„Junge Generation zum ökumenischen Engagement motivieren“

Kardinal Schönborn benennt bei „Pro Oriente“-Kuratoriumssitzung Herausforderungen für die künftige Tätigkeit der Stiftung – „Pro Oriente“-Präsident Kloss betont Bedeutung von Dialog und Verständigung in „Zeiten vermehrter Spannungen“

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Foto: © Gryffindor stitched by Marku1988 (Quelle: Wikipedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Wien, 17.11.18 (poi) Die zentrale Bedeutung der Motivierung der jungen Generation für das ökumenische Engagement unterstrich Kardinal Christoph Schönborn am Freitag bei der Kuratoriumssitzung der Stiftung „Pro Oriente“ in Wien. Schon vor Jahren habe ihm Metropolit Meliton bei einer Reise nach Istanbul seine Sorge anvertraut, dass in der jungen Generation wieder die Identität zu sehr im Vordergrund stehe. In der Zeit des ökumenischen Aufbruchs nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hätten Freundschaften die Ökumene geprägt, man habe einander vertraut.

Kardinal Schönborn rief die Gründungsgeschichte von „Pro Oriente“ in Erinnerung, die von der Intuition Kardinal Franz Königs geprägt war, der sich nach seinem schweren Unfall in Kroatien angesichts des Tito-Bildes in seinem Krankenzimmer in Varazdin die Frage stellte, was Gott ihm mit diesem Ereignis sagen wolle. Das sei der Beginn der Ost-Aktivitäten seines Vorvorgängers gewesen, in deren Rahmen etwa 1967 der damalige rumänisch-orthodoxe Patriarch Justinian in Wien weilte und im Erzbischöflichen Palais wohnte, eine Sensation in der politisch-kirchlichen Konstellation jener Zeit. Persönlich habe er „Pro Oriente“ 1974 – kurz vor Antritt seiner Professur in Fribourg – beim bahnbrechenden Symposion „Koinonia“ kennengelernt, bei dem markante Persönlichkeiten aus katholischer und orthodoxer Kirche referierten. Damals sei alles vom Impuls des Aufbruchs geprägt gewesen, so Kardinal Schönborn: „Der Enthusiasmus des Anfangs hat lange getragen, aber dann haben sich die ‚Mühen der Ebene‘ gezeigt, es gab Rückschläge“. Jetzt gehe es darum, dass Theologinnen und Theologen aus der jungen Generation wieder miteinander arbeiten, studieren und forschen, und Freundschaften schließen, „damit sie die Ökumene gemeinsam tragen können“. „Pro Oriente“ habe mit den Patristik-Studientagungen von Nachwuchsforschern aus Ost und West, der Kommission junger Theologinnen und Theologen und dem „Summer Course“ in den letzten Jahren bereits gute Ansätze in dieser Richtung entwickelt, stellte der Wiener Erzbischof fest.

Als Aspekte der Erfolgsbilanz von „Pro Oriente“ nannte Kardinal Schönborn u.a. die Wegbereiter-Funktion der Stiftung im Dialog mit den orientalisch-orthodoxen Kirchen. „Pro Oriente“ sei es auch gelungen, mit dem „Forum Syriacum“ erstmals eine Plattform für das Gespräch der Kirchen der syrischen Tradition untereinander zu schaffen. Von großer Bedeutung sei auch die Arbeit der Historikerkommission der Stiftung, um einen Beitrag zur Versöhnung in Südosteuropa zu leisten. Der Kardinal hob auch die „subsidiäre Rolle“ von „Pro Oriente“ für ökumenische Bemühungen Roms hervor. „Pro Oriente“ könne bei schwierigen Themen, „wo Rom sich nicht direkt engagieren darf“, im Vorfeld tätig werden. In diesem Zusammenhang nannte der Wiener Erzbischof auch die Spannungen in der Orthodoxie um den „tragischen Konflikt“ zwischen Konstantinopel und Moskau. Wichtig sei auch, dass die große Intuition Kardinal Königs über den Beitrag der Stiftung zur Brückenfunktion Österreichs von politischer Seite stärker wahrgenommen wird.

