Bischof Scheuer: „Ökumene ist gemeinsames Zeugnis“

Bei Großveranstaltung der Linzer „Pro Oriente“-Sektion plädierte der Bischof für „Fortschritt in der Annäherung der Kirchen“ durch die „innere Einheit der kirchlichen Autoritäten mit dem Denken, Beten und Handeln der Gläubigen“

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Foto: © Evangelische Kirche in Österreich (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic)

Linz, 27.02.19 (poi) Ökumene ist ein zentrales Thema der katholischen Kirche und des Zweiten Vatikanischen Konzils: Dies betonte der Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer am Dienstag bei einer Veranstaltung der Linzer „Pro Oriente“-Sektion. Zu der vielbesuchten Veranstaltung bei den „Elisabethinen“ hatte der Vorsitzende der Linzer „Pro Oriente“-Sektion, Landeshauptmann a.D. Josef Pühringer, eingeladen, auch zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens nahmen teil. In seinem Vortrag zum Thema „Ökumene, das ist gemeinsames Zeugnis“ sagte Bischof Scheuer – der auch in der Bischofskonferenz für den Bereich Ökumene zuständig ist – wörtlich: „Ökumene als Wille zur Einheit unter den Christen ist Vollzug des eigenen Katholisch-Seins, der eigenen Katholizität… Sich im Licht des anderen zu erkennen und sich vom anderen befragen zu lassen, stärkt und weitet die eigene Position, macht antwortfähig und beziehungsfähig“.

In seinem Ökumenismus-Dekret „Unitatis redintegratio“ habe das Zweite Vatikanische Konzil andere Kirchen und kirchliche Gemeinschaften positiv gewürdigt und deren Heilsvermittlung – differenziert – anerkannt. U.a. wurde der „reiche Schatz“ der Kirchen des Orients hervorgehoben, „aus dem die Kirche des Abendlandes in den Dingen der Liturgie, in ihrer geistlichen Tradition und in der rechtlichen Ordnung vielfach geschöpft hat“. Das ganze geistliche und liturgische, disziplinäre und theologische Erbe des Orients mit seinen verschiedenen Traditionen wurde als „zur vollen Katholizität und Apostolizität der Kirche“ gehörig betrachtet.

Ziel allen ökumenischen Bemühens sollte nach römisch-katholischem Verständnis „eine Einheit sein, die sich im gemeinsamen Bekennen des apostolischen Glaubens, im Verständnis der Sakramente – vornehmlich der Eucharistie und der Taufe – und im Verständnis des kirchlichen Amtes eins weiß“, unterstrich Bischof Scheuer. Während es heute Stimmen gebe, die die Ökumene als gescheitert ansehen, forderten andere in der Haltung eines „ökumenischen Pragmatismus“ eine Art „Hauruck-Ökumene“, bei der theologische Kontroversprobleme und Fragestellungen als bedeutungslos angesehen würden und in der man meine, die Gemeinsamkeit der Kirchen „ohne geistige und geistliche Anstrengung mit Beschlüssen und Aktionen herbeiführen zu können“, stellte der Bischof fest. Scheuer dazu: „Mir scheint eine Ökumene, die als Subjekt des Handelns allein auf eine isolierte ‚Basis‘ setzt, ebenso zum Scheitern verurteilt wie eine Ökumene, die von einer isolierten ‚Kirchenobrigkeit‘ her denkt. Wirklicher Fortschritt in der Annäherung der Kirchen setzt die innere Einheit der kirchlichen Autoritäten mit dem Denken, Beten und Handeln der Gläubigen voraus. ‚Unitatis redintegratio‘ macht ganz klar, dass nicht nur die Hirten, sondern auch die Gläubigen verantwortliche und zuständige Subjekte der Ökumene sind.“

Bischof Scheuer warnte davor, Ökumene als einen Weg zu denken, der „mehr oder weniger kontinuierlich auf die vor uns liegende Einheit zuläuft“. Dabei werde übersehen, dass in wichtigen Bereichen des kirchlichen Lebens und Glaubensbewusstseins Entwicklungen eintreten können, die die Kirchen auseinanderdriften lassen, etwa manche Entwicklungen im Bereich ethischer Grundüberzeugungen: „Auch im Blick auf politische Optionen sind jene Fliehkräfte nicht zu unterschätzen, die uns als Kirchen bei Stellungnahmen zu scheinbar nichttheologischen Fragen und Entwicklungen in der Profangesellschaft auseinanderdriften lassen“.

