„Christen des Nahen Ostens brauchen die Solidarität Europas“

Drei orientalische Patriarchen konferierten mit Bundeskanzler Kurz im Hinblick auf die Funktion Österreichs als derzeitiges Vorsitzland der EU über die schwierige Situation der Christen – Initiative von Kardinal Schönborn

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Foto: © Gryffindor stitched by Marku1988 (Quelle: Wikipedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Wien, 12.12.18 (poi) „Die Christen des Nahen Ostens brauchen die Solidarität Europas“: Dies betonte der chaldäisch-katholische Patriarch, Kardinal Mar Louis Raphael Sako, am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Der Kardinal-Patriarch war gemeinsam mit dem syrisch-orthodoxen Patriarchen Mor Ignatius Aphrem II. und dem syrisch-katholischen Patriarchen Mor Ignatius Yousif III. Younan nach Wien gekommen, um mit Bundeskanzler Sebastian Kurz im Hinblick auf die Funktion Österreichs als derzeitiges Vorsitzland der EU über die schwierige Situation der orientalischen Christen zu konferieren. Die Initiative kam von Kardinal Christoph Schönborn, der auch Gastgeber der drei Patriarchen im Erzbischöflichen Palais war. Bei der Pressekonferenz erläuterte der syrisch-katholische Patriarch Mor Ignatius Yousif III. Younan, dass die Nahost-Christen die Unterstützung der EU bei der Verteidigung ihrer Bürgerrechte benötigen. Der syrisch-orthodoxe Patriarch Mor Ignatius Aphrem II. bedauerte, dass der Westen an der Zwangslage der orientalischen Christen kein Interesse habe: „Wir repräsentieren die ursprüngliche Bevölkerung der Nahost-Staaten. Wir wollen Würde, Gleichheit und Bürgerrechte“. Dies sei bei Trennung von Staat und Religion nur unter einer säkularen Regierung möglich, die die Religionen (in der Mehrzahl) respektiert.

Im Hinblick auf die Situation im Irak sagte Kardinal-Patriarch Mar Louis Raphael Sako, dass sich die Situation verbessert habe. Die neue Regierung stehe den Christen mit Offenheit gegenüber. Die Christen im Zweistromland müssten sich aber mit zwei Herausforderungen auseinandersetzen: Einerseits gehe es darum, den islamistischen Extremismus, der sich zu einer Ideologie und Gegenkultur entwickelt habe, wirksam zurückzuweisen, andererseits müsse den Christen geholfen werden, damit sie in der Heimat bleiben können. Für die Gesellschaft im Irak insgesamt sei die Präsenz der Christen von außerordentlicher Bedeutung, das werde auch von den Muslimen so gesehen. Angesichts der beiden Herausforderungen könne Europa eine wichtige Rolle spielen.

Auf die Frage nach der Gespaltenheit des orientalischen Christentums betonte der Kardinal-Patriarch, dass die Kirchen des Nahen Ostens weitgehend einig seien, die Suche nach einer gemeinsamen Sprache in politischen Fragen werde ständig vertieft. Den Christen gehe es nicht um Absicherung einer Minderheitenposition, sondern um gleiche Bürgerrechte für alle in einer zivilen Gesellschaft. In den letzten Jahren werde der Ruf nach einer zivilen Gesellschaft zunehmend auch von muslimischen geistlichen Autoritäten erhoben. Ein wichtiger Faktor für die Annäherung der Positionen sei im Irak der Interreligiöse Rat, in dem alle Religionsgemeinschaften des Zweistromlandes vertreten sind.

Mar Louis Raphael Sako brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass Papst Franziskus den Irak und Syrien besuchen wird, um die Christen zu ermutigen, in der Heimat zu bleiben „und die Liebe Gottes zu bezeugen“.

Der syrisch-orthodoxe Patriarch Mor Ignatius Aphrem II. beschrieb das Verhältnis christlichen Kirchen im Nahen Osten zueinander mit der Formel „Einheit in Verschiedenheit“. Die „Ökumene des Martyriums“ habe die Kirchen in der Auseinandersetzung mit den islamistischen Extremisten einander wesentlich näher gebracht. Es gehe darum, sich gemeinsam den Herausforderungen zu stellen. Mor Ignatius Aphrem II. betonte zugleich, dass die Kirchen in ihrer karitativen Tätigkeit „vor allem muslimischen Familien dienen“: „Trotz aller Auseinandersetzungen helfen wir beständig unseren muslimischen Nachbarn und zeigen den Menschen damit das wahre Gesicht des Christentums. Damit investieren wir auch in eine Zukunft, in der Christen und Muslime gleichberechtigt miteinander leben“.

