Palermo-Kairo, 19.07.19 (poi) Die verbindende Kraft des Mittelmeers soll bei der Enthüllung einer Gedenktafel für den Gründer der ägyptischen Hauptstadt Kairo in der sizilianischen Stadt Ragusa sichtbar werden. Jawhar (Dschauhar) as-Siqilli (wörtlich: „der Sizilianer“) wurde im Jahr 911 in Ragusa als Kind griechisch-orthodoxer Eltern geboren (ein Großteil der sizilianischen Bevölkerung blieb auch während der muslimischen Herrschaft orthodox), er starb im Jahr 992 in der von ihm im Jahr 969 begründeten Stadt Kairo („al Qahirya“, die „Siegreiche“) am Nil. Anlass für die Enthüllung der Gedenktafel an einem alten Haus in der Unterstadt (Ragusa Ibla), in dem die Geburtsstätte des fatimidischen Generals vermutet wird, ist das 1.050-Jahr-Jubiläum der Stadt Kairo (einschließlich der Al Azhar-Universität, die als älteste der Welt gilt). Auf der Gedenktafel wird darauf Bezug genommen, dass das Leben Jawhar al-Siquillis ein „Symbol der historischen Brüderlichkeit“ der Bewohner des Mittelmeerraums sei, „des Meeres, das uns nicht trennt, sondern vereint“. Ragusa ist mit seinen unzähligen Kirchen – insbesondere dank des Wiederaufbaus nach dem großen Erdbeben von 1693 – eine der eindrucksvollsten Barockstädte Europas.
Im Leben des Gründers von Kairo wird deutlich, dass die Mittelmeerwelt, das Herz der antiken Zivilisation, auch nach dem Einbruch des Islam im 7. Jahrhundert weitgehend ein einheitlicher Kulturraum blieb, der zwar von einer sich ständig verschiebenden Demarkationslinie durchschnitten wurde, die aber den Austausch von Menschen, Gütern und Ideen nicht unterbrechen konnte. Dschauhar kam als Sklave nach Nordafrika, an den Hof des dritten Fatimidenkalifen Ismail al-Mansur (913-953) in Kairouan. Er fiel durch seine Klugheit auf. Unter dem Sohn al-Mansurs, Abu Tamim al-Muizz (953-975), erreichte er seine Freilassung und stieg bald in der fatimidischen „Nomenklatura“ in die höchsten Etagen auf. Als General eroberte er Fes und stieß bis zum Atlantik vor. Dann wandte er sich nach Ägypten, wo er bei Fustat die neue Stadt Kairo gründete. Nach der Verlegung der Fatimiden-Residenz nach Kairo fiel der sizilianische General beim Kalifen al-Muizz in Ungnade. Erst unter dessen Nachfolger wurde er wieder rehabilitiert und wurde erst endgültig entmachtet, nachdem ein Feldzug nach Syrien vor Damaskus gescheitert war.
Wie bei anderen bedeutenden islamischen Persönlichkeiten christlicher Herkunft ist Dschauhars religiöse Überzeugung nicht zweifelsfrei festzustellen. Auffallend ist, dass er als Letztverantwortlicher der fatimidischen Reichspolitik bewusst ein Bündnis mit den christlichen Reichen Nubiens suchte (der heutige Nordsudan war zu diesem Zeitpunkt noch ein ganz christliches Gebiet).