Erzbischof Tichon macht Vorschläge zur Zukunft der orthodoxen Zusammenarbeit in Deutschland

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Foto: © Чръный человек (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Berlin – „Im Vorfeld der Frühjahrsitzung“ der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland (OBKD) hat sich jetzt der Leiter der Diözese von Berlin und Deutschland der Russischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats,  Erzbischof Tichon (Zajcev) von Podolsk, mit einem eindringlichen Aufruf und konkreten Vorschlägen zur weiteren gemeinsamen Arbeit an die Mitglieder der OBKD gewandt.

Dieser Aufruf, der noch am gleichen Tag in Deutsch und  Russisch auf der offiziellen Webseite der Diözese (www.rokmp.de) veröffentlicht wurde, ist das Ergebnis von Beratungen bei der Sitzung des Diözesanrates in Hamburg am 19. März diesen Jahres, wo die derzeitige Situation auf dem Feld der interorthodoxen Zusammenarbeit in Deutschland diskutiert wurde, und mit ihm versucht Erzbischof Tichon, das weitere Zerbrechen der orthodoxen Zusammenarbeit in Deutschland zu verhindern.

Dabei sehen er und sein Diözesanrat allerdings – wie ja vor ein paar Wochen auch schon der andere russische Diözesanbischof in Deutschland, Erzbischof Mark (Arndt) von der Russischen Auslandskirche in einer ähnlichen öffentlichen Erklärung – die Lage um die Ukraine und ihre Auswirkungen hierzulande kritisch: „Nach eingehender Prüfung der aktuellen Situation mussten die Mitglieder des Rates feststellen, dass die Aktionen des Konstantinopler Patriarchen Bartholomaios in der Ukraine und seine mangelnde Bereitschaft, auf die synodale Stimme vieler autokephaler Kirchen zu hören, auch die zuvor konstruktive interorthodoxe Zusammenarbeit in den ausländischen Diözesen und insbesondere in Deutschland erheblich erschwert haben“.

Daher könne man „in Anteilnahme am Schmerz wegen der Unterdrückungen der kanonischen Ukrainischen Orthodoxen Kirche, die jetzt von Seiten des Staates und der schismatischen Strukturen verfolgt wird, und im Gehorsam gegenüber der Entscheidung der Kirchenleitung“ derzeit nicht an Sitzungen teilnehmen, die unter dem Vorsitz von Geistlichen des Patriarchats von Konstantinopel stattfinden, andererseits aber dürfe die gesamtorthodoxe Zusammenarbeit nicht aufhören, „da wir seit fast 25 Jahren dank der brüderlichen Gemeinschaft und Zusammenarbeit der Bischöfe und Geistlichen der orthodoxen Diözesen in Deutschland … viel erreichen konnten“. Eigens genannt werden im Aufruf von Erzbischof Tichon „besonders die Leistungen in den Bereichen schulischer Bildung und beim Religionsunterricht, beim Sozialdienst, in der Jugend-, Öffentlichkeits- und Medienarbeit, auf dem Feld der Zusammenarbeit mit Vertretern der Katholischen und Evangelischen Kirche in Deutschland und anderen religiösen Organisationen“.

Um all dies nicht zu gefährden, ruft Erzbischof Tichon, der in Nachfolge des verstorbenen Erzbischofs Feofan (Galinskij) seit Ende 2017 der Berliner Diözese des Moskauer Patriarchats vorsteht, die „lieben Mitbrüder im Bischofsamt“ eindringlich dazu auf, „alles in unserer Macht Stehende zu tun, um nicht nur das Erreichte nicht zu verlieren, sondern das weiter zu mehren, was im Laufe der Jahrzehnte aufgebaut wurde“, und „unsere fruchtbare Zusammenarbeit zum Wohle des Pleroma der Orthodoxen Kirche in Deutschland fortzusetzen“.

Dazu macht der Erzbischof auch einen konkreten Vorschlag, den er als „Rückkehr zur wahren Synodalität der Kirche, die auf den Prinzipien der hierarchischen Gleichheit und der brüderlichen Liebe beruht“, bezeichnet. Konkret besteht dieser Vorschlag darin, „die Frage einer regelmäßigen Rotation bzw. der freien Wahl des Vorsitzenden der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland unter allen ihren Teilnehmern zu prüfen“. Dies ermögliche dann wieder allen orthodoxen Bischöfen in Deutschland die aktive Mitarbeit in der OBKD – und es sei daher „vielleicht gerade diese Option, die einen Beginn für die allmähliche Heilung der Wunde bedeutet, die jetzt den Leib Christi verletzt“. Zwar habe seinerzeit die 4. Panorthodoxe Präkonziliare Konferenz 2009 in Chambésy ein „Monopol der Hierarchie des Patriarchats von Konstantinopel“ vorgesehen, aber dies entspreche „schon nicht mehr den Anforderungen und wahren Bedürfnissen der Kirche in der modernen Welt, wie sie sich in dieser Zeit und vor allem im vergangenen Jahr entwickelt haben“.

Erzbischof Tichon betont abschließend noch einmal, „dass der vorliegende Vorschlag durch die tatsächlichen Bedürfnisse der Orthodoxen Kirche in der Diaspora ausgelöst wurde“, und gibt „der Hoffnung Ausdruck, dass wir mit unseren gemeinsamen Anstrengungen und Gottes Hilfe die Krise überwinden können“.

Originaltext deutsch: https://rokmp.de/de/deutsch-aufruf-des-erzbischofs-von-podolsk-tichon-leiters-der-diozese-von-berlin-und-deutschland-an-die-mitglieder-der-orthodoxen-bischofskonferenz-in-deutschland-im-vorfeld-der-fruhjahrsitzung/

Originaltext russisch: https://rokmp.de/obrashhenie-arhiepiskopa-podolskogo-tihona-upravljajushhego-berlinsko-germanskoj-eparhiej-k-chlenam-pravoslavnogo-episkopskogo-sobranija-v-germanii/