Auch „Pro Oriente“-Präsident Kloss verband den Dank an seinen Vorgänger Johann Marte mit dem Hinweis, dass Dialog und Verständigung gerade „in Zeiten vermehrter Spannungen“ von außerordentlicher Bedeutung seien. Die „Ökumene der Tat“ sei in schwierigen Perioden besonders gefordert und könne einen konkreten Friedensbeitrag darstellen. Kloss hob die föderale Struktur der Stiftung „Pro Oriente“ hervor, die mit den Sektionen in Graz, Linz und Salzburg österreichweit gut verankert sei.

„Pro Oriente“-Generalsekretär Bernd A. Mussinghoff stellte Aspekte der Arbeitsplanung von „Pro Oriente“ für das 2019 vor: Im Februar tagt das „Forum Syriacum“ auf Einladung des syrisch-orthodoxen Bischofs Mor Polycarpus Aydin erstmals im niederländischen Glane. In Jerusalem wird in Begegnungen mit den verschiedenen Patriarchen und Bischöfen der Brückenschlag zur „Jerusalemer Ökumene“ gesucht. Von 1. bis 4. Juli findet wieder ein „Summer Course“ statt, diesmal mit Schwerpunkt Liturgie. Die neue „Pro Oriente“-Kommission für orthodox-katholischen Dialog tagt von 7. bis 11. November. Kooperationsreisen sind nach Brüssel zu den EU-Institutionen, nach Genf zum Repräsentanten des Ökumenischen Patriarchats beim Weltkirchenrat, Erzbischof Job (Getcha), und nach Rumänien vorgesehen, wo an dem vom Theologen Radu Preda geleiteten „Institut zur Erforschung der Verbrechen des Kommunismus“ (IICCMER) des 30. Jahrestages des Falls des Eisernen Vorhangs gedacht wird.

Das Kuratorium sprach sich einstimmig für die Ernennung des emeritierten Linzer Bischofs Maximilian Aichern (der vor 30 Jahren die Linzer Sektion von „Pro Oriente“ begründet hat) und von P. Franz Bouwen (Jerusalem) zu Ehrenmitgliedern aus. P. Bouwen gehört der Ordensgemeinschaft der Weißen Väter an, als Historiker und Theologe ist er wesentlich an ökumenischen und interreligiösen Dialogvorgängen beteiligt. Er ist Mitglied der offiziellen Kommissionen für den theologischen Dialog zwischen katholischer Kirche und den orthodoxen bzw. orientalisch-orthodoxen Kirchen und seit langem an der Arbeit von „Pro Oriente“ beteiligt. In das Gremium der „Pro Oriente“-Konsultoren wurden der an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Graz lehrende Religionswissenschaftler Prof. Markus Ladstätter, der Benediktinerpater Johannes Hauck aus Niederaltaich und der am Institut für altkatholische Theologie in Bern lehrende griechische orthodoxe Theologe Stefanos Athanasiou berufen.

Im Tätigkeitsbericht des Vereins „Pro Oriente“-Gesellschaft zur wissenschaftlichen Erforschung der ökumenischen Beziehungen wies deren Vorsitzender, Prof. Rudolf Prokschi, auf einige „Highlights“ der letzten zwölf Monate hin: In Kooperation mit der deutschen Stiftung „Renovabis“ und dem Schweizer Ökumenischen Forum G2W fand an der Diplomatischen Akademie die vielbeachtete Tagung „Europa wohin?“ statt, der „Summer Course“ stand im Zeichen der Begegnung mit dem Generalsekretär des Weltkirchenrats, Pfarrer Olav Fykse Tveit, auf Initiative von Prof. Barbara Hallensleben (Fribourg) fand in Florenz eine wissenschaftliche Tagung zur Interpretation des Unionskonzils von Ferrara-Florenz und seiner Wirkungsgeschichte statt, an der Orthodoxen Akademie auf Kreta trafen erstmals Repräsentantinnen und Repräsentanten der großen ökumenischen Dialogforen aus Europa und Nordamerika zusammen. Von besonderer Bedeutung sei die erste Zusammenkunft der neuen „Pro Oriente“-Kommission für orthodox-katholischen Dialog gewesen, weil „angesichts der aktuellen innerorthodoxen Spannungen neutrale Plattformen, bei denen alle orthodoxen Kirchen anwesend sein können“, wichtiger denn je seien.

