Erzeparchie für die Gemeinden russisch-orthodoxer Tradition in Westeuropa wird sich nicht auflösen

Außerordentliche Generalversammlung in Paris traf den Beschluss mit großer Mehrheit - Aber noch keine Entscheidung darüber, welcher Jurisdiktion sich die Eparchie in Zukunft unterstellen will

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Foto: © Mbzt (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution 3.0 Unported)

Paris, 24.02.19 (poi) Die bisher unter dem Omophorion des Ökumenischen Patriarchen stehende Erzeparchie für die Gemeinden russisch-orthodoxer Tradition in Westeuropa ist nicht bereit, sich aufzulösen. Dies wurde bei der außerordentlichen Generalversammlung der Erzeparchie am 23. Februar mit großer Mehrheit beschlossen. Von den 206 Stimmberechtigten votierten 191 gegen die Auflösung und nur 15 dafür. Es erfolgte aber keine Entscheidung, welcher orthodoxen Jurisdiktion sich die Eparchie in Zukunft unterstellen will. Die Entscheidung darüber soll bei einer weiteren Generalversammlung im Juni erfolgen.

Die Erzeparchie repräsentiert die wichtigste Strömung der nachrevolutionären russisch-orthodoxen Emigration in Westeuropa. Die 1921 begründete Erzeparchie stand ab 1931 unter dem Omophorion des Ökumenischen Patriarchen. 1999 wurde die Eparchie durch einen „Tomos“ (Dekret) aus Konstantinopel zum „patriarchalen Exarchat“ erhoben. Am 27. November des Vorjahrs zog der Heilige Synod von Konstantinopel diesen „Tomos“ zurück – ohne vorherige Konsultation mit den Betroffenen. Entscheidend dafür seien die „pastoralen und spirituellen Notwendigkeiten der Gegenwart“ gewesen – „unter Respektierung des Kirchenrechts und der spirituellen Verantwortung“, hieß es in der Erklärung aus dem Phanar. Zugleich wurde angekündigt, dass Konstantinopel die Pfarrgemeinden und Klöster des bisherigen Exarchats in seine westeuropäischen Metropolien eingliedern wolle. In der ersten Jännerhälfte erhielten viele Priester und Diakone des bisherigen Exarchats Schreiben der konstantinopolitanischen Metropoliten der westeuropäischen Länder; darin wurden sie aufgefordert, den bisherigen Exarchen, Erzbischof Jean (Renneteau), in der Liturgie nicht mehr zu kommemorieren, sich dem Klerus der betreffenden Metropolie anzuschließen und alle relevanten pfarrlichen oder klösterlichen Dokumente auszuhändigen.

Daraufhin veröffentlichte der Rat der Erzeparchie am 17. Jänner eine Erklärung, in der darauf hingewiesen wurde, dass die Intervention „externer Bischöfe“ in das Leben der Erzeparchie vom „ekklesiologischen und rechtlichen Standpunkt aus irregulär“ sei. Erzbischof Jean sei der einzige „legitime regierende Bischof der orthodoxen Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa“. Er sei am 28. März 2016 ordnungsgemäß von der außerordentlichen Generalversammlung der Erzeparchie gewählt worden, am 22. April 2016 habe der Heilige Synod des Ökumenischen Patriarchats diese Wahl bestätigt. Von diesem Augenblick an sei Erzbischof Jean auf Grund der Definition des bischöflichen Amtes „Instrument der Katholizität der Eparchie“ und Vorsitzender der Kultusorganisation nach französischem Recht (die für die orthodoxe Erzeparchie parallel zu den seit 1924 bestehenden „Associations cultuelles“ in allen französischen katholischen Diözesen eingerichtet wurde). Als Bischof des Ökumenischen Patriarchats habe er an der jüngsten „Synaxis“ (Versammlung) aller Hierarchen des Patriarchats (1. bis 3. September 2018) ebenso teilgenommen wie am Konzil von Kreta im Jahr 2016. Sein Status als der einzige Bischof der Erzeparchie sei „kanonisch und gesetzlich unwiderlegbar“, was auch von den Staturen der Eparchie bestätigt werde, die 1931 vom Heiligen Synod von Konstantinopel akzeptiert wurden.

