Bewegung im angespannten Verhältnis zwischen Moskau und Konstantinopel

Der antiochenisch-orthodoxe Metropolit für Nordamerika ermöglichte Zusammentreffen des griechisch-orthodoxen Erzbischofs von Amerika, Elpidophoros (Lambriniadis), und des Leiters des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion (Alfejew) – Der russisch-orthodoxe Metropolit sieht offensichtlich Versöhnungsmöglichkeiten

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Foto: © U.S. Department of State (Quelle: Wikimedia; Lizenz: public domain

Washington, 24.10.19 (poi) Bewegung im angespannten Verhältnis zwischen den orthodoxen Patriarchaten von Moskau und Konstantinopel: Der für Nordamerika zuständige antiochenisch-orthodoxe Metropolit Joseph (Zehlawi) lud am Mittwoch den griechisch-orthodoxen Erzbischof von Amerika, Elpidophoros (Lambriniadis), einen engen Mitarbeiter des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., und den Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion (Alfejew), der sich aus Anlass verschiedener Jubiläen in den USA aufhält, zu einem Lunch in seine Residenz in Englewood im Bundesstaat New Jersey.  Die beiden Hierarchen aus Moskau bzw. Konstantinopel, die einander gut kennen, aber im Zug der Ukraine-Krise mittlerweile diametral entgegengesetzte Positionen  vertreten, folgten gern der Einladung des antiochenischen Metropoliten. Bei dem Essen und einem anschließenden Meeting tauschten sie laut Kommunique Meinungen „über die aktuelle Krise in den interorthodoxen Beziehungen“, aber auch Geschenke aus.

Die Begegnung der beiden Hierarchen wurde in der orthodoxen Welt mit größtem Interesse registriert. Erzbischof Elpidophoros ist der Autor des Buches „First without Equals“ (Der Erste ohnegleichen), in dem eine Konzeption des Primats des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel vertreten wird, die in den Vorgängen um die Orthodoxie in der Ukraine eine wichtige Rolle spielte. Nach der Ernennung von Elpidophoros (Lambriniadis) zum Erzbischof von Amerika hatte Metropolit Hilarion (der 2011 noch an der Bischofsweihe des konstantinopolitanischen  Hierarchen teilgenommen hatte) im Mai in einem Interview die „aktive Rolle“ des neuen Erzbischofs in den „antikanonischen Aktivitäten“ Konstantinopels in der Ukraine scharf kritisiert.

Am Mittwoch sagte Metropolit Hilarion in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur RIA-Nowosti, dass der Einladung von Metropolit Joseph eine Versöhnungsinitiative  des antiochenisch-orthodoxen Rechtsanwalts Charles Ajalat (des früheren Kanzlers der antiochenischen Metropolie in Nordamerika) vorausgegangen war. Charles Ajalat habe auch seine USA-Reise organisiert, berichtete der russisch-orthodoxe Metropolit. In dem Interview erzählte der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, dass er Erzbischof Elpidophoros bereits seit 25 Jahren kenne. Die erste Begegnung sei beim orthodox-evangelisch-lutherischen Dialog in Finnland erfolgt. Seither habe es freudige und traurige Ereignisse in der beiderseitigen persönlichen Beziehung und in der Beziehung zwischen den Kirchen von Konstantinopel und Moskau gegeben. Ein freudiges Ereignis sei für ihn die Einladung zur Teilnahme an der Bischofsweihe von Elpidophoros (Lambriniadis) gewesen, so Metropolit Hilarion. Die traurigen Ereignisse seien mit „der Legalisierung des ukrainischen Schismas durch Patriarch Bartholomaios“ verbunden.

Am Tisch von Metropolit Joseph habe es erstmals seit der Entscheidung des Heiligen Synods von Konstantinopel zur Verleihung der Autokephalie an die neugegründete „Orthodoxe Kirche der Ukraine“  und der folgenden Entscheidung des Moskauer Heiligen Synods, die Gemeinschaft mit Konstantinopel abzubrechen, die Möglichkeit gegeben, Ansichten über die Ereignisse auszutauschen  – „und auch darüber, was in dieser Situation getan werden könnte“. Auf die Frage, was das sein könnte, antwortete Metropolit Hilarion wörtlich: „Wir haben für die Bewahrung der Einheit der orthodoxen Kirche gebetet. Und wir hoffen, dass die Spaltung, die sich ereignet hat, überwunden werden kann. Mit den Worten des Erlösers im Evangelium sage ich: ‚Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich‘.  Der Heilige Geist hat seine Diener in der Geschichte der Kirche immer wieder angeleitet, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich glaube, dass das auch in unserer Zeit möglich ist“.  Vielleicht sei es kein Zufall, dass das Treffen in Englewood einen Tag nach der Ankündigung der Heiligsprechung des Athos-Mönchs Sofronij durch Patriarch Bartholomaios erfolgt sei. Er habe Sofronij gut gekannt, unterstrich Metropolit Hilarion, der Mönch sei ein herausragender Asket der Gegenwart gewesen, „ein Betrachter des Göttlichen Lichts“, ein Schüler und Gefolgsmann des berühmten Athos-Mönchs Silouan: „Ich glaube, dass Vater Sofronij für die geliebte russische Kirche betet, die ihn erzogen hat, und für die Kirche von Konstantinopel, die ihn zwei Mal in ihre Reihen aufgenommen hat: Das erste Mal, als er auf den Athos kam, und dann, als er in England in sehr schwierigen Umständen lebte. Möge das Gebet dieses Heiligen uns helfen, die Einheit der heiligen Kirchen Gottes zu bewahren, um die wir in jeder Liturgie beten“.

