„Vienna Declaration“ gegen den Terrorismus im angeblichen „Namen der Religion“

Auf Initiative der Republik Azerbaidschan fand in der Wiener Hofburg die internationale Konferenz „Von der interreligiösen und interkulturellen Zusammenarbeit zur menschlichen Solidarität“ statt – Fremdenhass, Antisemitismus, Christianophobie und Islamophobie müssen entschlossen zurückgewiesen werden – Berufung auf die gemeinsame Erklärung von Papst Franziskus und dem Großimam von Al-Azhar, Ahmed al-Tayyeb

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Foto ©: Andrew Bossi (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 2.5 Generic)

Wien, 21.06.19 (poi) Für „wirksame Maßnahmen“ zur Verhinderung von Terrorismus und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die angeblich „im Namen der Religion“ verübt werden, hat eine hochrangige internationale Konferenz aufgerufen, die auf Initiative der Republik Azerbaidschan am Mittwoch in der Wiener Hofburg stattfand. Kooperationspartner der Konferenz waren das Internationale Zentrum für interreligiöse Zusammenarbeit in Baku, das Wiener KAICIID-Dialogzentrum und das Zentrum für die Förderung der Menschenrechte in Genf. In der in der Hofburg beschlossenen „Vienna Declaration“ wird betont, dass „jeder Terrorakt im Namen einer Religion“ ein Akt des Terrors „gegen alle Religionen“ ist. Jeder Versuch von Terroristen, sich der „heiligen Werte der Religionen zur Verwirklichung ihrer bösartigen Bestrebungen“ zu bedienen, müsse unterbunden werden. Zu diesem Zweck sei die Zusammenarbeit zur Verhinderung der Verbreitung „schädlicher Ideologien und Propagandakonstrukte“, die unter religiösem oder ethnischem Vorwand die Gewalt fördern, zu intensivieren. Fremdenhass, Antisemitismus, Christianophobie und Islamophobie seien entschlossen zurückzuweisen. Dringend notwendig sei die Ermutigung der Erziehung der Jugend im Sinn der gleichen und umfassenden Bürgerrechte für alle.

Die Ausbreitung von Fremdenhass und Rassismus, aber auch die wachsende religiöse und ethnische Intoleranz, die Zerstörung des kulturellen, religiösen und historischen Erbes, die Flüchtlingskatastrophen lösen „tiefe Sorge“ aus, heißt es in der „Vienna Declaration“. Umso notwendiger sei es, die gemeinsamen menschlichen Werte der verschiedenen Religionsbekenntnisse und Wertsysteme zu betonen, denn sie seien es, die zur weltweiten Zivilisation, zum kulturellen und spirituellen Erbe und zum Wachstum von Humanismus, Frieden und Gerechtigkeit beitragen.

In der „Vienna Declaration“ wird die zentrale Rolle der Vereinten Nationen bei der Vorbeugung und Überwindung von Bedrohungen und Herausforderungen für die internationale Stabilität und Sicherheit hervorgehoben. Ebenso wird daran erinnert, dass bewaffnete Konflikte, Verfolgung und Gewalt, Terrorismus zu den Faktoren zählen, die große Flüchtlingsbewegungen auslösen. Die Charta der Vereinten Nationen und die allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des internationalen Rechts – „vor allem die Prinzipien der souveränen Gleichheit, der territorialen Integrität und der Unverletzlichkeit der Grenzen“ – seien zu respektieren. In diesem Zusammenhang wird für eine „faire und friedliche Regelung“ von Konflikten plädiert; ausdrücklich genannt werden der israelisch-palästinensische Konflikt und der Konflikt zwischen Armenien und Azerbaidschan wegen Berg-Karabach (Artsach). Abschließend spricht sich die „Vienna Declaration“ für die Förderung einer „Kultur der Akzeptanz und des Respekts für religiöse, kulturelle und ethnische Unterschiede“ im Sinn der Charta der UNESCO sowie für die Zusammenarbeit von religiösen, säkularen, wissenschaftlichen usw. Persönlichkeiten zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte („einschließlich der Rechte von Frauen und Kindern“) aus.

Als Inspirationsquellen der „Vienna Declaration“ werden das von Papst Franziskus und dem Großimam der Al-Azhar, Ahmed al-Tayyeb, am 4. Februar in Abu Dhabi unterzeichnete Dokument über „Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“ und das am 25. Juni 2018 in Genf beschlossene Zehn-Punkte-Programm „Auf dem Weg zu weltweiter größerer spiritueller Konvergenz zur Unterstützung gleicher Bürgerrechte“ genannt. Die Förderung der interkulturellen und interreligiösen Zusammenarbeit „in einer Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens“ stelle einen Meilenstein für „Frieden, Sicherheit und menschliche Solidarität“ dar. Ausdrücklich wird auch die auf eine gemeinsame spanisch-türkische Initiative zurückgehende „Alliance of Civilizations“ der Vereinten Nationen gewürdigt, die einen Aktionsplan für den Schutz und die Bewahrung religiöser Stätten vor terroristischen Angriffen auf den Weg bringen möchte.