Auch der syrisch-katholische Patriarch Mor Ignatius Yousif III. Younan bezeichnete die Verschiedenheit der orientalischen Kirchen als „Reichtum“. Diese Verschiedenheit gehe auf die Zeit der Apostel zurück, denn alle orientalischen Kirchen verdankten ihr Entstehen der Predigt des Evangeliums durch die Apostel. Gemeinsam seien die Christen des Nahen Ostens „Zeugen des Friedens und der Erlösung“: „Jesus trennt nicht, er vereint!´“.

Sowohl der syrisch-katholische Patriarch als auch sein syrisch-orthodoxer Amtsbruder gingen auf die Fehlinterpretationen im Hinblick auf die Haltung der Christen zu Präsident Assad und anderen autoritären Staatsführern im Nahen Osten ein. Er habe bereits im Mai 2011 Journalisten in Paris gesagt, dass der angepeilte „Demokratie-Export“ in Länder wie Syrien angesichts der dortigen Bevölkerungs- und Regierungsstruktur nur zu Chaos führen könne, betonte Mor Ignatius Yousif III. Younan. Wichtige Voraussetzung für das Überleben der Christen im Nahen Osten sei die Trennung zwischen Religion und Staat, wie sie etwa im Libanon gelebt werde. Was den Wiederaufbau in Syrien betrifft, rechne man auf die Hilfe der Europäischen Union, der USA und Russlands. Auch der syrisch-katholische Patriarch rief in Erinnerung, dass die Christen die indigene Bevölkerung des Nahen Ostens sind, „seit Jahrtausenden waren unsere Vorfahren hier zu Hause, was wir heute brauchen, ist Würde und Freiheit“. Der Westen, auch die Europäische Union, habe im Nahen Osten Fehler gemacht: „Man hat uns Christen vergessen, weil wir nicht zahlreich genug sind, kein Öl haben und keine terroristische Bedrohung darstellen“.

Mor Ignatius Aphrem II. betonte die entscheidende Bedeutung säkularer Regierungen für das Überleben der Christen. Das westliche Konzept der Demokratie, das auf dem Mehrheitsprinzip beruhe, greife im Nahen Osten nicht. Auch er kritisierte westliche Fehleinschätzungen. Rund um den „Arabischen Frühling“ habe es Versprechungen gegeben, dass das Leben besser würde, tatsächlich sei es aber viel schlechter geworden. Für eine gute Zukunft seien das Prinzip der gleichen Bürgerrechte, die Respektierung der Menschenrechte und starke Regierungen notwendig.

 

Aufruf für die entführten Metropoliten

Der syrisch-orthodoxe Patriarch von Antiochien hob hervor, dass es notwendig sei, die Voraussetzungen für eine „effektive Präsenz“ der Christen im Nahen Osten zu schaffen. Aus diesem Grund habe seine Kirche die „Antiochia Syrian University“ (ASU) gegründet, die im November eröffnet wurde. Es handle sich um die erste syrisch-orthodoxe Universität in moderner Zeit, sie stehe aber Studentinnen und Studenten aller Glaubensrichtungen offen. Das syrisch-orthodoxe Patriarchat bemühe sich aber auch, in Syrien Gewerbe- und kleine Industiebetriebe zu fördern, um Arbeitsplätze zu schaffen. Ein großes Problem sei nach wie vor auch der Wiederaufbau von Schulen und Krankenhäusern. Mor Ignatius Aphrem II. schloss seine Intervention mit einem bewegenden Aufruf für die beiden entführten Metropoliten von Aleppo, Mor Gregorios Youhanna Ibrahim und Boulos Yazigi.

Die Beunruhigung des Patriarchen über die „internationale Indifferenz“ angesichts des Schicksals der beiden entführten Metropoliten wurde auch im Bericht der offiziellen „Suryoyo“-News über die Begegnung von Kardinal Schönborn und der drei orientalischen Patriarchen mit Bundeskanzler Kurz hervorgehoben. Der österreichische Bundeskanzler habe die „volle Unterstützung für die verfolgten Christen des Nahen Ostens“ zum Ausdruck gebracht, hieß es im „Suryoyo“-News-Bericht weiter. Patriarch Mor Ignatius Aphrem II. habe auf die Gefahr verwiesen, dass die Christen aus dem Nahen Osten, der „Wiege der Christenheit“, auf Grund politischer Pläne entfernt werden könnten. In Syrien müssten ebenso wie im Irak humanitäre Lösungen Vorrang vor politischen oder militärischen Übrlegungen haben.

