„Historischer Besuch“ von Papst Franziskus in Abu Dhabi

Der Besuch des Oberhaupts der katholischen Kirche gilt nicht nur den Vereinigten Arabischen Emiraten und ihrer katholischen Minderheit, sondern auch der einflussreichen Organisation „Muslim Council of Elders“

0
727
Foto: © Bernardo Löwenstein (Quelle: Wikimedia; Lizenz; Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic)

Vatikanstadt-Abu Dhabi, 03.01.19 (poi)  Papst Franziskus wird von 3. bis 5. Februar die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) besuchen. Dieser Besuch hat eine doppelte Bedeutung: Er gilt nicht nur den VAE, einem der erfolgreichsten arabischen Staaten, der zumindest Kultfreiheit für Christen einräumt, sondern auch dem in der VAE-Hauptstadt Abu Dhabi beheimateten „Muslim Council of Elders“. Der „Muslim Council of Elders“ ist eine im Jahr 2014 begründete internationale Organisation, um den Frieden zu fördern, die Mitglieder sind islamische Wissenschaftler, Experten und Würdenträger, die sich durch „Weisheit, Gerechtigkeit, Unabhängigkeit und Mäßigung“ auszeichnen. Hinter den Kulissen ist der „Muslim Council of Elders“ – an dessen Spitze der Großscheich der Al Azhar-Universität in Kairo, Ahmad al-Tayyeb, steht – in den letzten Jahren zu einer der einflussreichsten islamischen Organisationen geworden. Papst Franziskus wird am Nachmittag des 4. Februar (um 17 Uhr Ortszeit) in der Scheich-Zayed-Moschee mit den Mitgliedern des „Muslim Council of Elders“ zusammentreffen, anschließend wird es eine interreligiöse Begegnung geben, bei der eine Rede des Papstes vorgesehen ist. Die unter dem Titel „Human Fraternity“ stehende interreligiöse Begegnung ist der offizielle Anlass der Papstreise. Der offizielle Willkomm für den Papst durch Kronprinz Mohammed bin Zayed findet bereits zur Mittagsstunde des 4. Februars statt.

Am 5. Februar wird der Papst zunächst die  katholische  Josefskathedrale besuchen (wo in nicht weniger als 20 Sprachen die Eucharistie gefeiert wird). Anschließend feiert er im Stadion der „Zayed Sports City“ die Heilige Messe. Ein beträchtlicher Prozentsatz der Bevölkerung von Abu Dhabi ist christlich, es handelt sich um Arbeitsmigranten vor allem aus Palästina, Ceylon, Kerala und von den Philippinen, aber auch aus europäischen und afrikanischen Ländern. Dass der Papst auf dem Territorium der Vereinigten Arabischen Emirate, die offiziell strikt an der islamischen Gesetzgebung festhalten, einen öffentlichen christlichen Gottesdienst feiern kann, wird als „Zeichen der Versöhnung“ gewertet.

Der für Abu Dhabi zuständige Apostolische Vikar, Bischof Paul Hinder, bezeichnete in einem Hirtenbrief den Papstbesuch als „wahrhaft historisches Ereignis“: „Wir sind glücklich und dankbar, dass Papst Franziskus die Einladung von Kronprinz Scheich Mohammed bin Zayed al-Nahyan zur Teilnahme an der interreligiösen Begegnung über ‚Menschliche Brüderlichkeit‘ angenommen hat“.  Bischof Hinder hob die Bedeutung des Mottos des Papstbesuchs hervor, das ein dem Heiligen Franziskus zugeschriebenes Gebet zitiert: „Mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens“. In diesem Sinn hoffe er, dass der Besuch „ein wichtiger Schritt im Dialog zwischen Muslimen und Christen und ein Beitrag zur gegenseitigen Verständigung auf dem Friedensweg des Nahen Ostens“ sein möge. Der erstmalige Besuch des Papstes auf der Arabischen Halbinsel sei ein „historischer Augenblick für den Dialog zwischen Muslimen und Christen“. Der Besuch habe auch mit dem 800. Jahrestag des Treffens zwischen Franz von Assisi und Sultan Malik al-Kamil im Jahr 1219 zu tun. Der Kronprinz von Abu Dhabi twitterte seinerseits: „Der Papst ist ein Symbol für Frieden, Toleranz und Förderung der Geschwisterlichkeit. Wir freuen uns auf den historischen Besuch, mit dem wir uns um Dialog und ein friedliches Zusammenleben unter den Völkern bemühen“.

Der Heilige Stuhl und die Vereinigten Arabischen Emirate haben im Jahr 2007 diplomatische Beziehungen aufgenommen. Der Kronprinz von Abu Dhabi wurde am 15.  September 2016 von Papst Franziskus in Audienz empfangen. Es war der Beginn eines Weges des Fürstenhauses im Hinblick auf den interreligiösen Dialog. Im November 2016 fand in Abu Dhabi eine internationale Konferenz über die Förderung der Toleranz statt, an der mit Großscheich al-Tayyeb auch der Primas der Anglican Communion, Erzbischof Justin Welby, teilnahm.

