Eritrea: Hilfeschrei wegen Maßnahmen des Regimes gegen die Kirchen

Eritreischer katholischer Pfarrer don Mussie Zerai verweist auf Verhärtung der Regierung von Präsident Isaias Afeworki gegen alle Religionsgemeinschaften

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Foto ©: Charles Fred from Amsterdam (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Asmara, 13.01.18 (poi)  “In Eritrea hat das Regime mit der allgemeinen Verfolgung der Religionsgemeinschaften und insbesondere der katholische Kirche begonnen. Das Ziel ist klar: man will versuchen, deren Einfluss auf die Gesellschaft zu untergraben und zwar durch das Verbieten sozialer kirchlicher Aktivitäten“: Dies erklärte der eritreische katholische Pfarrer don Mussie Zerai, der seit vielen Jahren die eritreischen Auslandsgemeinden in Europa betreut und sich auch aktiv um die Rettung von Migranten bemüht, im Gespräch mit der katholischen Nachrichtenagentur „Fides“. Seit 1995 sei in Eritrea ein Gesetz in Kraft, demzufolge der Staat alle sozialen Aktivitäten für sich vereinnahmt. Diese dürften nicht von privaten Institutionen oder gar von religiösen Einrichtungen durchgeführt werden. Bisher sei das Gesetz nicht sehr streng angewendet worden, weshalb das Netzwerk der von den Religionsgemeinschaften (eritreisch-orthodoxe Kirche, katholische Kirche beider Riten in Eritrea, evangelische „Mekane Yesus“-Kirche, islamische Glaubensgemeinschaft) angebotenen Dienstleistungen nicht ernsthaft beeinträchtigt wurde. In den letzten Monaten habe sich dies jedoch rapide geändert. Erstmals sei auch die katholische Kirche direkt betroffen. Bisher hatte das Regime des (seit 1993 im Amt befindlichen) Staatspräsidenten Isaias Afeworki vor allem auf die evangelisch-lutherische „Mekane Yesus“-Kirche gezielt und sich bemüht, die majoritäre eritreisch-orthodoxe Kirche unter Kontrolle zu bringen (der kanonisch gewählte Patriarch befindet sich im Hausarrest).

In verschiedenen Städten des Landes wurde die Schließung von fünf katholischen Kliniken angeordnet, berichtete don Mussie Zerai. Das Kleine Seminar in Asmara sei geschlossen worden, auch mehrere orthodoxe und muslimische Schulen hätten ihre Türen schließen müssen. „Über den wirtschaftlichen Schaden für die einzelnen Konfessionen hinaus“, so don Mussie weiter, „leidet vor allem die Bevölkerung darunter, dass es keine effizienten Strukturen mehr gibt, an die sie sich wenden könnte. In Xorona wurde zum Beispiel die einzige katholische Apotheke geschlossen, die dort in Betrieb war. In Dekhemare und Mendefera haben die Behörden die Tätigkeit der katholischen Krankenstationen verboten, da es sich angeblich um ein Pendant zu den entsprechenden staatlichen Einrichtungen handelte. In Wirklichkeit funktionieren die staatlichen Einrichtungen oft nicht: sie haben weder Medikamente noch sind sie funktionsfähig, weil es keine geeigneten Geräte, oft nicht einmal Elektrizität, gibt“.

„Es ist für die Menschen nicht einfach, dagegen zu rebellieren“, erklärte der Priester im Gespräch mit „Fides“: „Die muslimischen Proteste wurden mit Waffengewalt gestoppt. Erst im vergangenen Monat schlossen sich 7.000 junge Wehrpflichtige zusammen und forderten gemeinsam ein Treffen mit Präsident Isaias Afeworki, um die Schikanen ihrer Offiziere anzuprangern“. Der Präsident habe sie empfangen und angehört. Am Ende der Gespräche seien die jungen Burschen dann in ein Konzentrationslager in der Nähe von Nakfa gebracht und zur Strafe im Freien unter der sengenden Sonne ohne wenig Nahrung und Wasser zurückgelassen worden, viele seien abgemagert oder krank geworden. Nachdem die Eltern protestierten, hätten die Behörden mitgeteilt, man werde sie in die Kasernen zurückschicken. „Aber in welchem Zustand?“, fragte don Mussie.

Zerai wurde als fünftes von acht Geschwistern im seinerzeit von Äthiopien annektierten Eritrea – einer früheren italienischen Kolonie – geboren. Sein Vater flüchtete 1979 nach einer Inhaftierung ohne seine Familie nach Italien, seine Mutter starb 1982 und Zerai und seine drei Schwestern und vier Brüder lebten fortan bei ihrer Großmutter. Schon im Alter von 14 Jahren entschied sich Zerai, Priester zu werden. Seit 1992 in Rom lebend, trat er im Jahr 2000 dem Orden der Scalabrinianer bei. Er empfing in der Kirche Santo Stefano degli Abissini im Vatikan die Priesterweihe und wirkt seit 2011 von der Schweiz aus für die Seelsorge der Eritreer im Ausland. Er wurde bekannt durch seine Unterstützung von im Mittelmeer gestrandeten Flüchtlingen, die größtenteils aus Ostafrika (vor allem Eritrea, Somalia) und Syrien stammen und von denen allein seit dem Jahr 2000 Zehntausende ertrunken sind. Zerais Mobiltelefonnummer, die er seiner Großmutter gegeben hatte, verbreitete sich im Lauf der Zeit unter Flüchtlingen, die ihn immer öfter kontaktierten, wenn ihr Boot im Mittelmeer in Seenot geriet. Zerai gab ihre GPS-Koordinaten an die italienische Küstenwache weiter und konnte auf diese Weise Tausenden von Flüchtlingen das Leben retten. In Rom gründete Zerai die gemeinnützige „Agenzia Habeshia per la Cooperazione allo Sviluppo“.

Don Mussie Zerai hat immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass ein großer Prozentsatz der „Bootsflüchtlinge“, die von Libyen nach Italien übersetzen wollen, Christen sind (vor allem aus Eritrea und Äthiopien), während die „öffentliche und politische Meinung in Europa überall Muslime sieht“.