Freude in der armenischen Diaspora über das Gregor-von-Narek-Denkmal im Vatikan

Katholikos Aram I. brachte im Gespräch mit Papst Franziskus auch die Notwendigkeit eines gemeinsamen Osterdatums für alle Christen zur Sprache

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Foto: © Tzolag Hovsepian (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International)

Vatikanstadt-Jerewan, 07.04.18 (poi) Die Enthüllung und Segnung einer Bronzestatue des zum Kirchenlehrer erhobenen armenischen Mönchs und Mystikers Gregor von Narek in den vatikanischen Gärten hat in der weltweiten armenischen Diaspora ein überaus positives Echo gefunden. An dem historischen Akt mit Papst Franziskus nahmen der Oberste Patriarch und Katholikos aller Armenier, Karekin II., der armenisch-apostolische Katholikos von Kilikien, Aram I., und der armenisch-katholische Patriarch Krikor Bedros XX. Gabroyan sowie der scheidende armenische Staatspräsident Serge Sarkissian teil.

Am Donnerstag, 5. April, wurde Karekin II. von Papst Franziskus in einer Privataudienz empfangen, über deren Inhalt nichts verlautbart wurde. Am selben Tag besuchte

Karekin II. mit einer großen armenischen Delegation (bestehend aus Bischöfen, Parlamentsabgeordneten, Regierungsmitgliedern und Pilgern) den Petersdom. An der Statue des Heiligen Gregors des Erleuchters lud der Katholikos-Patriarch zum Gebet ein.

Papst Franziskus traf auch mit dem im Libanon residierenden Katholikos von Kilikien, Aram I., zusammen. Aram I. legte dem Papst vier Punkte vor: Sein erstes Anliegen war ein gemeinsames Osterdatum für alle Christen. Ein solches gemeinsames Datum könne ein Zeichen „christlicher Einheit“ sein. Weiters verwies der armenische Katholikos darauf, dass derzeit alle Kirchen mit inneren Spannungen auf Grund sozialethischer Fragen konfrontiert sind. Die Kirchen sollten sich daher darauf konzentrieren, gemeinsame Antworten auf die Gegenwartsfragen zu finden, von denen ihre Gläubigen betroffen sind, statt sich mit den traditionellen theologischen Streitfragen zu beschäftigen. Auf dem Hintergrund seiner Erfahrungen im Nahen Osten unterstrich Aram I. die dringende Notwendigkeit der Verständigung und der friedlichen Koexistenz zwischen Christen und Muslimen. Der christlich-islamische Dialog sollte auf der Tagesordnung aller bilateralen theologischen Dialoge ein Thema von erstrangiger Bedeutung werden. Schließlich verwies der Katholikos auf die sinkende Zahl der Christen im Nahen Osten; der Vatikan müsse dieser Frage mehr Aufmerksamkeit zuwenden, sagte Aram I.

Die Enthüllung und Segnung der Bronzestatue des Heiligen Gregor von Narek hatte betont ökumenischen Charakter. Hymnen der armenisch-apostolischen und der römisch-katholischen Kirche wurden gesungen, ein Abschnitt aus dem von dem heiligen Kirchenlehrer verfassten „Buch der Klagen“ wurde rezitiert. Papst Franziskus segnete die Statue, anschließend erflehten die drei Patriarchen die Fürsprache des Heiligen für Armenien und das armenische Volk. In den armenischen Berichten wurden der armenische Vatikan-Botschafter Mikael Minasyan und der in Russland tätige armenische Unternehmer Artur Janibekyan im Hinblick auf ihre Verdienste um die Errichtung der Statue des Heiligen in den Vatikanischen Gärten gewürdigt. Bei der ökumenischen Feier waren auch die Kardinäle Kurt Koch (Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen) und Leonardo Sandri (Präfekt der vatikanischen Ostkirchenkongregation) anwesend.