“Suryoyo”-News berichtete auch in Wort und Bild über die Begegnung der drei Patriarchen mit Kardinal Schönborn am Dienstagmorgen. Dabei sei ausführlich über die Präsenz der Christen im Nahen Osten gesprochen worden. Man sei sich der Notwendig bewusst gewesen, die Anstrengungen zur Sicherung der Präsenz der Christen zu bündeln und deren Basisrechte als ursprüngliche Bewohner der Region zu sichern.

Auf Einladung des Abtes von Stift Heiligenkreuz, P. Maximilian Heim, besuchten Mor Ignatios Aphrem II. und Mor Ignatius Yousif III. Younan am Dienstagabend das traditionsreiche Zisterzienserstift im südlichen Niederösterreich. Wie beim Termin im Bundeskanzleramt ging es auch im Stift Heiligenkreuz um die schwierige Situation der Christen im Nahen Osten und speziell in Syrien. Aufgrund zahlreicher gewaltsamer Konflikte sei das Leben speziell für die Christen sehr schwierig, heißt es im Bericht der Website www.stift-heiligenkreuz.org: „Allein aus Syrien haben in den vergangen zehn Jahren fast 50 Prozent der Christen ihr Heimatland verlassen. Wir haben versprochen, für unsere Brüder und Schwestern im Nahen Osten und um Frieden noch mehr zu beten und uns dafür einzusetzen, für das Leid der Menschen des Orients deutlich und klar zu sensibilisieren“.

 

Eine Million Euro für bedrängte Orient-Christen

Im Ministerrat wurde am Mittwoch die Vergabe von einer Million Euro für verfolgte Christen im Nahen Osten beschlossen. Der Beschluss war die unmittelbare Konsequenz der Begegnung des Bundeskanzlers mit den drei orientalischen Patriarchen in Begleitung von Kardinal Schönborn. Dabei waren auch mögliche Hilfsprojekte zur Sprache gekommen, die den Christen im Nahen Osten neue Zukunftsperspektiven eröffnen sollen. Kurz betonte seinerseits, dass die Christen die weltweit am stärksten wegen ihrer Religion verfolgte Gruppe seien. „Religionsfreiheit ist ein hohes Gut“, so der Kanzler wörtlich. Nachsatz: Er sei sehr froh, dass das Zusammenleben der Religionen in Österreich so gut funktioniere.

An der Unterredung nahmen auch der ehemalige EU-Kommissar und nunmehrige EU-Sonderbeauftragte für Religionsfreiheit, Jan Figel, die Nationalratsabgeordnete und VP-Menschenrechtssprecherin Gudrun Kugler, und der Präsident der „Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände“, Staatssekretär i.R. Helmut Kukacka, teil.

Wie Bundeskanzler Kurz am Mittwoch beim Pressefoyer im Anschluss an den Ministerrat sagte, soll die beschlossene Subvention u.a. Hilfsprojekten im Bereich der Bildung zugutekommen. Die österreichische Bundesregierung wolle  bei der Hilfe für verfolgte Christen und ganz allgemein beim Einsatz für Religionsfreiheit künftig stärker aktiv werden. Die aktuelle Hilfeleistung in Form von einer Million Euro sei dabei ein erster Schritt.

Die VP-Menschenrechtssprecherin Gudrun Kugler würdigte in einer Stellungnahme am Mittwoch die Entscheidung der Bundesregierung: „Die örtlichen Kirchen im Nahen Osten wissen am besten, wo Aufbauhilfe und die Wiederherstellung der dörflichen und kirchlichen Infrastruktur notwendig ist“. Durch die österreichische Unterstützung könnten die Kirchen ihren Einsatz im Interesse von Demokratie und Dialog verstärken. Dies werde insbesondere im Bereich der christlichen Bildungseinrichtungen ersichtlich, die Kindern und Jugendlichen aller Glaubensrichtungen offen stehen.

Die Bekämpfung von Fluchtursachen durch verstärkte Hilfe an Ort und Stelle sei ein zentraler Ansatzpunkt im Regierungsprogramm im Bereich Europa- und Außenpolitik, heißt es im Ministerratsbeschluss. Konkrete Hilfe für die Christen und Angehörige anderer religiöser Minoritäten bedeute auch, diese Menschen zu befähigen, ihren Platz in der Gesellschaft einzunehmen und sich am Fortschritt der Gesellschaft zu beteiligen. Deshalb habe sich die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Bischofskonferenz dazu entschlossen, konkrete Projekte in Krisengebieten und ehemaligen Krisengebieten mit einem Betrag von einer Million Euro zu unterstützen. Die Mittel würden aus dem laufenden Budget des Bundeskanzleramts bereitgestellt.

