der Belgrader Zeitung „Vecernje Novosti“ sagte Patriarch Irinej, er habe am vergangenen Donnerstag, 11. Oktober, die Entscheidung des Heiligen Synods von Konstantinopel in Sachen Ukraine als „Schritt ins Schisma“ empfunden. Die Entscheidung des Ökumenischen Patriarchats schaffe die Möglichkeit neuer Spaltungen zwischen den orthodoxen Ortskirchen und verstärke sie sogar. Er habe bei seinem letzten Treffen mit Bartholomaios I. am 27. September in Saloniki versucht, die Krise zu verhindern, man habe aber nicht auf ihn gehört, bedauerte der serbische Patriarch. Der serbisch-orthodoxen Kirche gehe es nicht darum, für die eine oder andere Seite Stellung zu beziehen, sie trete vielmehr für die Einheit der Orthodoxie ein, für Verantwortlichkeit, für die Achtung der Regeln und sie sei gegen alles, „was spaltet und ins Schisma führt“.

Das Ökumenische Patriarchat verhalte sich im Hinblick auf die möglichen Folgen seiner Entscheidung wie „Pontius Pilatus, der seine Hände in Unschuld wusch“, stellte Patriarch Irinej fest. Er zitierte den Abschluss-Passus der konstantinopolitanischen Erklärung vom 11. Oktober, in der an alle Beteiligten appelliert wurde, die „Besitzergreifung von Kirchen, Klöstern und anderen Besitztümern“ wie auch „alle Akte von Gewalt und Vergeltung“ zu vermeiden. Wörtlich stellte der serbische Patriarch dazu fest: „Das Ökumenische Patriarchat scheint die Augen im Hinblick auf die leicht vorhersehbaren Konsequenzen seiner Aktionen nach dem Vorbild des Pilatus zu verschließen“.

Die scharfe Sprache aus Belgrad wird mit der Sorge der serbisch-orthodoxen Kirche im Hinblick auf die ungeklärte Situation in Mazedonien, wo 1967 mithilfe des titokommunistischen Regimes eine eigene orthodoxe Kirche gebildet wurde, und auf Bestrebungen, die Autokephalie der Kirche in Montenegro wiederherzustellen, in Verbindung gebracht. Umso bemerkenswerter erscheint ein – offiziell noch nicht bestätigter – Bericht der griechischen Website „Romfea“ über einen aktuellen Brief des Ökumenischen Patriarchen an den Heiligen Synod der kanonisch nicht anerkannten mazedonisch-orthodoxen Kirche, in dem Bartholomaios I. ausdrücklich eine Zuerkennung der Autokephalie an die mazedonische Kirche abgelehnt und die Zugehörigkeit der mazedonischen Eparchien zur serbischen Kirche betont habe. „Romfea“ zitiert aus einem Artikel der mazedonischen Zeitung „Sloboden Petschat“, der sich auf „Informationen aus hochrangigen kirchlichen Kreisen“ beruft. Demnach stelle der Patriarch von Konstantinopel in seiner Antwort auf das im Mai erfolgte Ansuchen des Heiligen Synods der mazedonischen Kirche um Zuerkennung der Autokephalie fest, dass Mazedonien nicht seiner Jurisdiktion unterstehe, sondern dem serbisch-orthodoxen Patriarchat. Die Jurisdiktion über die mazedonischen Eparchien stehe seit 1922 ausschließlich dem Belgrader Patriarchat zu. Es gebe keine Parallelen zur Ukraine, weil Konstantinopel dort – im Unterschied zu Mazedonien – die kanonische Zuständigkeit nie formal abgegeben habe.

Patriarch Irinej reiste am Montag mit dem antiochenischen Patriarchen Youhanna X. nach Montenegro, um die wichtigsten serbisch-orthodoxen monastischen Stätten dieses Landes zu besuchen. Der montenegrinische Metropolit Amfilohije (Radovic) zählt zu den schärfsten Kritikern der Vorgangsweise des Ökumenischen Patriarchats in der Ukraine. In einem „Romfea“-Interview nannte er die Entscheidungen des Heiligen Synods von Konstantinopel „zerstörerisch sowohl für den Phanar als auch für die Einheit der Orthodoxie“.

Im Gespräch mit Journalisten in Cetinje sagte Patriarch Irinej, er freue sich besonders, mit dem Patriarchen der leidenden Kirche von Antiochien in Montenegro zu sein. Auch wenn es eine „geographische Distanz“ gibt, „sind wir spirituell nicht getrennt, wir sind ein Volk Gottes“. Die Mutter von Patriarch Irinej stammte aus Montenegro, er war eine Zeitlang Abt des montenegrinischen Klosters Ostrog; aus dieser Zeit habe er sehr enge Verbindungen mit dem Land der Schwarzen Berge, sagte der Patriarch. Er würdigte, dass sich das Leben der orthodoxen Kirche in Montenegro wie in einem „normalen demokratischen Land“ entwickle und dass es viel Nachwuchs an Priester, Mönchen und Nonnen gebe.