Die Entscheidung des Patriarchats von Konstantinopel vom 27. November 2018 habe nicht nur die Erzeparchie betroffen, sondern auch die Metropolien des Patriarchats in den westeuropäischen Staaten. Eine „multilaterale Entscheidung“ müsse aber auch mit den Betroffenen – vor allem den Pfarrgemeinden und Klerikern – beraten werden. Nur die außerordentliche Generalversammlung könne über eine Auflösung der Erzeparchie entscheiden. Weiter hieß es in der Erklärung vom 17. Jänner wörtlich: „Unsere Eparchie ist heute de jure in der gleichen Position wie sie sich vor der Aufnahme in das Ökumenische Patriarchat 1931 befand. De facto würden wir uns aber nicht wünschen, dass diese lange und fruchtbare Periode ohne eine direkte Begegnung zwischen den Repräsentanten unserer Eparchie und den Autoritäten des Ökumenischen Patriarchats endet“. Denn die Eparchie sei dem Ökumenischen Patriarchat zutiefst dankbar für den „kanonischen Schutz“ in all diesen Jahren. Die Kirche von Konstantinopel habe die durch die Entscheidungen und Debatten des Moskauer Lokalkonzils von 1917/18 bedingten Besonderheiten der Arbeit der Eparchie respektiert und damit unter Beweis gestellt, dass die kirchliche Berufung des Ökumenischen Patriarchats „wahrhaft übernational“ sei.

Bei der außerordentlichen Generalversammlung am 23. Februar in Paris sagte Erzbischof Jean, es gehe für die Erzeparchie um eine „Entscheidung über Leben und Tod“. Zugleich brachte er seine Enttäuschung über die Art und Weise der Behandlung des Problems durch Konstantinopel zum Ausdruck. Er verlas auch einen Brief des Moskauer Patriarchen Kyrill I., in dem das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche die Erzeparchie eingeladen hatte, sich unter sein Omophorion zu stellen. „Lasst uns nach Moskau gehen, sobald sie mich absetzen“, sagte der bisherige Exarch wörtlich.

Während des ganztägigen Treffens wurden unterschiedliche Möglichkeiten für die Zukunft ins Auge gefasst. U.a. hatte der – dem Ökumenischen Patriarchat angehörende – orthodoxe Metropolit von Paris, Emmanuel (Adamakis), in einem Interview die Variante eines eigenen Vikariats für die Pfarrgemeinden der russischen Tradition im Rahmen seiner Metropolie ins Spiel gebracht. Nach Angaben von „orthodoxia.info“ fragten die meisten Diskussionsteilnehmer nach der Möglichkeit einer direkten Zugehörigkeit zum Patriarchat von Moskau, das sie nun als „Mutterkirche“ betrachten.

Die Erzeparchie geht auf die Fluchtbewegung aus Sowjetrussland ab 1918 zurück. 1921 ernannte der Moskauer Patriarch Tichon den in Paris residierenden Metropoliten Jewlogij (Georgijewskij; 1868-1946) zu seinem Repräsentanten in Westeuropa. 1927 untersagte der im jugoslawischen Sremski Karlovci residierende Heilige Synod der russischen Kirche im Ausland dem Metropoliten die Ausübung seiner bischöflichen Rechte. Daraufhin kam es zu einer Spaltung in der russischen Emigration. 1931 unterstellte sich der Metropolit „zeitweise“ – um dem Druck der sowjetischen Politik zu entgehen – dem Omophorion des Ökumenischen Patriarchen. Ein Jahr vor seinem Tod kehrte er in die Jurisdiktion der russisch-orthodoxen Kirche zurück. Die meisten Priester und Gläubigen blieben aber unter Konstantinopel. Das Exarchat umfasst derzeit 65 Pfarrgemeinden, zwei Klöster und sieben Skite. 100 Priester und 30 Diakone sind in der Seelsorge tätig.