„Filaret: Teil der Lösung oder Quelle des Problems?“

Stellungnahmen orthodoxer Journalisten zur Ukraine-Auseinandersetzung zwischen Konstantinopel und Moskau

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Foto ©: Bektour (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International)

Athen-Trivandrum, 01.11.18 (poi) Die Ukraine-Auseinandersetzung zwischen Konstantinopel und Moskau hat auch viele Stellungnahmen in der orthodoxen Publizistik hervorgerufen. So schreibt der Gründer und Chefredakteur der griechischen Agentur „Orthodoxia.info“, Andreas Loudaros, unter dem Titel „Filaret: Teil der Lösung oder Quelle des Problems?“, der selbsternannte fast 90-jährige „Kiewer Patriarch“ habe sich seit seiner Rehabilitierung durch Konstantinopel so benommen, als sei er „gerade zum Ökumenischen Patriarchen“ gewählt worden. Seine Stellungnahmen würden den Eindruck erwecken, dass er nicht verstanden habe, was wirklich geschehen sei.

Zunächst habe Filaret erklärt, dass er „Patriarch“ sei und bleibe. Dann habe er seinen „Synod“ einberufen und erklärt, dass er für den äußeren Gebrauch akzeptiere, nur mehr Erzbischof zu sein, aber „nach innen“ Patriarch bleibe. Und jüngst habe er seinen Klerus informiert, dass sie in der Liturgie den Namen des Ökumenischen Patriarchen zu nennen hätten. Offensichtlich versuche Filaret, seine persönlichen Interessen durchzusetzen. Filaret habe nicht verstanden, dass er die Regeln, Grenzen und Mechanismen der Kirche einhalten müsse.

Was auch immer Patriarch Bartholomaios I. bewogen haben möge, mit Sicherheit könne man sagen, dass er nicht Filaret einen Gefallen tun und dessen Ansprüche, Patriarch zu sein, unterstützen wollte. Loudaros wörtlich: „Die Entscheidung, die Exkommunikation Filarets aufzuheben und ihn wieder in seinen bischöflichen Rang einzusetzen, bedeutet keine Anerkennung eines ‚Kiewer Patriarchats‘“. Das müsse Filaret verstehen. Er müsse einsehen, dass das Ziel nicht die Etablierung einer „antirussischen Kirche“ in der Ukraine, sondern vielmehr die Etablierung einer autokephalen Kirche sei. Das müsse eine Kirche sein, die nicht mit der Vergangenheit oder der Politik verbunden sei, sondern die frei sei, „in einer orthodoxen christlichen Gemeinschaft zu leben, die die gleichen Werte und die gleichen Regeln teilt“.

Noch schärfer war Miodrag Lazarevic im orthodoxen Web-Portal „OCP Media Network“. Nach seinen Angaben gehört die Übereignung von Immobilien in Kiew zum „Deal“ zwischen dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und dem Ökumenischen Patriarchat in Sachen Autokephalie. Allerdings verbleibt die Andreaskathedrale, die künftig als konstantinopolitanischer „stauropegialer“ (dem Patriarchen direkt unterstellter) Stützpunkt in Kiew fungieren soll, weiterhin als Museum in ukrainischem Staatseigentum.

Laut Lazarevic haben Abstimmungen in verschiedenen ukrainischen Eparchien des Moskauer Patriarchats die Autokephalie klar abgelehnt. So hätten in der Eparchie Odessa nur drei von 406 Priestern gegen Metropolit Onufrij, das Oberhaupt der autonomen ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, gestimmt. Metropolit Sofronij (Dmitruk) von Tscherkasy – einer der wenigen „Moskauer“ Bischöfe in der Ukraine, der die Autokephalie-Bewegung unterstützt hatte – musste öffentlich erklären, dass er sich nie „der selben Kirche wie Filaret“ anschließen würde, nachdem der gesamte Klerus seiner Eparchie gegen die Autokephalie Stellung genommen hatte. Lazarevic verwies darauf, dass das ukrainische „Vereinigungskonzil“ zum Scheitern verurteilt sei, wenn es zwischen dem sogenannten „Kiewer Patriachat“ und der „ukrainischen autokephalen orthodoxen Kirche“ zu keiner Einigung komme und keine „Moskauer“ Bischöfe zum Mitmachen bereit seien. Allenfalls würde es dann nur zur Bildung eines Exarchats des Ökumenischen Patriarchats in Kiew und der Übereignung wertvoller Immobilien im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt an den Phanar kommen.

Lazarevic zeichnet insgesamt ein düsteres Bild: Die „alten“ autokephalen Kirchen – Alexandrien, Antiochien, Jerusalem, Zypern – würden den Kurs Konstantinopels in Sachen Ukraine nicht teilen. Negative Auswirkungen hätten auch einige Ereignisse der letzten Wochen gehabt – so sei der Inhalt der vertraulichen Gespräche zwischen den Patriarchen Bartholomaios I. und Kyrill I. am 31. August „geleakt“ worden, der einzige, der mitschrieb, war ein Mitarbeiter des Phanars. Auch die aggressive Wortwahl aus Konstantinopel gegen Moskau – „bezahlte Artikel“, „schwarze Legende“, ohne genau darzulegen, worum es geht – komme nicht gut an. Und in der wichtigen nordamerikanischen Erzeparchie Konstantinopels (GOA) gebe es Probleme: Die Autokephalie für die Ukraine habe einflussreiche Persönlichkeiten in der nordamerikanischen griechischen Orthodoxie inspiriert, ebenfalls auf kirchliche Selbständigkeit zu drängen, zudem gebe es Manöver gegen Erzbischof Dimitrios (Trakatellis), der sich aber zur Wehr setze.

Es sei unklar, wie die Entwicklung der Orthodoxie weitergehen werde, stellte Lazarevic fest. Aber eines sei klar: Die orthodoxe Welt habe sich geändert und werde nie mehr so sein, wie sie war. Fazit des Journalisten: „Konstantinopel hat im Kampf um die Oberhoheit gewonnen, um ‚Erster ohne Gleiche‘ zu sein. Aber der Preis ist zu hoch“.