Albanische orthodoxe Kirche erkennt die neue „Orthodoxe Kirche der Ukraine“ nicht an

Einberufung einer panorthodoxen Versammlung der Oberhäupter aller autokephalen Kirchen verlangt, um „Gefahr eines schmerzlichen Schismas“ zu vermeiden – Heiliger Synod in Tirana übte aber auch Kritik am Abbruch der eucharistischen Gemeinschaft mit Konstantinopel durch das Moskauer Patriarchat

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Foto: © Υπουργείο Εξωτερικών (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic lic)

Tirana-Istanbul, 14.03.19 (poi) Die innerorthodoxe Auseinandersetzung um das ukrainische Kirchenproblem geht weiter: Die orthodoxe Kirche von Albanien hat jetzt auf ihrer Website einen Beschluss ihres Heiligen Synods vom 4. Jänner veröffentlicht, dieser Beschluss war am 14. Jänner brieflich dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. zur Kenntnis gebracht worden. Der Heilige Synod der Kirche von Albanien hat  in dem unter dem Vorsitz von Erzbischof Anastasios (Yannulatos) gefassten Beschluss die neue „Orthodoxe Kirche der Ukraine“ ausdrücklich nicht anerkannt, die Gültigkeit der Weihen der Bischöfe und Priester dieser Kirche in Zweifel gezogen und dringlich eine „Synaxis“ (Versammlung) der Oberhäupter der autokephalen Kirchen verlangt.

In dem von Erzbischof Anastasios unterzeichneten Brief an Patriarch Bartholomaios wurde die Abhaltung einer „Synaxis“ so bald wie möglich angemahnt, um die „Gefahr eines schmerzlichen Schismas“ zu vermeiden. Die im Oktober 2018 von Erzbischof Anastasios zum Ausdruck gebrachte Besorgnis über eine Vertiefung der Kirchenspaltung in der Ukraine durch das Autokephalie-Projekt habe sich bewahrheitet. Hoffnungen, dass sich die Aufregung legen würde und die autokephalen orthodoxen Kirchen die neue Situation in der Ukraine akzeptieren, seien „unbegründet“, wenn man sich die Geschichte der kirchlichen Schismen vor Augen halte.

In dem Beschluss des Heiligen Synods in Tirana wurde insbesondere die Gültigkeit der von dem laisierten, exkommunizierten und mit dem „Anathema“ (Kirchenbann) belegten „Patriarchen“ Filaret (Denisenko) gespendeten Weihen in Zweifel gezogen. Diese Weihen  seien ungültig und entbehrten der Gnade des Heiligen Geistes. Ausdrücklich bezweifelte der albanische Heilige Synod auch die Kanonizität der Weihe des neugewählten Oberhaupts der „Orthodoxen Kirche der Ukraine“, Metropolit Epifanij (Dumenko).

Die albanischen Bischöfe erinnerten daran, dass andere orthodoxe Kirchen – so etwa die Kirchen von Serbien, Rumänien, Bulgarien, Polen, Albanien, Tschechien und der  Slowakei  – im Wunsch nach der Autokephalie geeint gewesen seien. In der Ukraine hingegen habe sich die von Metropolit Onufrij (Berezowskij ) geleitete ukrainisch-orthodoxe Kirche mit ihren Millionen von Gläubigen dem Autokephalie-Projekt verweigert. „Anstelle einer Versöhnung und Einheit der orthodoxen Gläubigen in der Ukraine steht vor uns die Gefahr einer Spaltung in der ganzen orthodoxen Welt“, stellte der albanische Heilige Synod fest. Umso notwendiger sei die Einberufung einer gesamtorthodoxen „Synaxis“.

Der Heilige Synod der albanischen orthodoxen Kirche erneuerte aber auch seine Kritik an der Entscheidung der russisch-orthodoxen Kirche, nicht am Konzil von Kreta teilzunehmen und noch mehr am Abbruch der eucharistischen Gemeinschaft zwischen den Patriarchaten von Moskau und Konstantinopel. Die Eucharistie müsse außerhalb aller kirchenpolitischen Konflikte stehen.