Metropolit Epifanij bei Außenminister Pompeo

Am Tag vor dem bedeutsamen Treffen zwischen Erzbischof Elpidophoros und Metropolit Hilarion in Englewood ereignete sich in Washington ein merkwürdiger Vorgang, dessen Hintergründe bislang nicht aufgedeckt sind. Auf der Website des US-amerikanischen Außenministeriums wurde angekündigt, dass Außenminister Michael Pompeo am Dienstag, 22. Oktober, um „3:30 p.m.“ (15:30 Uhr) ohne „press coverage“ im State Department mit Metropolit Hilarion zusammentreffen werde. Ohne Begründung verschwand der Termin wieder aus den Dienstag-Ankündigungen, das Treffen fand nicht statt. Dafür wurde in den Ankündigungen für Mittwoch, 23. Oktober, um „9:30 a.m.“ eine Begegnung Pompeos mit Metropolit Epifanij (Dumenko), dem Oberhaupt der neuen „Orthodoxen Kirche der Ukraine“, verzeichnet (wieder ohne „press coverage“). Diese Begegnung fand tatsächlich statt. Teilnehmer waren auch der US-Sonderbotschafter für Fragen der Religionsfreiheit, Samuel D. Brownback, und Erzbischof Jewstratij (Zorya), der Pressesprecher der „Orthodoxen Kirche der Ukraine“. Metropolit Epifanij war u.a. zur Entgegennahme des von den „Archonten“ der griechisch-orthodoxen Erzeparchie verliehenen „Patriarch Athenagoras“-Preises für Menschenrechte in die USA gekommen. Auf Facebook teilte Metropolit Epifanij mit, er habe gegenüber Pompeo die Dankbarkeit für die langjährige Solidarität und Unterstützung der USA zum Ausdruck gebracht, die für die „Stärkung der Unabhängigkeit der Ukraine von außerordentlicher Bedeutung“ sei. Pompeo habe ihm versichert, dass die USA immer für das Recht auf Religionsfreiheit für alle und für die Möglichkeit zur freien Wahl des Religionsbekenntnisses eintreten würden. Der US-Außenminister twitterte, dass es ein Vergnügen gewesen sei, Metropolit Epifanij zu treffen. Die Verteidigung der Religionsfreiheit für alle Ukrainer durch Metropolit Epifanij sei lobenswert, er sei glücklich, dass der Metropolit mit dem „Patriarch Athenagoras“-Preis ausgezeichnet worden sei, stellte Pompeo fest und fügte hinzu: „Gratulation – wohl verdient“.

 

Pfarren wechseln Jurisdiktion nicht mehr

Mittlerweile hat Metropolit Kliment (Wetscherja) von Nyschin (der zur ukrainisch-orthodoxen Kirche unter Metropolit Onufrij gehört) in einem Interview betont, dass seit dem Präsidentenwechsel in der Ukraine der „Transfer“ von ukrainisch-orthodoxen Pfarrgemeinden zur neugegründeten „Orthodoxen Kirche der Ukraine“  nahezu völlig aufgehört hat. Dieser „Transfer“ sei ein „künstlicher Prozess“ gewesen, der „mehr auf den Druck von Regierungsfunktionären als auf die Entscheidung der Gläubigen zurückzuführen war“.  Wörtlich meinte der Metropolit: „Die Frage ist, wieso nach dem Präsidentenwechsel der Wunsch nach Konfessionswechsel plötzlich aufgehört hat. Das kann nur dadurch erklärt werden, dass bei den ‚Transfers‘ viel Druck von lokalen und gesamtstaatlichen Autoritäten im Spiel war“. Auch bei den Statistiken über die Zahl der Gemeinden, die zur neuen Kirche übergewechselt sind, habe es sich zumeist um „fake news“ gehandelt. Die Taktik sei die gleiche wie im alten Sowjetsystem; auch damals sei von den „Oberen“ oft angeordnet worden, dass eine bestimmte Anzahl von Pfarrgemeinden zu schließen sei; die Lokalbehörden, die keine überflüssigen Konflikte wollten, hätten dann mit gefälschten Statistiken gearbeitet.