Christen und Muslime pilgerten gemeinsam zum mittelägyptischen Kloster Deir Al-Adra

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Foto: © Roland Unger (Quelle: Wikimedia; Lizenz: GNU Free Documentation License)

Kairo, 09.06.19 (poi) Tausende von Christen und Muslimen pilgerten in der Vorwoche gemeinsam zum koptisch-orthodoxen Kloster Deir Al-Adra auf dem Djebel at-Tair („Vogelberg“) in der mittelägyptischen Provinz Samalut, berichtet die katholische Nachrichtenagentur „Fides“. Sie beteten um Sicherheit und Frieden im Land und riefen die Fürsprache Mariens an. Die Gesamtzahl der Pilgerinnen und Pilger ist nicht erfasst, es gibt aber Schätzungen, dass in der abgelaufenen Woche mehrere hunderttausend Wallfahrer beider Religionen in Deir Al-Adra waren.

Das Kloster ist bekannt für seine antike Höhlenkirche, die im östlichen Teil des Berges eingemeißelt ist. Die Pilgerfahrt zum Kloster ist die zweite Etappe des sogenannten „Weges der Heiligen Familie“, der auf die Route Bezug nimmt, die Maria, Josef und das Jesuskind bei ihrer Flucht vor der Gewalt des Herodes in Ägypten zurücklegten. Im Zeitraum Mai/Juni werden in der Höhlenkirche auch Kinder an dem Ort getauft, an dem die Heilige Familie Zuflucht gefunden hatte.

Deir Al-Adra liegt auf der Ostuferseite des Nils zirka 20 Kilometer nordöstlich von Minya bzw. südöstlich von Samaluṭ. Das Kloster ist einer der bedeutendsten Pilgerorte am „Weg der Heiligen Familie“. Der Djebel at-Tair ist ein Kalksteinfelsen, in und auf dem Tausende Vögel ihre Nester untergebracht haben, daher der Name. Das Kloster wurde auf der Felskuppe zur Zeit der Heiligen Helena, der Mutter des römischen Kaisers Konstantin, errichtet; für die Kirche wurde ein früherer römischer Felsentempel wiederbenutzt. Die erste Kirche stammt aus dem Jahr 328 nach Christus und wurde 1938 restauriert. Die Mönche konnten bis ins 19. Jahrhundert ihr Kloster nur über einen an einer Seilwinde befestigten Korb erreichen.

Der große gemeinsame Pilgerstrom von Christen und Muslimen nach Deir Al-Adra in der Vorwoche ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil sich in Minya und Samalut in den letzten Jahren viele Übergriffe von Islamisten gegen Kopten ereignet haben. Als Antwort auf diese Ereignisse haben sich in einem Dorf bei Samalut – in Kom al-Loutfi – Christen und Muslime entschlossen, eine im April 2017 bei Zusammenstößen zerstörte koptische Kirche gemeinsam wieder aufzubauen.

Zu den Zusammenstößen war es gekommen, weil islamistische Prediger die muslimischen Dorfbewohner aufgehetzt hatten: Die Christen würden ohne behördliche Genehmigung in einem Wohnhaus zusammenkommen, um zu beten und Gottesdienste zu feiern. Sowohl der koptisch-orthodoxe Metropolit Pafnutios von Samalut als auch der Parlamentsabgeordnete Magdy Malak würdigten jetzt die gemeinsame Wiederaufbauinitiative der Ortsbewohner von Kom al-Loutfi als Zeichen für das „tief verwurzelte“ Miteinander der koptischen und muslimischen Einwohner von Samalut. „Kopten und Muslime haben in Samalut seit jeher zusammengelebt, auch in den schwierigen Zeiten des Terrorismus, als so viele Menschen ihr Leben für die Heimat geopfert haben“, so der Metropolit.