Bischof Irinej äußert sich differenziert über die „Causa Stepinac“

Sprecher des serbischen Patriarchats äußerte sich in Weihnachtsinterview auch über andere heikle kirchenpolitische Probleme wie den Vorstoß des bulgarischen Patriarchats in Sachen der mazedonischen Kirche und die Diskussion um den Kosovo und die Metochie

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Foto ©: PanchoS (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Belgrad, 02.01.18 (poi) Differenziert hat sich der serbisch-orthodoxe Bischof der Backa, Irinej (Bulovic), in einem Weihnachtsinterview mit der Belgrader Zeitung „Vecernje Novosti“ zur „Causa Stepinac“ geäußert, der Auseinandersetzung um die Heiligsprechung des kroatischen Kardinal-Primas Alojzije Stepinac (1898-1960). Beide Seiten – die serbisch-orthodoxe und die kroatische römisch-katholische – seien bei den Treffen der gemischten Kommission „und auch danach“ bei ihren Positionen geblieben, sagte Bischof Irinej, der auch als Sprecher des serbischen Patriarchats fungiert. Die Tatsache, dass kroatische Politiker intensiv in die Diskussion eingegriffen hätten, sage aber einiges aus über die Natur und das Ziel der Auseinandersetzung. Man könne zwar nicht sagen, wie die Sache ausgehen werde, aber er sei sich bewusst, dass Papst Franziskus eine andere Auffassung von Kirche habe als bestimmte Kreise in Zagreb. Darüber hinaus seien auch aus Kroatien zahlreiche gemäßigte Stimmen zu hören.

In dem Interview nahm der in Novi Sad residierende Bischof der Backa auch zu anderen heiklen kirchenpolitischen Problemen Stellung, vor allem zur Frage der mazedonisch-orthodoxen Kirche, die sich 1967 von der serbischen Kirche abgespalten hat und die seither in der ganzen orthodoxen Welt als schismatisch gilt. Die Äußerung von Patriarch Kyrill I. (bei der 100-Jahr-Feier der Wiedererrichtung des Moskauer Patriarchats) zu Gunsten der Bewahrung der „kanonischen Einheit der serbisch-orthodoxen Kirche in ihren historischen Grenzen“ spiegle das traditionelle orthodoxe kirchliche Organisationsprinzip, betonte Bischof Irinej. Wer dieses Prinzip in Frage stelle, gefährde die kanonische Struktur der ganzen orthodoxen Weltkirche und bedrohe ernsthaft ihre Einheit. Die vieldiskutierte jüngste Äußerung der bulgarisch-orthodoxen Kirche, wonach sie die mazedonisch-orthodoxe Kirche“ unter ihre Fittiche“ nehmen wolle, sei bisher nur „medial“ bekannt; sie sei weder dem Ökumenischen Patriarchat noch dem serbisch-orthodoxen Patriarchat oder den anderen orthodoxen Schwesterkirchen offiziell mitgeteilt worden. Nach seinen Informationen habe die bulgarisch-orthodoxe Kirche auch nur die Bereitschaft bekundet, auf Ersuchen der mazedonischen Kirche bei den anderen Schwesterkirchen zu intervenieren, damit der „nichtkanonische Zustand“ Skopjes beendet wird, so Bischof Irinej. Zweifellos sei man sich in Sofia auch der Gefahr bewusst, dass die bulgarisch-orthodoxe Kirche ihrerseits in ein Schisma geraten könnte, wenn sie sich für eine schismatische Gruppe stark macht. In diesem Zusammenhang verwies der Bischof der Backa darauf, dass sich die bulgarisch-orthodoxe Kirche – deren Unabhängigkeit zunächst auf einem Firman des Sultans beruhte – bis 1945 im Schisma war. Offensichtlich befänden sich die bulgarischen Bischöfe „zwischen Scylla und Charibdis“: Auf der einen Seite gebe es den Druck politischer und intellektueller Kreise in Bulgarien, die das alte Konzept, wonach die Mazedonier „integraler Bestandteil der bulgarischen Nation“ seien, auf dem Weg über die Kirche revitalisieren wollen; auf der anderen Seite sei man sich der Risiken eines „Flirts“ mit einer schismatischen Organisation auch im Hinblick auf die eigene jüngste Geschichte – als es in Bulgarien 1996 eine „Alternativ-Synode“ unter dem Metropoliten Pimen von Nevrokop gab – wohl bewusst.