 

Initiativen von Kardinal Schönborn

Die Begegnung der drei Patriarchen mit Bundeskanzler Kurz reiht sich in die lange Reihe von Initiativen des Wiener Kardinals für die bedrängten Christen im Nahen Osten ein. Die drei orientalischen Patriarchen brachten jetzt ihre Dankbarkeit dafür zum Ausdruck, dass Kardinal Schönborn die sich oft isoliert fühlenden orientalischen Christen nicht im Stich lasse, sondern auch durch Besuche (wie etwa in Erbil im März 2016) seine Solidarität unter Beweis stelle. Kardinal-Patriarch Mar Louis Raphael Sako sagte bei der Pressekonferenz in Wien am Dienstag, man könne nicht hoch genug einschätzen, welche positive Wirkung christliche Solidaritätsbesuche aus Europa bei den nahöstlichen Christen in der nichtchristlichen Öffentlichkeit auslösen. In diesem Zusammenhang kündigte der Kardinal-Patriarch an, dass Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin von 24. bis 28. Dezember in den Irak kommen wird. Die beiden Patriarchen von Antiochien sagten, sie hätten die Hoffnung, dass es auch zu einem Solidaritätsbesuch des Wiener Erzbischofs in Syrien kommen werde, sobald die Umstände es erlauben.

 

„Aktion Heimkehr“ brachte 500.000 Euro

Die Initiativen des Wiener Kardinals haben auch in der katholischen Öffentlichkeit Österreichs eine Solidaritätsbewegung mit den bedrängten und verfolgten orientalischen Christen ausgelöst. Im Rahmen der „Aktion Heimkehr“ haben die „Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände“ (AKV), „Christian Solidarity International“-Österreich (CSI-Ö), die „Initiative Christlicher Orient“ (ICO) sowie die Kardinal-König-Stiftung und die Diözese Linz 500.000 Euro aufgebracht, um damit die Rückkehr von irakischen Christen in die Ninive-Ebene zu unterstützen. AKV-Präsident Helmut Kukacka, ICO-Vorsitzender Slawomir Dadas und CSI-Vorstandsmitglied Georg Pulling waren im Oktober im Nordirak, um sich an Ort und Stelle über den aktuellen Stand der „Aktion Heimkehr“ zu informieren.

In der Kleinstadt Telskof und der benachbarten Ortschaft Baqofa haben die beteiligten Organisationen mitgeholfen, die Wasser- und Stromversorgung wieder in Gang zu bringen und Familien bei der Instandsetzung ihrer Häuser unterstützt. Weiter wurden ein Gemeinschaftszentrum für die chaldäische Kirche und eine „Food-Factory“ aufgebaut, in der lokale Produkte zu örtlich üblichen Lebensmitteln verarbeitet und dann verkauft werden. Zudem ist gerade ein weiteres Sozial- und Kommunikationszentrum in Bau, das der örtlichen Bevölkerung als Treffpunkt dienen wird.

Vor der Vertreibung durch den IS lebten in Telskof rund 1.200 Familien, allesamt chaldäisch-katholische Christen. Etwa 650 Familien davon sind zurückgekehrt. Dazu kommen weitere 300 Familien aus anderen Dörfern ringsum bzw. aus Mosul, die in ihre Heimat aus Sicherheitsgründen, oder weil ihre Häuser vollkommen zerstört sind, nicht zurückkehren können, und die sich in Telskof niedergelassen haben.

Projektpartner der heimischen Organisationen chaldäisch-katholische Kirche, die die Rückkehrer tatkräftig dabei unterstützt, wieder Fuß zu fassen. Die Kirche kümmert sich auch um den Wiederaufbau der Infrastruktur und versucht mit kleinen Projekten Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen, so der örtliche Pfarrer und Vorsitzende des regionalen Wiederaufbaukomitees, Salar Bodagh.

 

Vorrangiges Ziel Arbeitsmöglichkeiten

Im derzeit gebauten Sozialzentrum, das auch ein kleines Cafe beinhaltet, würden bis zu 20 vor allem junge Frauen und Männer Arbeit finden, so Bodagh. Die Kirche unternehme alles, um den Menschen Arbeitsmöglichkeiten zu bieten, damit sie bleiben können und nicht auswandern müssen. Nächstes Projekt des engagierten Priesters: der Aufbau einer kleinen Landwirtschaft.