Als Kirchenlehrer („Doktor der Universalkirche“) verehrt die katholische Kirche Heilige, die eine herausragende Bedeutung für die Glaubenslehre haben. Der Mönch, Priester, Mystiker und Autor Gregor von Narek wurde im Jahr 951 in Andzevatsik in der Landschaft Vaspurakan südlich des Van-Sees geboren. Er entstammte einer Gelehrtenfamilie. Sein Vater war der spätere Erzbischof Chosrov von Andzevatsik. Weil schon in jungen Jahren seine Mutter starb, erzog ihn ein Onkel seiner Mutter, Abt Anania von Narek, der eine Schule gegründet hatte. Danach wurde Gregor – wie seine beiden Brüder – schon im frühen Jugendalter Mönch im Kloster Narekavank und mit 25 Jahren Priester. Bald nach der Priesterweihe wurde er zum Abt gewählt. Er verfasste mystische Schriften, die zum literarischen Schatz der armenischen Literatur zählen, so einen Text zum Hohelied. Gregor lehrte an der Klosterschule von Narekavank und verfasste bedeutende Schriften aus den Bereichen Musik, Astronomie, Geometrie, Mathematik, Literatur und Theologie.

Auch Gregors Briefe, liturgische Gesänge, Lieder und Predigten fanden weithin Verbreitung. Viele der von ihm verfassten Gebete haben Eingang in den armenischen Messritus gefunden. Als Meisterwerk des Mystikers gilt sein „Buch der Klagen“, eine Sammlung von 95 Gebeten, von denen jedes den Titel „Sprechen mit Gott aus der Tiefe des Herzens“ trägt. Zentrales Thema des Werkes, das Gregor selbst „Enzyklopädie von Gebeten für alle Nationen“ nannte, ist die Trennung des Menschen von Gott und seine Sehnsucht nach Wiedervereinigung.

Der scheidende armenische Präsident Serge Sarkissian hatte nach der Audienz bei Papst Franziskus ein ausführliches Gespräch mit Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin und dem vatikanischen „Außenminister“, Erzbischof Paul Richard Gallagher. Dabei ging es auch um die „regionalen Fragen und Herausforderungen im Nahen Osten“, einschließlich der „Gespräche über eine friedliche Beilegung des Artsach (Nagorno Karabach)-Konflikts zwischen Armenien und Azerbaidschan“. Sarkissian habe Kardinal Parolin über die jüngsten Entwicklungen informiert und dabei die Notwendigkeit einer ausschließlich friedlichen Beilegung des Artsach-Konflikts betont, wie es in einem Kommunique der armenischen Präsidentschaftskanzlei heißt. Im offiziellen vatikanischen Kommunique wurden die „exzellenten Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Armenien“ betont. Die Enthüllung der Statue des Heiligen Gregor von Narek sei ein Anlass, diese Beziehungen, aber auch die ökumenischen Kontakte zwischen armenisch-apostolischer Kirche und römisch-katholischer Kirche weiter zu vertiefen.

In einem Interview mit „Vatican News“ sagte Sarkissian, er sehe leider in nächster Zukunft keine Möglichkeiten für eine Normalisierung der Beziehungen Armeniens mit Azerbaidschan und der Türkei. Ankara und Baku müssten ihre Illusionen beiseitelassen, so der armenische Präsident: „Wir akzeptieren die türkisch-azerbaidschanische Überzeugung nicht, dass sie die Probleme mit Machtmitteln lösen könnten, weil sie stark sind“. Das Problem Nagorno Karabach sei sehr kompliziert, ohne Kompromisse von beiden Seiten könne es keine Lösung geben. Aber wenn es gelinge, eine Übereinkunft mit Azerbaidschan zu erzielen, dann könnten auch die armenisch-türkischen Beziehungen geregelt werden.

Im Hinblick auf die zahlreichen armenischen Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak äußerte Sarkissian die Befürchtung, dass eine Rückkehr dieser Flüchtlinge schwierig sein werde. Die Schäden seien so groß, dass man schwerlich eine armenische Gemeinschaft in diesen Gebieten wiederaufbauen könne, „auch wenn die Kriegsgefahr gebannt sein sollte“.