Große Feiern zum 1.030-Jahr-Gedenken der „Taufe der Rus“ in Kiew

Mit Ausnahme von Antiochien folgten alle autokephalen orthodoxen Kirchen der Einladung von Metropolit Onufrij, dem Oberhaupt der autonomen ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats – Hirtenbrief des Moskauer Patriarchen Kyrill: „Ein orthodoxer Christ zu sein, bedeutet nicht, der Tradition aus Liebe zur nationalen Geschichte Tribut zu zollen, vielmehr geht es um eine Gewissensentscheidung für den Lebensweg“

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Foto: © Falin (Quelle: WIkimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Moskau, 26.07.18 (poi) In Kiew finden am Freitag und Samstag die großen Feiern zum 1.030-Jahr-Gedenken der „Taufe der Rus“ statt. Die Feiern stehen auch im Zeichen der Auseinandersetzung zwischen der kanonischen ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats und den von einem Teil der ukrainischen Politik unterstützten schismatischen Gruppierungen („Kiewer Patriarchat“ und „Ukrainische autokephale orthodoxe Kirche“). Das Oberhaupt der kanonischen Kirche, Metropolit Onufrij (Berezowskij) von Kiew, hat alle autokephalen Kirchen eingeladen, Repräsentanten zu den Feiern in der ukrainischen Hauptstadt zu entsenden. Mit einer Ausnahme – der Kirche von Antiochien, die vermutlich wegen der Präsenz eines Vertreters der Kirche von Jerusalem fernbleibt – entsenden alle autokephalen Kirchen hochrangige Delegationen nach Kiew, was auch eine Unterstützung für die kanonische ukrainische Kirche bedeute, wie der stellvertretende Leiter des Außenamts der ukrainisch-orthodoxen Kirche, P. Nikolai Danylewitsch, auf „Facebook“ schrieb.

Die Feiern beginnen am Freitag mit einem Dank- und Bittgottesdienst (Moleben) auf dem Wladimir-Hügel mit einer anschließenden Kreuzprozession zum Kiewer Höhlenkloster. Dort wird die Vigil und die Göttliche Liturgie aus Anlass des Festes des Heiligen Wladimir des Großen stattfinden.

Der Moskauer Patriarch Kyrill I. hat – gemeinsam mit dem Heiligen Synod der russisch-orthodoxen Kirche – in einem Hirtenschreiben betont, dass die vom Heiligen Wladimir vor 1.030 Jahren veranlasste „Taufe der Rus“ von entscheidender Bedeutung für die Geschichte der slawischen Völker war. Diese „Wasserscheide“ habe die ganze slawische Kultur für immer verändert. Es sei die entscheidende Wende vom Dunkel zum Licht gewesen, vom Wandern in der Finsternis der falschen Ideen zur Begegnung mit der von Gott geoffenbarten Wahrheit und Erlösung.

Über das Leben der Rus vor der Taufe sei wenig bekannt, erinnerte der Patriarch. Das Bild der Vorfahren sei  vom Widerspruch zwischen Grausamkeit und Großzügigkeit geprägt. Die slawische Welt sei gleichsam am Kreuzweg von Gut und Böse gestanden. Ein entschiedener und fester Schritt sei notwendig gewesen, um die richtige Entscheidung zu treffen. Diesen Schritt habe der Heilige Wladimir, der Apostelgleiche, gesetzt. Der orthodoxe Glaube habe das Volk verändert und in ihm den Geist der Selbstlosigkeit, der Milde und Geduld entwickelt. In den Jahrhunderten nach der Taufe „in den gesegneten Fluten des Dnjepr“ habe sich die Rus bemüht, ihr Leben auf der Grundlage der  „hehren christlichen Ideale und der Treue zum Evangelium“ aufzubauen. Trotz aller Wechselfälle in der Geschichte, aller Fehler, Abweichungen und allem Niedergang sei es für das Volk der Rus immer darum gegangen, der göttlichen Wahrheit zu dienen und in ihr festzustehen.

Die Übernahme der orthodoxen Spiritualität sei ein kraftvoller Impuls für die Entwicklung einer einheitlichen ostslawischen Kultur gewesen, so Patriarch Kyrill. Die religiöse Entscheidung des Großfürsten Wladimir sei zugleich eine Entscheidung für das christliche Modell des gesellschaftlichen Lebens und für den Stil der Kultur gewesen. Wörtlich fügte der Patriarch hinzu: „Wir können unsere Literatur, die Künste, die Architektur, die Musik ohne die Motive und Inhalte des Evangeliums nicht verstehen. Erfüllt mit den christlichen Idealen und Werten führen uns die Kunstwerke zur reichen spirituellen Welt des orthodoxen Glaubens und laden uns ein, über die ewigen Fragen des menschlichen Lebens und seiner Zweckbestimmung nachzudenken“. Ein orthodoxer Christ zu sein, bedeute nicht, der Tradition aus „Liebe zu den Gräbern der Vorfahren“ oder zur nationalen Geschichte Tribut zu zollen, vielmehr gehe es um eine Gewissensentscheidung für den Lebensweg, darum, Christus und seiner Wahrheit unaufhörlich zu folgen. Diese Suche nach der Wahrheit präge „die ganze gemeinsame Geschichte und Kultur unserer Völker“.

