„Die ökumenische Bewegung ist vital und stark“ FOTOGALERIE

Der Generalsekretär des Weltkirchenrats, Pfarrer Olav Fykse Tveit, betonte in seinem Hauptreferat beim „Summer Course“ der kirchlichen ökumenischen Stiftung Pro Oriente in Wien die Bedeutung des „Pilgerwegs der Gerechtigkeit und des Friedens“ – Besinnung auf die Glaubensbasis in Christus ist Antwort auf die „starken Kräfte der Spaltung und Polarisierung in der Welt von heute“

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Foto ©: Claudia Schneider (Lizenz: Erlaubnis der Fotografin)

Wien, 11.07.18 (poi) Die ökumenische Bewegung, an die sich die römisch-katholische Kirche 1964 mit dem Ökumenismus-Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils („Unitatis redintegratio“) angeschlossen hat, ist auch heute „vital und stark“. Dies betonte der Generalsekretär des Weltkirchenrats (WCC), Pfarrer Olav Fykse Tveit, in seinem Hauptreferat beim „Summer Course“ von „Pro Oriente“ im Wiener Kardinal-König-Haus, der im Zeichen des 70-Jahr-Jubiläums des WCC steht. Die Kraft des Weltkirchenrats sei beim Besuch von Papst Franziskus in Genf vor 14 Tagen sichtbar geworden. Als „Pilger auf der Suche nach Einheit und Frieden“ sei der Papst von Rom nach Genf gekommen, um Schwestern und Brüder auf einem gemeinsamen Pilgerweg zu umarmen. Fykse Tveit unterstrich die Bedeutung des „Pilgerwegs der Gerechtigkeit und des Friedens“, zu dem der Weltkirchenrat bei seiner 10. Vollversammlung 2013 in Busan eingeladen hat. Dieser Pilgerweg bedeute, Anteil zu haben an Gottes lebensfreundlicher Mission, Themen und Orte zu behandeln, die für Leben und Überleben der Menschheit von Bedeutung sind, die Gemeinschaft der Kirche durch eine starke spirituelle Dimension des gemeinsamen Gebets und der theologischen Reflexion zu vertiefen. Zugleich sei der Pilgerweg eine „Reise der Hoffnung“, auf der nach bereits „hier und jetzt“ sichtbaren Zeichen des „Reiches Gottes der Gerechtigkeit und des Friedens“ Ausschau gehalten wird, um sie zu feiern. Es gehe aber auch um die Entdeckung von Möglichkeiten für gemeinsames Zeugnis und veränderndes Handeln, „mit einer offenen Einladung an alle Menschen guten Willens“.

Der Generalsekretär hob die aktuelle Bedeutung der Zweckbestimmung des Weltkirchenrats hervor, wie sie in Artikel III von dessen Verfassung zum Ausdruck kommt: „Das Hauptziel der Gemeinschaft der Kirchen im Ökumenischen Rat besteht darin, einander zur sichtbaren Einheit in dem einen Glauben und der einen eucharistischen Gemeinschaft aufzurufen, die ihren Ausdruck im Gottesdienst und im gemeinsamen Leben in Christus findet, durch Zeugnis und Dienst an der Welt, und auf diese Einheit zuzugehen, damit die Welt glaube“.

Das neue Moment in der einen ökumenischen Bewegung sei die Besinnung auf die Glaubensbasis, die „Liebe Christi, die uns drängt, miteinander zu gehen, miteinander zu beten, Hoffnung und Ermutigung zu teilen, einander zu begegnen, Vertrauen zu entwickeln, füreinander verantwortlich zu sein, füreinander zu sorgen und einzutreten, Beziehungen gegenseitiger Liebe aufzubauen“. Das sei die Antwort auf die „starken Kräfte der Spaltung und Polarisierung in der Welt von heute“. Alle benötigten die Orientierung auf die Nächstenliebe und wie sie in der Welt eine Realität werden kann. Auch „Pro Oriente“ sei aus der Vision von Versöhnung und Einheit zwischen den großen Traditionen der Christenheit begründet worden. Diese Vision sei von bleibender Bedeutung.