Die Kultfreiheit ist in den Vereinigten Arabischen Emiraten garantiert, die christlichen Kirchen dürfen aber keine Kreuze oder Kirchtürme haben. An der Außenwand der Josefskathedrale ist allerdings ein eindrucksvolles Fresko zu sehen, das das beliebte Gnadenbild des Barmherzigen Jesus zeigt, das auf eine Vision der Heiligen Faustyna Kowalska (1905-1938) zurückgeht.

 

„Wie der Heilige Franz“

Kronprinz Mohammed bin Zayed übermittelte den Christen am Golf herzliche Weihnachtswünsche im Geist von „Toleranz, Nächstenliebe und Koexistenz“. Ähnlich äußerten sich Scheich Khalifa bin Zayed Al Nahiyan, der Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate, und der Toleranzminister, Scheich  Mubarak bin Mohammed Al Nahiyan . Die Emirate würden sich 2019 in besonderer Weise um die Förderung der friedlichen Koexistenz und einen „offenen und respektvollen Dialog“ der Religionsgemeinschaften bemühen. Im Zug der Dialog-Offensive ordnete der Kronprinz von Abu Dhabi an, dass die Scheich-Zayed-Moschee in „Mariam, Umm Isa (Maria, Mutter Jesu)-Moschee“ umbenannt wird.

Bischof Hinder hat im Blick auf die Papstreise nach Abu Dhabi von einem Ereignis wie der Begegnung des Heiligen Franz von Assisi mit dem Sultan im ägyptischen Damietta im Jahre 1219  gesprochen. Hinder äußerte sich in Interviews für „Vatican News“ und das österreichische „Missio“-Magazin „Alle Welt“. Franziskus komme gewissermaßen „ins Herz des Islam“, sagte Hinder, aber unter den Menschen sei  „eine große Offenheit und Begeisterung“ zu spüren: „Sie sind stolz, dass der Papst ausgerechnet die Arabischen Emirate und besonders Abu Dhabi ehrt mit seinem Besuch. Deswegen ist hier eine große Begeisterung da, auch unter den Muslimen“.

Die Christen seien naturgemäß noch begeisterter, wie Bischof Hinder betonte: „Sie haben schon lange darauf gewartet und immer wieder gefragt: Wann kommt der Papst? Das ist natürlich eine nicht so einfache Angelegenheit. Nun geht der Traum in Erfüllung. Ich habe eher die Befürchtung, es könnte gewisse Enttäuschungen geben, weil sicherlich nicht alle, die das wünschen, teilnehmen können. Das geht rein aus logistischen Gründen nicht, weil wir ja kaum Platz für alle haben.“

Man werde deshalb versuchen, „medial das so zu gestalten, dass möglichst viele trotzdem an der Papstmesse zumindest virtuell durch Internet teilnehmen können“. Die Übertragung solle in alle Kirchen erfolgen, wo die Leute dann hingehen könnten, die keine Möglichkeit haben, beim Treffen mit dem Papst dabei zu sein.

Der Moscheebesuch und die interreligiöse Dimension der Reise könne in Beziehung zu dem gesetzt werden, was vor bereits 800 Jahren geschehen sei, sagte Hinder: „Damals besuchte der Heilige Franziskus von Assisi den Sultan von Ägypten. Über die Fronten hinaus kam es zu einer freundschaftlichen Begegnung. Und ich denke, dass der Papst hier auch ein Zeichen setzt: Dass wir Brücken bauen müssen, auch wenn wir unterschiedliche Glaubensvorstellungen haben“. Die Begegnungen seien Zeichen, die wichtig seien. Dies sei gegenüber den Muslimen wichtig, „die sehr positiv auf solche Zeichen reagieren“, betonte der Bischof.

Im Magazin „Alle Welt“ hob Hinder hervor, dass der Islam eine vielschichtige Realität sei. „Es gibt sogar islamische Länder, wo auf Apostasie, Abfall vom Islam, immer noch die Todesstrafe steht. Weit verbreitet ist eine Art ‚familiäre Lynchjustiz‘, die totale Ächtung eines vom Islam abgefallenen Menschen in Familie und Verwandtschaft. Die Situation ist sehr delikat, wir lehnen darum in der Diözese Tauf-Gesuche von Muslimen prinzipiell ab, das wäre das Ende unserer Tätigkeit. Wenn wirklich jemand zu uns kommt mit der Bitte um Taufe, so sagen wir ihm: Gehe in ein Land, wo wirklich Religionsfreiheit im westlichen Sinne herrscht“.

Hinder äußerte sich auch zu Saudiarabien, wo es keine Religionsfreiheit gibt. Besonders unter jüngeren Menschen dort bestehe der Drang nach mehr Freiheit. Andererseits sehe man in Saudiarabien, wo die Menschen durch rasante gesellschaftliche Veränderungen verunsichert seien, wachsende fundamentalistische Tendenzen, das sei ein „Schutzmechanismus“. In Saudiarabien sei das Nebeneinander-Existieren zwischen Moderne, rasant sich entwickelnder Technik und konservativer religiöser Lebensweise besonders sichtbar, fügte der Bischof hinzu. Die moderne Technologie lösche aber die Religion nicht aus – „da machen wir es uns als Europäer zu einfach, wenn wir meinen, die springen jetzt auf den Zug der säkularen Moderne auf, in dem wir schon längst drinsitzen“.