Kurz ging der Moskauer Patriarch auch auf die aktuellen Auseinandersetzungen in der Ukraine ein: „In der brüderlichen Ukraine, in dem Land, wo die Völker der Rus getauft wurden, haben sich jetzt die ‚Elemente dieser Welt‘ gegen die Kirche des Heiligen Wladimir erhoben und versuchen, die Einheit dieser heiligen Kirche zu zerstören“. Klerus und Volk seien ungerechten Beschuldigungen und Schmähungen ausgesetzt. Aber kein Druck von außen sei imstande, die „heiligen Bande der Liebe Christi zu zerreißen, die uns im Leib der Kirche verbinden“.

Am Samstag, 28. Juli, wird es zum 1.030-Jahr-Gedenken der „Taufe der Rus“ erstmals auf dem Kathedralen-Platz im Moskauer Kreml eine Feier der Göttlichen Liturgie unter freiem Himmel geben, weil tausende Gläubige erwartet werden. Konzelebrant des Moskauer Patriarchen wird der orthodoxe Patriarch von Alexandrien und ganz Afrika, Theodoros II., sein. Die letzten Gottesdienstfeiern unter freiem Himmel hatten im Kreml in vorrevolutionären Zeiten stattgefunden. Wie der Pressesprecher des Patriarchen, P. Aleksander Wolkow, erklärte, wird nach der Göttlichen Liturgie Patriarch Kyrill eine „Prozession des ganzen Volkes Gottes“ vom Kreml zum Borowitskaja-Platz führen, wo 2017 ein monumentales Denkmal des Heiligen Wladimir errichtet wurde. Vor dem Denkmal wird ein Bitt- und Dankgebet gehalten, anschließend gibt es ein Konzert. Es sei „ungeheuer wichtig“, an die historische Schlüssel-Entscheidung von Großfürst Wladimir vor mehr als 1.000 Jahren zu erinnern, die das „ganze religiöse, kulturelle und öffentliche Leben“ Russlands „und aller Länder, die durch den Heiligen Wladimir die Taufe empfingen“, entscheidend geprägt habe, betonte P. Wolkow.

Um 12:15 Uhr Moskauer Zeit werden am Samstag in allen Kirchen der russischen Hauptstadt und des Umlandes die Glocken läuten. Der Leiter der Synodal-Abteilung für die Beziehungen zur Gesellschaft und zu den Medien, Wladimir Legojda, nannte in diesem Zusammenhang die „Taufe der Rus“ das „größte Ereignis in der Geschichte unseres Landes“. Legojda zitierte die überlieferten Worte des Heiligen Wladimir: „Zuvor war ich ein Tier, jetzt bin ich ein Mensch“.

 

„Potemkinsche Dörfer“

In der Ukraine hat die Auseinandersetzung zwischen der kanonischen orthodoxen Kirche und den schismatischen Gruppierungen, die mit politischer Hilfe die Zuerkennung der Autokephalie durch das Ökumenische Patriarchat anstreben, zu Ereignissen im Stil der „potemkinschen Dörfer“ geführt. So wurde im Internet ein Bild von Metropolit Onufrij an der Spitze einer früheren Wladimir-Prozession verbreitet, aber mit den Daten der diesjährigen Prozession des „Kiewer Patriarchats“. P. Nikolai Danylewitsch, der stellvertretende Leiter des Außenamts der ukrainisch-orthodoxen Kirche, bedauerte bei einer Pressekonferenz, dass zu solchen Methoden gegriffen werde, um der internationalen Öffentlichkeit vorzugaukeln, dass es in der Ukraine breite Unterstützung für die schismatischen Gruppen gebe. P. Danylowitsch berichtete von der Bereitstellung von Gratis-Bussen und Gratis-Zügen, um „Gläubige“ zu den Wladimir-Feiern des „Kiewer Patriarchats“ und der „Ukrainischen autokephalen orthodoxen Kirche“ anzulocken.

Nach Berichten aus Kiew soll es auch zu Behinderungen der aus allen Teilen der Ukraine in die Hauptstadt strömenden Prozessionen orthodoxer Gläubiger durch die örtlichen Behörden gekommen sein. Erzbischof Kliment von Neschin und Priluki habe im OSZE-Büro in Kiew Beschwerde geführt.