Ausführlich ging Pfarrer Fykse Tveit auf die historische Entwicklung der ökumenischen Bewegung ein. Die unterschiedlichen Erwartungen im Hinblick darauf, was das Wichtigste am Ökumenismus ist, hätten zur Entwicklung der ökumenischen Bewegung beigetragen und prägen sie bis heute: Einige waren und sind der Meinung, dass vor allem die kirchentrennenden lehrmäßigen und ethischen Fragen behandelt werden müssen, für andere gehe es um die Einheit in Mission und Evangelisierung, die gemeinsame Verkündigung der Guten Nachricht des Evangeliums, viele dächten an die notwendige gemeinsame Aktion für Gerechtigkeit und Frieden, für einige gehe es vor allem um die Überwindung von Vorurteilen und Feindschaften. Anschaulich zeigte der Generalsekretär in einem Video, wie verschiedene „Flüsse“ im Strom der ökumenischen Bewegung zusammenflossen, der vor 70 Jahren in die Gründung des Weltkirchenrats mündete.

Oft werde die Weltmissionskonferenz von Edinburgh 1910 als Geburtsstunde der modernen ökumenischen Bewegung gesehen, erinnerte Fykse Tveit. Aber bereits vorher habe es ökumenische Initiativen gegeben, etwa im Jugendbereich (Christlicher Verein Junger Männer/YMCA und sein weibliches Gegenstück YWCA). Später seien „Faith and Order“ (Glaube und Kirchenverfassung), „Life and Work“ (Leben und Arbeit), der Internationale Missionsrat usw. hinzugekommen. Alle diese Bewegungen hätten grundsätzliche Dimensionen des Kirche-Seins repräsentiert, wie Gemeinschaft, Diakonie, Mission und Zeugnis, Erziehung und Bildung. Diese verschiedenen Dimensionen dürften aber nicht isoliert voneinander gesehen werden, daher sei es eine der wichtigsten Aufgaben des Weltkirchenrats, für die Interaktion dieser Dimensionen und ihr Hineinwirken in die Welt zu sorgen.

Für die Entwicklung der ökumenischen Bewegung spiele der zeitgeschichtliche Kontext eine wichtige Rolle, unterstrich der Generalsekretär und nannte u.a. die beiden Weltkriege, die Weltwirtschaftskrise ab 1929, die Entkolonisierung, die Studentenrevolte von 1968, den Vietnam-Krieg, den Kampf gegen die Apartheid in Südafrika usw. In den bisher 70 Jahren seiner Existenz habe der Weltkirchenrat seine Tätigkeit immer wieder an die Notwendigkeiten der Mitgliedskirchen und an die Herausforderungen der Welt angepasst. Als wesentliche Etappen nannte Fykse Tveit u.a. das Lima-Dokument über Taufe, Eucharistie, Dienstamt (BEM), das Anti-Rassismus-Programm, den Konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, die Solidaritätsdekaden für die Frauen und gegen Gewalt. Momentan stehe „Jüngerschaft“ im Mittelpunkt, was auch Thema bei der jüngsten Weltkonferenz über Mission und Evangelisierung im März in Arusha war.

In der Diskussion betonte der Generalsekretär, dass der Weltkirchenrat nicht das Sekretariat in Genf sei, sondern die Gesamtheit der Mitgliedskirchen. Derzeit gebe es 350 Mitgliedskirchen, die 550 Millionen Christen in 140 Staaten repräsentieren. Der Weltkirchenrat verstehe sich als eine Gemeinschaft von Kirchen, die miteinander auf dem Weg sind, sagte Fykse Tveit und zitierte den ersten Satz der WCC-Verfassung: „Der Ökumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Die Mehrheit der Mitgliedskirche komme heute aus dem „globalen Süden“. Alle wichtigen Traditionen seien vertreten: orthodox, orientalisch-orthodox, anglikanisch, altkatholisch, evangelisch-lutherisch, evangelisch-reformiert, methodistisch, baptistisch, pentekostal usw.