Auch das Angebot der mazedonischen Kirche, die bulgarisch-orthodoxe Kirche zu ihrer „Mutterkirche“ zu proklamieren, sei ahistorisch, betonte der Bischof der Backa. Die geschichtlichen Verhältnisse in Südosteuropa seien „turbulent“ gewesen, wenn man von einer „Mutterkirche“ in diesem Raum spreche, dann könne das für alle nur die Kirche von Konstantinopel sein. Bischof Irinej zitierte die Erklärung des Heiligen Synods der Kirche von Griechenland, dass die bulgarische Einmischung in die Jurisdiktion der serbisch-orthodoxen Kirche einen Akt darstelle, der dem Kirchenrecht und der Tradition widerspreche, den Vorrang des Ökumenischen Patriarchats unterschätze und „möglicherweise zu schwierigen Entwicklungen führen“ könne. Sein Eindruck sei, dass von dem bulgarischen Vorstoß in erster Linie schismatische Bewegungen in Griechenland, der Ukraine, Australien, Nordamerika profitieren wollen, aber auch „ultrakonservative und unierte Kreise in der römisch-katholischen Kirche“, die den Kurs von Papst Franziskus ablehnen und „mit boshafter Freude“ meinen, das Beispiel der orthodoxen Kirchen zeige, dass die Einheit der Kirche ohne päpstlichen Absolutismus nicht möglich sei. Dazu kämen auch noch die Vorkämpfer einer synkretistischen „Weltreligion“, die von der Zerstörung der historischen Religionen, vor allem des Christentums, träumen.

Ausführlich beschäftigte sich der serbische Bischof in dem Weihnachtsinterview auch mit der Kosovo-Frage. Serbien sei in dieser Frage gespalten, so Bischof Irinej. Auf der einen Seite gebe es „weise und durchdachte“ Haltungen, wie sie jüngst bei einer Diskussion an der „Matica Srpska“ in Novi Sad zu Tag getreten seien, auf der anderen Seite „oberflächliche und unverantwortliche“ Erklärungen aus dem Bereich der „Semi-Eliten“ und „Pseudo-Eliten“, in denen Serbien vorgeworfen wird, sich nicht vom „Ballast des Kosovo und der Metochie“ befreit zu haben. Die Mehrheit der Serben stehe zweifellos nicht zu einer solchen Position, das müsse auch die Staatsspitze ernst nehmen. Persönlich sei er überzeugt, dass das serbische Volk seine Identität und deren Quelle, die im Kosovo und in der Metochie geformt worden sei, nicht missachten könne.

Leider werde die Wahrheit über das Leiden der serbischen Bevölkerung im Kosovo und in der Metochie auf internationaler Ebene solange begraben bleiben, als der Westen auf jenen Entscheidungen besteht, die sich bereits – „siehe Naher Osten, Katalonien“ – als Bumerang erwiesen hätten, stellte der Bischof fest. Die serbisch-orthodoxe Kirche, aber auch viele serbische Wissenschaftler, Literaten, Journalisten usw. hätten aber ein starkes Zeugnis für diese Wahrheit abgelegt, u.a. in dem fundamentalen Werk „Die Grundlagen des Kosovo“, dessen zweite Auflage soeben auch in englischer Sprache erschienen sei.

„Es war immer Altserbien“

Bischof Irinej kritisierte den Belgrader Sprachgebrauch in Sachen Kosovo. Nach seiner Auffassung wäre es besser gewesen, von „Altserbien“ zu sprechen, wie es Jahrhunderte hindurch auf allen europäischen Karten Brauch gewesen sei. Das 2007 erschienene Werk „Atlas Altserbiens: Europäische Karten des Kosovo und der Metochie“ dokumentiere diese Tatsache. Mit Recht habe der montenegrinische Metropolit Amfilohije (Radovic) im Vorwort darauf verwiesen, dass auch in den Jahrhunderten der türkischen Herrschaft die europäischen Karten und Lexika den Kosovo und die Metochie immer als „natürlichen und untrennbaren“ Teil des serbischen Landes ausgewiesen hätten.

Die Feststellung des Belgrader Patriarchen Irinej in Moskau, dass man im Hinblick auf den Kosovo auf die brüderliche Hilfe Russlands rechne, sei überaus positiv aufgenommen worden, berichtete der Bischof der Backa. Die russischen religiösen und politischen Führungspersönlichkeiten hätten deutlich gemacht, dass sie „die Serben nie verraten werden, außer wenn wir uns selbst verraten“. Moskau werde auch den UNO-Beitritt des Quasi-Staats von Hashim Thaci verhindern, außer „Belgrad beugt sich dem westlichen Ultimatum, allenfalls in der Form eines Abkommens, in dem sich beide Länder verpflichten, einander beim Beitritt zu internationalen Organisationen nicht zu behindern“.