In Genf wird über Verfassungsreform für Syrien verhandelt

Dem von den Vereinten Nationen abgesegneten Verfassungskomitee gehören je 50 Repräsentanten der Regierung in Damaskus, der „Opposition“ und der Zivilgesellschaft an – Weltkirchenrat ist „hoffnungsvoll“, dass es zu einem „Frieden in Gerechtigkeit“ kommt

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Foto: © DFID - UK Department for International Development (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic)

Genf, 01.11.19 (poi) In Genf haben am 30. Oktober unter der Ägide des UN-Generalsekretärs Antonio Guterres und des UN-Syrienbeauftragten Geir Pedersen die Gespräche des syrischen Verfassungskomitees zur Erarbeitung einer neuen Verfassung (bzw. zur Revision der bestehenden Verfassung von 2012) begonnen. Das Verfassungskomitee setzt sich aus 150 Personen zusammen: je 50 Repräsentanten der Regierung in Damaskus, der „Opposition“ und der Zivilgesellschaft. Es gibt auch eine 45-köpfige „Arbeitsgruppe“ (ebenfalls zu je einem Drittel aus Vertretern der Regierung, der „Opposition“ und der Zivilgesellschaft bestehend), die Vorschläge dieser Gruppe müssen im Verfassungskomitee mindestens 75 Prozent der Stimmen erhalten, damit sie wirksam werden. Grundlage der Gespräche in Genf ist die Resolution Nr. 2254 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2015. Die Resolution beinhaltet eine „Road map“, die zu einem „glaubwürdigen, inklusiven und nichtkonfessionellen Regierungssystem“ führen soll. Die Einberufung des Verfassungskomitees durch Geir Pedersen erfolgte ein Jahr nach der Ernennung des norwegischen Diplomaten zum UN-Syrienbeauftragten. Pedersen betonte, dass die Gespräche in Genf ein von „Syrern geführter und in syrischer Hand befindlicher“ Prozess zur Reform der Verfassung von 2012 „oder zur Erarbeitung eines neuen Grundgesetzes“ sein müssen. Ziel sei es, sichere Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass unter der Supervision der Vereinten Nationen in Syrien „freie und gerechte Wahlen“ abgehalten werden können.

Der Generalsekretär des Weltkirchenrats, Pfarrer Olav Fykse Tveit, brachte „große Hoffnungen“ im Hinblick auf die Gespräche des syrischen Verfassungskomitees zum Ausdruck. Es sei zu wünschen, dass die Arbeit des Verfassungskomitees zu einer „dauerhaften Beendigung“ des tragischen Langzeitkonflikts in Syrien führt, der das Land verwüstet und der Bevölkerung schreckliches Leid zugefügt habe. Auch der Referent des Weltkirchenrats für „International Affairs“, Peter Prove, sieht in den am 30. Oktober begonnenen Gesprächen eine neue Chance für den von den Vereinten Nationen zu verantwortenden Friedensprozess in Syrien.

Der Weltkirchenrat hat seit 2011 zahlreiche Begegnungen und Diskussionen unter „repräsentativen und einflussreichen“ syrischen Persönlichkeiten ermöglicht, um Dialog und Zusammenarbeit im Hinblick auf „demokratische Veränderung, gleiche Bürgerrechte und gesellschaftlichen Zusammenhalt“ zu fördern. Fykse Tveit: „Wir haben das syrische Volk durch sein tiefes Leid begleitet. Wir hoffen, schon bald mit den Syrern die Freude über das Ende des Konflikts und über die Erzielung eines Friedens in Gerechtigkeit teilen zu können“. In Syrien sollten jetzt alle die Überzeugung teilen, dass militärische Aktionen dem Land keinen gerechten Frieden bringen können. Nur ein politischer und gesellschaftlicher Dialog könne zur Erarbeitung von Prinzipien für das Zusammenleben „in Würde und Gleichheit, unter der Herrschaft des Rechts“ beitragen. Der Weltkirchenrat lade alle Mitgliedskirchen ein, das syrischen Volk auf dem Weg der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Heilung zu begleiten.

Unter den Repräsentanten der Zivilgesellschaft im Verfassungskomitee ist auch die niederländische Politikerin Hala Naoum Nehme, die aus Aleppo stammt. Sie wurde vom Weltrat der aramäischen Christen (WCA) nominiert. Hala Naoum Nehme hat eine führende Stellung im niederländischen Finanzministerium inne, sie gehört dem Stadtrat von Amsterdam als Mitglied der regierenden Freiheitspartei (VVD) an. Im Gespräch mit dem Pressedienst des WCA erklärte sie: „Ich bin dankbar für diese Chance, bei der Revision der Verfassung mitwirken zu können. Syrien ist ein schönes ethno-religiöses Mosaik, das bewahrt werden muss“. Eines ihrer Ziele sei es, die Festschreibung gleicher Rechte für alle Bürger in der Verfassung zu erreichen, so die syro-niederländische Politikerin. Auf diese Weise könne auch eine so verletzliche Minderheit wie die aramäische wirksam geschützt werden.

WCA-Präsident Johnny Messo begrüßte die Berufung von Hala Naoum Nehme in das Verfassungskomitee und dankte den Vereinten Nationen, dass den Aramäern „eine Stimme gegeben wird“. Diese Form der Anerkennung sei „ermutigend“.