Zum Auftakt der internationalen Konferenz – die unter dem Titel „Von der interreligiösen und interkulturellen Zusammenarbeit zur menschlichen Solidarität“ stand – formulierten u.a. Miguel Angel Moratinos, stellvertretender UN-Generalsekretär und Hoher Repräsentant für die „Alliance of Civilizations“, der Vorsitzende der Geistlichen Verwaltung der kaukasischen Muslime, Scheich-ul-Islam Allahshukur Pashazade (er zeichnete auch für die Organisation der internationalen Tagung in Wien verantwortlich), und KAICIID-Generalsekretär Faisal bin Muaammar grundlegende Überlegungen. Unter den Rednern waren auch der orthodoxe Metropolit von Paris, Emmanuel (Adamakis), der stellvertretende Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Archimandrit Filaret Bulekow, der katholische Erzbischof der nigerianischen Hauptstadt Abuja, Kardinal John Onaiyekan, Msgr. Khaled Akasheh vom Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog, der Generalsekretär der „Religionen für den Frieden“, William Vendley, der Generalsekretär des libanesischen Komitees für den christlich-islamischen Dialog, Mohammed Sammak, und Rabbi David Rosen vom „American Jewish Committee“.

Prof. Prokschi vertrat Kardinal Schönborn

Kardinal Christoph Schönborn wurde vom Vorsitzenden der Ökumene-Kommission der Erzdiözese Wien (und „Pro Oriente“-Vizepräsidenten), Prof. i.R. Rudolf Prokschi, vertreten. Prof. Prokschi betonte, dass es bei der Vermittlung von religiösen Inhalten an die Jugend entscheidend sei, „über den Tellerrand der eigenen religiösen Tradition und persönlichen Prägung hinaus den Blick auf andere Bekenntnisse und Überzeugungen zu öffnen und zu einem respektvollen Umgang mit ihnen hinzuführen“. In Österreich habe der konfessionell ausgerichtete Religionsunterricht an allen öffentlich anerkannten Schulen zwei inhaltliche Stoßrichtungen: Die Vermittlung und Vertiefung des Grundwissens über die eigene Religion, „wobei es auch um die Hinführung zum Verständnis des Gottesdienstes und der spirituellen Grundlagen geht“ und das Kennen- und Verstehenlernen anderer religiöser Überzeugungen und ihrer Werthaltungen.

Durch Globalisierung und Migrationsbewegung würden Jugendliche heute bereits in ihrem schulischen Alltag mit der Realität konfrontiert, dass es verschiedene religiöse Überzeugungen gibt, erinnerte Prof. Prokschi. Wörtlich sagte der Theologe und Ostkirchenfachmann: „Damit wir einander besser verstehen lernen, braucht es unbedingt den direkten interreligiösen Austausch, den ehrlichen Dialog. Insbesondere die Erziehung und Bildung der jungen Generation kann dazu beitragen, dass in der Zukunft religiöse Überzeugungen nicht zu Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen führen, sondern zu gegenseitigem Respekt und Toleranz“.

Als positives Beispiel für diese Haltung nannte Prof. Prokschi die Eröffnung des restaurierten christlichen Klosterkomplexes von Schir Bani Yas in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wobei der zuständige Minister ausdrücklich betonte, dass sein Land stolz sei auf diesen Aspekt seiner Geschichte und Kultur.

Aus Österreich kamen bei der Konferenz in der Hofburg auch der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), Ümit Vural, und der syrisch-orthodoxe Chorbischof Emanuel Aydin zu Wort. Der Chorbischof zitierte das Jesaja-Wort „Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein“. Was die Menschen tief im Gewissen spüren, sage Gott ganz klar: Friede kann es nur durch Gerechtigkeit geben. Die Verwirklichung der Gerechtigkeit sei nicht leicht, die Ungerechtigkeit sei gleichsam ein Normalzustand der Menschheit. Aydin appellierte an die Religionsführer, „in Harmonie mit einer Stimme zu sprechen“. Die verfeindeten Parteien und politischen Gruppierungen würden auf „Gottesmänner“ eher hören als auf Politiker und diesseitige Propheten.

Im Hinblick auf Europa plädierte der Chorbischof für eine Rückbesinnung auf die religiösen Wurzeln der Kultur des Kontinents. Auch Brüssel müsse zur Kenntnis nehmen, dass es ohne Gottesdienst und ohne das Wort Gottes kein Europa geben würde. Es sei die Kultur der Bibel, die Kultur der frühen Kirche, die Kultur der Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit gewesen, „die Europa zu Europa gemacht hat“. Ohne die Zehn Gebote wäre die ganze Rechtsordnung nur „kodifiziertes Unrecht“, so Aydin.

Viele Christen und Nichtchristen seien dem Aufruf von Papst Franziskus zu Gebet und Fasten für den Frieden in Syrien, im Nahen Osten und in der ganzen Welt gefolgt, stellte der Chorbischof fest: „Aber hat nur einer der Mächtigen dieser Erde auf diesen Aufruf reagiert?“ Keiner der Mächtigen habe sich hinter den Papst gestellt. Hier liege das Hauptproblem, viele Mächtige hätten den Glauben verloren und sich von Gott entfernt. Wenn es eine Umkehr zur Frohbotschaft der Nächstenliebe gebe, dann könnten Friede und Gerechtigkeit Einzug halten. Der syrisch-orthodoxe Chorbischof appellierte an die Politiker, sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden: „Militärschläge gegen Länder sind das falscheste Mittel“. Vielmehr gehe es darum, dem Gewissen zu folgen, den Propagandalügen nicht zu glauben und sich vor Gott ehrlich zu prüfen.