„Differenzierter Konsens“

Um in der Ökumene weiterzukommen, gelte es, den Blick auf das Verbindende statt auf das Trennende zu richten. Wörtlich meinte der Linzer Bischof: „Zum einen müssen Unterschiedlichkeiten im Sinne des differenzierten Konsenses miteinander versöhnt werden, also als sich nicht gegenseitig ausschließende, wohl aber komplementär ergänzende Aspekte der gemeinsamen Einsicht in das Mysterium Christi verstanden werden. Dies hat in vorbildlicher Weise die von römisch-katholischer und evangelisch-lutherischer Kirche erarbeitete ‚Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung‘ versucht. Zum anderen hat diese Option natürlich auch den Sinn, unnötige und vom Zentrum des Glaubens wegführende Ausformungen konfessionellen Eigenlebens zurückzuschneiden. Nicht alles, was uns in der kirchlichen Frömmigkeitspraxis und in der Ausgestaltung kirchlichen Lebens zugewachsen ist, muss bewahrt werden.“

Darüber hinaus nannte Bischof Scheuer „vertrauensbildende Maßnahmen“ als wichtig für die ökumenische Arbeit. Mit Rückschlägen in der ökumenischen Annäherung sei immer wieder zu rechnen. Um solche Phasen durchstehen zu können, brauche es ein „Kapital an Vertrauen“, das bereits im Voraus zu bilden sei, so der Bischof. Zu diesem Vertrauen gehöre auch die Bereitschaft, „sich freimütig auf Dinge aufmerksam zu machen, die für den ökumenischen Partner belastend sind, aber auch: jene Möglichkeiten der Zusammenarbeit und des gemeinsamen Zeugnisses auszuschöpfen, die uns heute schon möglich sind“.

Schließlich betonte Scheuer die Notwendigkeit, in einigen Problemfeldern, die besonders die Praxis des ökumenischen Miteinanders betreffen, verantwortbare Regeln zu entwickeln. So brauche es etwa weitere seelsorgliche Hilfen für konfessionsverschiedene bzw. -verbindende Ehen – „Hilfen, die sowohl mit unserem kirchlichen Selbstverständnis als auch mit der konkreten Situation dieser Paare in Einklang stehen“, so der Bischof.

Als positive Beispiele des „gemeinsamen Zeugnisses“ nannte Bischof Scheuer u.a. die „Ökumene der Märtyrer“ und den „geistlichen Ökumenismus“, der „eine Ahnung vom großen Reichtum des konfessionell geprägten Glaubenslebens“ vermittelt. In besonderer Weise verwies der Linzer Bischof auch auf das „Ökumenische Sozialwort“. Mit dem 2003 veröffentlichten Sozialwort hätten die christlichen Kirchen in Österreich Orientierung gegeben für ein sozial engagiertes Christentum, das sich gemeinsam den Herausforderungen der Gesellschaft stellt. Als Kompass wurde die Richtung einer menschengerechten Entwicklung der Gesellschaft angezeigt. Im Mittelpunkt stehen die Menschenwürde und die Verantwortung für die Schöpfung. Schlüsselworte sind Beteiligung, Verantwortung, sozialer Zusammenhalt.

Nach Bischof Scheuers Vortrag bedankte sich „Pro Oriente“-Präsident Alfons M. Kloss bei der oberösterreichischen Sektion für die konstruktive Zusammenarbeit und nannte ihr Engagement einen Motor der Motivation, die Gesamtarbeit von „Pro Oriente“ noch zu verstärken.