 

Scharfe Antwort aus Konstantinopel

Der Brief des Oberhaupts der albanisch-orthodoxen Kirche wurde von Patriarch Bartholomaios I. am 20. Februar beantwortet. Der Ökumenische Patriarch schrieb, er habe den Brief von Metropolit Anastasios aufmerksam studiert, müsse aber darauf verweisen, dass schon seit den frühen Konzilien Konstantinopel die grenzüberschreitende Verantwortung – „nicht das Privileg“ – habe, definitive Lösungen für jene ortskirchlichen Probleme zu finden, die die Ortskirchen selbst nicht lösen können. Die Zuerkennung der Autokephalie durch Konstantinopel erfolge im Hinblick auf eine „bessere innere Organisation der kirchlichen Angelegenheiten“ im betreffenden Kirchengebiet. Dadurch werde das „heilige Gemeinwohl“ der orthodoxen Kirche, wie es sich aus der langen kanonischen Entwicklung der Ökumenischen Konzilien ergeben habe, nicht in Frage gestellt. Es gehe auch nicht um ein „falsches Konzept selbstgenügsamer Ortskirchen“, das zu einer Spaltung der „einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche“ führen würde.

Aus der Tradition gehe auch „klar und fraglos“ die kanonisch etablierte Appellationsfunktion des Ökumenischen Patriarchats hervor, so Bartholomaios I. Diese Funktion sei auch im Fall des „hochwürdigsten Metropoliten Filaret, früher von Kiew, und Makarij von Lwiw“ zur Anwendung gekommen. Ausführlich ging der Patriarch auf die von Metropolit Anastasios und dem Heiligen Synod der albanischen Kirche vorgebrachten Zweifel an der Gültigkeit der Weihen der Bischöfe und Priester der neuen „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ ein. Dabei verwies er auf den vom Heiligen Synod von Konstantinopel im Jahr 1877 beglaubigten „außerordentlich bedeutsamen“ Traktat des heiligmäßigen Metropoliten Basilios von Smyrna über die Gültigkeit der von abgesetzten, schismatischen oder sogar häretischen Bischöfen erteilten Priesterweihen (eine Kopie des Traktats legte der Ökumenische Patriarch in seinem Schreiben an Metropolit Anastasios bei).

Zugleich erinnerte Bartholomaios I. an Präzedenzfälle, angefangen vom Schisma des ägyptischen Bischofs Meletios im frühen 4. Jahrhundert. Die von Meletios und seinen Anhängern geweihten Bischöfe, Priester und Diakone seien, nachdem die „Versöhnung mit der Kirche“ erreicht war, ohne bedingungsweise Neuweihe in ihren Rängen bestätigt worden. 1945 habe das Ökumenische Patriarchat mit den vom Konzil von Konstantinopel 1872 laisierten und exkommunizierten bulgarischen Bischöfe bzw. deren Nachfolgern die kirchliche Gemeinschaft wieder aufgenommen, ohne dass eine bedingungsweise Neuweihe verlangt worden wäre.  Das gleiche sei geschehen, als das Moskauer Patriarchat 2007 „unter schamlosem politischen Druck“ die zuvor als schismatischen betrachteten Mitglieder der russischen Auslandskirche (ROCOR) wieder aufnahm.

Aus den Abschlussbemerkungen des Patriarchen geht hervor, dass die kritische Anfrage aus Tirana im Hinblick auf die Unterstützung des Wiederaufbaus der albanischen orthodoxen Kirche durch Konstantinopel nicht goutiert wurde. Die Toleranz und geduldige Haltung des Ökumenischen Patriarchats sei gerade von jenen, „die am meisten von Konstantinopel profitiert haben“, als Abweichung vom Weg der Kirche ausgelegt worden.  Er sei ratlos, warum die „Impertinenz und Verleumdung“ gegen die Mutterkirche und gegen ihn selbst von einigen toleriert werde, die bisweilen „wissentlich oder unwissentlich“ sogar die Argumente der Feinde Konstantinopels übernehmen, schrieb Bartholomaios I. und fügte hinzu: „Im Phanar lehren wir das echte Erbe der Ekklesiologie, weil wir aus aus der Quelle der Väter schöpfen und nicht aus Eigeninteresse oder anderen trivialen Motivationen und politischen Erwägungen handeln“. Es sei die Verantwortung aller anderen, sich diese geoffenbarten Wahrheiten zu eigen zu machen, nicht um sie zu bestätigen, denn das „sind sie längst durch die kirchliche Praxis“, sondern um der „kostbaren und authentischen Erfahrung der Kirchenväter“ zu folgen.