30 Jahre nach Fall des Eisernen Vorhangs: „Pro Oriente“- Linz unterwegs in Tschechien

Bischof Scheuer und Altlandeshauptmann Pühringer leiteten die Exkursion - Die Kirchen in der Tschechischen Republik können sich nach den Jahrzehnten des Staatsatheismus wieder frei organisieren, aber es gibt große Widerstände

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Foto: © Donald Judge (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution 2.0 Generic)

Linz-Prag, 04.10.19 (poi) Eine Delegation der „Pro Oriente“-Sektion Linz hat unter Leitung von Diözesanbischof Manfred Scheuer und Landeshauptmann a. D.  Josef Pühringer von 30. September bis 2. Oktober  die benachbarte Tschechische Republik besucht. Der Besuch fand im Vorfeld des 30-Jahr-Gedenkens an den Fall des Eisernen Vorhangs durch die „Samtene Revolution“ statt. Die Linzer „Pro Oriente“-Sektion hatte sofort nach ihrer Gründung im Herbst 1987 den Kontakt zum damals noch kommunistisch beherrschten Nachbarland gesucht, vor allem auch zur katholischen Kirche. Die  Delegation aus Oberösterreich konnte sich bei ihrem jetzigen Besuch davon überzeugen, dass sich die katholische Kirche – ebenso wie die anderen christlichen Kirchen und die übrigen Religionsgemeinschaften – nach den Jahrzehnten des Staatsatheismus in den letzten 30 Jahren wieder frei organisieren konnte.

Allerdings gibt es nach wie vor – so der Eindruck der Linzer – große Widerstände. So wurde zwar 2012 im Prager Abgeordnetenhaus nach heftigen Debatten für die Rückgabe eines Teils des früheren Eigentums der Kirchen votiert, allerdings wurde im April 2019 eine umstrittene Besteuerung der Kirchenrestitution beschlossen. Die Causa wird vermutlich auch noch den Verfassungsgerichtshof beschäftigen.

Beim Besuch der Linzer Delegation im Zisterzienserkloster Vyšší Brod (Hohenfurth) in Südböhmen gab Prior P. Justin Berka einen Einblick in die schwierige und verfahrene Situation. Ein Budweiser Gericht hat befunden, dass dem Stift Waldbesitz „zu Unrecht“ zurückgegeben wurde. Der Wald soll nun wieder verstaatlicht werden, obwohl das Stift mittlerweile einen Forstbetrieb errichtet hat. Der Prior sieht das Kloster zum dritten Mal als Opfer: „Zuerst die Nazis, dann die Kommunisten und nun die Gerichte“.

Bei einer Begegnung in Budweis (Ceske Budejovice) mit Bischof Vlastimil Kročil, Generalvikar David Henzl und weiteren Vertretern der Diözese wurde am zweiten Tag der Reise über die Situation der römisch-katholischen Kirche vor allem im südböhmischen Raum gesprochen. Laut Bischof Kročil ist rund ein Drittel der 760.000 Einwohner katholisch. Die Zahl der Messbesucher liegt allerdings nur bei rund 20.000 Personen. „Diese Zahl wird künftig noch geringer werden, da diese Menschen der älteren Generation angehören und nur wenige Junge nachkommen“, so Bischof Kročil.

Seit zwei Jahren läuft ein „Strukturprozess“ in der Diözese Budweis. Die Zahl der Pfarren wird auf 234 sinken, wobei einige Pfarren, in denen es (vor allem wegen der Landflucht) keine Gläubigen mehr gibt, gänzlich aufgelöst und andere zusammengeschlossen werden. Dies soll auch zu Vereinfachungen in der Verwaltung führen. So führte der Bischof an, dass etwa Pfarren, die durch den Lipno-Stausee geflutet wurden, noch immer als existente Pfarren angesehen werden: „Für diese unter Wasser liegenden Pfarren müssen wir nach wie vor Steuererklärungen ausfüllen“.

Bischof Scheuer unterstrich die guten Beziehungen zwischen den benachbarten Diözesen Linz und Budweis in den letzten 30 Jahren. Hier seien besonders die Theologische Fakultät (die  jetzige Katholische Privat-Universität) und die Caritas hervorzuheben. Auch der damalige Linzer Diözesanbischof Maximilian Aichern habe sich sehr für die guten Beziehungen der beiden Diözesen eingesetzt.

 Nach einer Parlamentsführung in Prag und einem Treffen mit dem früheren Kreishauptmann von Südböhmen, Jan Zahradník (ein wichtiger Partner des Landes Oberösterreich beim Aufbau der nachbarschaftlichen Beziehungen), empfing der österreichische Botschafter in Prag, Alexander Grubmayr,  die Linzer „Pro Oriente“-Sektion. Dabei wurden auch die wichtigsten politischen Fragen zwischen Wien und Prag besprochen, etwa die klare Positionierung Österreichs gegen die Nuklearenergie und den weiteren Ausbau der tschechischen Atomkraftwerke.

Ein weiterer Höhepunkt der Reise war ein morgendlicher Gottesdienst mit Bischof Scheuer im Prager Veitsdom. In seiner Predigt wünschte der Bischof der Kirche in der Tschechischen Republik unter anderem ein „Healing of Memories“ eine „Heilung der Erinnerung“. „In Tschechien sind die Wunden der Geschichte deutlich zu spüren: Diese Wunden sind noch nicht verheilt oder vergessen“, so Bischof Scheuer.

Im Erzbischöflichen Palais direkt neben der Prager Burg empfing dann Kardinal Dominik Duka die Delegation aus Oberösterreich. Der Kardinal gab einen kurzen Einblick in die Geschichte der römisch-katholischen Kirche in der Tschechischen Republik in den letzten 30 Jahren. Die Rolle der theologischen Fakultäten und den Aufbau der Caritas hob er dabei besonders hervor. Derzeit sieht Kardinal Duka die Kirche wieder mit ganz neuen Herausforderungen konfrontiert: zum Beispiel mit der Frage der Restitution und der künftigen Selbstfinanzierung der Kirche. Dies erfordert neue Formen in der Administration und im wirtschaftlichen Bereich. Sorge bereitet dem Kardinal auch die derzeitige politische Lage: „Die politischen Parteien spalten die Gesellschaft, aber auch die Gläubigen und die Priester. Es gibt eine Resignation einerseits und andererseits Aktivisten der verschiedenen Richtungen. Das ist keine einfache Situation für die Bischofskonferenz oder die Ordensgemeinschaften“.

Als Herausforderungen für die Zukunft der Kirche in der Tschechischen Republik nannte der Kardinal drei Punkte: „Die erste Priorität muss eine Öffnung der Kirche zur Gesellschaft sein. Der zweite Schwerpunkt sollte dem Religionsunterricht für die Kinder gelten, mit einer Modernisierung der Lehrpläne. Und die dritte Sorge gilt dann den geistlichen Berufen.“

Bischof Scheuer fasste die „Pro Oriente“-Reise ins Nachbarland so zusammen: „Kirche war und ist ganz starken Veränderungen ausgesetzt. Aus Zeiten der Verfolgung ist sie zwar freier, aber auch ärmer und kleiner hervorgegangen“.