6. „Salzburg International Conference“ präsentierte neue Erkenntnisse zur Geschichte des Christentums an der Seidenstraße

60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 20 Nationen berichteten bei der von Prof. Dietmar Winkler geleiteten Konferenz im kasachischen Almaty über neueste Forschungsergebnisse – Das Salzburger „Zentrum zur Erforschung des Christlichen Ostens“ (ZECO) ist eine der führenden Adressen im Hinblick auf die Erforschung der „Apostolischen Kirche des Ostens“, die in der Epoche des Mongolischen Weltreichs die geographisch größte des Christentums war

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Foto: © Popolon (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Almaty, 02.07.19 (poi) Neueste Forschungsergebnisse wurden bei der 6. „Salzburg International Conference“ über die faszinierende Geschichte des Christentums syrischer Tradition in China und Zentralasien präsentiert. Die Konferenz, die heuer in der kasachischen Metropole Almaty abgehalten wurde, stand unter der Leitung von Prof. Dietmar W. Winkler (der auch Vorsitzender der Salzburger „Pro Oriente“-Sektion ist) und der aus Peking stammenden Expertin Li Tang, die am Salzburger „Zentrum zur Erforschung des Christlichen Ostens“ (ZECO) tätig ist. Li Tang hielt auch die „Keynote address“: „Auf der Suche nach den Gläubigen: Die christlichen Gemeinschaften syrischer Tradition an der Seidenstraße“. Rund 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehr als 20 Nationen – darunter aus Europa, Zentralasien, China, Japan, Indien, USA, Australien –  präsentierten eine Fülle von konkreten Forschungsergebnissen, aus denen sich immer deutlicher die außerordentliche Bedeutung der „Apostolischen Kirche des Ostens“ – der Kirche des alten Perserreichs mit ihrem Mittelpunkt in der Doppelstadt Seleukia-Ktesiphon in der Nähe des späteren Bagdad – herauskristallisiert. Aber nicht nur diese ostsyrische Kirche war in den Weiten Asiens überaus aktiv, sondern auch die westsyrische syrisch-orthodoxe Kirche mit ihrem Mittelpunkt Antiochien. Die Botschaft des Evangeliums überschritt bereits in apostolischer Zeit die Grenze zwischen den beiden damaligen Weltmächten – Römisches Reich und Persisches Reich -, um in der Folge über die Seidenstraße Zentralasien, Indien und das China der Tang-Zeit zu erreichen. Einige Jahrhunderte später, in der Epoche des Mongolischen Weltreichs, war die „Kirche des Ostens“ die geographisch größte des Christentums.

Die Internationale Konferenz wurde unter der Federführung des Salzburger „ZECO“ mit dem „UNESCO-Institute for Central Asian Studies“ mit Sitz im usbekischen Samarkand und der Kasachischen Akademie der Wissenschaften (Department of Nestorian Studies in Almaty) und mit Unterstützung der Stiftung „Pro Oriente“ durchgeführt. In Zentralasien, insbesondere an der Seidenstraße, zeigen in Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan und Usbekistan bedeutende archäologische Funde aus dem 9. bis 13. Jahrhundert die weite Verbreitung dieser christlichen Tradition auf, zugleich dokumentieren diese Funde faszinierende Inkulturationsprozesse. Grabsteine in syrischer Schrift und verschiedenen Sprachen (sogdisch, uigurisch etc.) oder chinesische Inschriften aus der Tradition der „Kirche des Ostens“ wurden auf der hochkarätigen Konferenz ebenso diskutiert wie die berühmten Handschriftenfunde aus der Turfan-Oase in Hsinkiang, die von einen internationalen Forscherteam bearbeitet werden. Zu diesen Funden gehört beispielsweise ein zweisprachiges Gebetbuch aus Bulayik, das einen turksprachigen Teil in uigurischer und syrischer Schrift aufweist sowie einen syrischsprachigen Teil mit syrischer Schrift.

Vieles, was in Almaty dargelegt wurde, ist nicht nur historisch interessant, sondern hat auch für heute hohe Bedeutung. So schilderte Prof. Baby Varghese vom Orthodoxen Theologischen Seminar im südindischen Kottayam die ostsyrischen Erfahrungen  mit „Liturgie und Inkulturation“ in China und Zentralasien. Aus diesen Erfahrungen könne man wichtige Schlüsse im Bereich der Theologie, des interreligiösen Dialogs, der religiösen Toleranz und der Bewahrung der Identität ziehen. In China etwa habe sich die „Apostolische Kirche des Ostens“ in der Gebetssprache und Hymnendichtung auch der klassischen poetischen Genres der chinesischen Literatur bedient. Besonders faszinierend sei die Darstellung des Kreuzes in der Lotusblüte.

Einen spannenden Blick auf die Kontinuität des Christentums in China ermöglichte der Nachwuchswissenschaftler Martin ZiRan Guo aus Fribourg. Er behandelte die Bemerkungen des Jesuiten Matteo Ricci über die „Verehrer des Kreuzes“, die er an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert im nördlichen China antraf. P. Ricci entwickelte Hypothesen über den Fortbestand des „chaldäischen“ Christentums in China nach der Ablösung der mongolischen Yuan-Dynastie durch die Ming-Dynastie (deren Träger Han-Chinesen waren) in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die Hypothesen des Begründers der neuzeitlichen China-Mission wurden 1625 von Nicolas Trigault in dem Werk „De Christiana expeditione apud Sinas“ publiziert.

Wie schwierig die Unterscheidung von „plausiblen Theorien“ und „irrigen Behauptungen“ im Hinblick auf die Ausbreitung des Christentums syrischer Tradition im ostasiatischen Raum ist, zeigte Bradford Houdyshel am Beispiel Japan auf. Die Theorien von Yoshiro Saeki, der etwa den Hata-Clan als eine Gruppe ostsyrischer Christen aus Zentralasien identifizierte und einen der Namen auf der berühmten Stele von Xi’an als persischen Besucher am japanischen Kaiserhof im Jahr 736 nach Christus, bezeichnete Houdyshel angesichts der engen Beziehungen zwischen China und Japan in jener Zeit als möglich. Spätere Autoren hätten oft Irriges behauptet, etwa dass in einem buddhistischen Tempel in Japan ein „Jingjiao“-Manuskript entdeckt worden sei („Jingjiao“=lichtvolle Religion wurde das ostsyrische Christentum in China genannt).

Die Arbeit an den vielfältigen Zeugnissen des Christentums an der Seidenstraße  – dessen Bedeutung erst in jüngster Zeit über den Kreis der Expertinnen und Experten hinaus entsprechend erkannt wird –  ist nur interdisziplinär möglich. Die in Almaty versammelten Forscherinnen und Forscher kamen daher u.a. aus den Bereichen der Philologie, der Sprachwissenschaften, der Epigraphik, der Archäologie, der Geschichtswissenschaften, der Theologie, der Handschriftenkunde etc. Das „ZECO“ veranstaltet seit 2003 die Serie der „Salzburg International Conferences“ und ist international für die Forschungen zum Christentum an der Seidenstraße – von Persien über Zentralasien bis nach Indien und China – eine der führenden Adressen.