Im bereits fertiggestellten Gemeindezentrum der Kirche in Telskof finden u.a. Katechesen, Weiterbildungskurse für die Bevölkerung, kirchliche Feiern und Zusammenkünfte nach Taufen oder auch Begräbnissen statt. Dieses Zentrum sei wichtig als sozialer Kommunikationsort und stärke den Zusammenhalt der Bevölkerung, so Bodagh. Die Aktivitäten der Kirche würden den Menschen Hoffnung und Perspektiven geben.

 

„Hilfe kommt an und macht Sinn“

AKV-Präsident Helmut Kukacka sagte im Gespräch mit der katholischen Nachrichtenagentur „Kathpress“, „dass wir eigentlich gar keine Alternative haben als hier zu helfen. Das muss uns ein moralisches und christliches Anliegen sein“. Der Lokalaugenschein habe gezeigt, „dass die Hilfe ankommt und Sinn macht“, so Kukacka, der sich von der Dankbarkeit der Bevölkerung beeindruckt zeigte. Die Christen im Orient bräuchten in der muslimischen Umgebung besondere Unterstützung, um bleiben zu können, „und wir werden uns bemühen, diese Unterstützung weiter aufrecht zu erhalten“, so der AKV-Präsident.

„Viele positive Veränderungen“

ICO-Obmann Dadas war bereits im Februar 2017 in Telskof, als gerade die ersten Christen in ihre Häuser zurückkehrten. Seither habe sich sehr vieles zum Positiven verändert, so sein Eindruck: „Es gibt viel mehr Menschen, vor allem auch Kinder und Jugendliche, die Straßen sind wieder belebt“. Es stimme ihn allerdings traurig, dass die politische Zukunft der Ninive-Ebene noch immer nicht geklärt ist. Das Gebiet ist zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Regionalregierung umstritten. Immer noch seien einige Dörfer nicht erreichbar bzw. Straßen gesperrt und dort sei demnach auch kein Wiederaufbau möglich.

Der Besuch vor Ort habe jedenfalls die Sinnhaftigkeit der „Aktion Heimkehr“ gezeigt, so Dadas. Er wolle deshalb auch im Namen der Bevölkerung von Telskof und Baqofa allen Spendern danken. Diese hätten nicht nur Geld, sondern vor allem auch „ein Stück Hoffnung gespendet“.

CSI-Vorstand Pulling wies darauf hin, dass die Kirche vor Ort in der Ninive-Ebene aufgrund der schwierigen politischen Situation die weitgehend einzige zivilgesellschaftliche Kraft sei. Die Spendengelder der „Aktion Heimkehr“ gingen bewusst direkt an die kirchlichen Partner, die genau wüssten, wo die Hilfe am effektivsten ankommt. Und diese Hilfe für die örtlichen Christen bzw. die von den Kirchen aufgebaute Infrastruktur komme zum Teil auch den Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften zugute. In kleinen kirchlichen medizinischen Zentren in der nördlichen Ninive-Ebene würden auch muslimische und jesidische Patienten versorgt, so Pulling. Das sei auch ein wesentlicher Beitrag zu Frieden und Versöhnung in der Region, „und den hat dieses Land mehr als notwendig“.

 

Eine Kirche für Baqofa

Während AKV, CSI-Ö und ICO vor allem in die Renovierung der Häuser und Beschäftigungsprojekte setzten und setzen, hat sich die Kardinal-König-Stiftung der Kirche von Baqofa angenommen. Da die alte Kirche im Zuge der Kampfhandlungen zwischen Kurden und den IS-Terroristen so stark beschädigt wurde, dass sie nicht mehr weiterverwendet werden kann, wird demnächst mit dem Bau einer neuen Kirche begonnen. Ein angebauter Versammlungsraum soll als Kommunikationszentrum dienen. In Baqofa lebten vor dem Krieg rund 75 Familien (350 Personen), 41 kehrten zurück. Es gehe bei allen Projekten auch darum, die Identität der Menschen als Christen zu stärken, so Pfarrer Bodagh. Der Bau der neuen Kirche habe daher weit über den Zweck als liturgischer Raum große spirituelle und psychologische Bedeutung.

Die Initialzündung für die „Aktion Heimkehr“ war ein Lokalaugenschein des Linzer Bischofs Manfred Scheuer im Februar 2017 im Nordirak, wo er als Präsident der Kardinal-König-Stiftung gemeinsam mit dem chaldäischen Patriarchen Mar Louis Raphael Sako aus der Terrorherrschaft des IS befreite Dörfer und Städte besuchte.