Berichte aus Linz, Salzburg und Graz

Der Vorsitzende der „Pro Oriente“-Sektion Linz, Landeshauptmann a.D. Josef Pühringer, stellte die personelle Erneuerung in den Vordergrund (er hat u.a. den früheren oberösterreichischen ORF-Landesdirektor Helmut Obermayr für „Pro Oriente“ gewonnen). Die Vortragstätigkeit habe sich auf die Bedeutung des Zweiten Vatikanischen Konzils für die Ökumene konzentriert, u.a. mit zwei vielbeachteten Vorträgen von Hubert Gaisbauer und Annemarie Fenzl. Die „Besuchsökumene“ (Besuche einer „Pro Oriente“-Delegation in ostkirchlichen Gemeinden Oberösterreichs) komme gut voran, demnächst, am 26. November, ist ein Besuch in der rumänisch-orthodoxen Heiligengeist-Gemeinde in Linz vorgesehen. Diözesanbischof Manfred Scheuer wird im kommenden Frühjahr erstmals einen ökumenischen Empfang geben.

In Salzburg begann das Arbeitsjahr von „Pro Oriente“ mit der Ausrichtung des Ökumene-Empfangs von Erzbischof Franz Lackner, bei dem das „Kompendium Ökumene“ von den Projektverantwortlichen Regina Augustin, Roland Cerny-Werner und Igor Bararon präsentiert wurde. Ein Fest war die Ernennung von em. Äbtissin M. Perpetua Hilgenberg OSB zur „Protektorin von ‚Pro Oriente‘“. Erzbischof Lackner überreichte im Namen von Kardinal Schönborn das Ernennungsdekret, em. Erzbischof Alois Kothgasser hielt die Laudatio und Metropolit Arsenios (Kardamakis) den Festvortrag (über „Freiheit und Gehorsam in der orthodoxen Theologie und Kirche“). Ein weiterer Höhepunkt war ein internationales Symposion über „Severus von Antiochien und die Suche nach der Einheit der Kirche“. Eröffnet wurde das Symposion vom syrisch-orthodoxen Patriarchen Mor Ignatius Aphrem II., unter den Referenten waren führende Theologen wie Prof. Sebastian Brock (Oxford), Prof. Theresia Hainthaler (Frankfurt am Main) und Prof. Herman Teule (Louvain). M. Perpetua, die an Stelle des erkrankten Salzburger Vorsitzenden Prof. Dietmar Winkler den Salzburger Tätigkeitsbericht präsentierte, würdigte im Hinblick auf das Symposion den „unkomplizierten Umgang der orientalisch-orthodoxen Hierarchen“. Gemeinsam mit der „Initiative Christlicher Orient“ (ICO) wurde das traditionelle Herbstsymposion – diesmal zum Thema „Frauen im Orient“ – ausgerichtet. Am 1. Dezember wird das Zehn-Jahres-Jubiläum des Salzburger Byzantinischen Gebetszentrums begangen werden.

In Graz wurde ein erster Akzent mit dem Fest zum 75. Geburtstag von em. Prof. Grigorios Larentzakis gesetzt. Der frühere „Pro Oriente“-Präsident Johann Marte würdigte den langjährigen Vizevorsitzenden der „Pro Oriente“-Sektion Graz als „das Gesicht einer offenen, der ganzen Christenheit und der ganzen Welt zugewandten Orthodoxie“, Metropolit Arsenios überreichte an Larentzakis das Goldene Verdienstkreuz der Metropolis von Austria. Es gab mehrere vielbesuchte Vortragsveranstaltungen – so referierten Prof. Prokschi über „Putin und die russisch-orthodoxe Kirche“ und der ägyptische Jesuit und Islamwissenschaftler P. Samir Khalil Samir über „Die arabisch-christliche Welt im Umbruch“. Beim Festakt „50 Jahre Orthodoxengesetz in Österreich“ berichtete der Vorsitzende der Grazer Sektion, Peter Piffl-Percevic, über die Motive seines Vaters – des damaligen Unterrichtsministers Theodor Piffl-Percevic – für dessen nachhaltiges Engagement zur Durchsetzung und Vollendung des richtungweisenden Gesetzeswerks. Am 9. Mai gab Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl anlässlich des 800-Jahr-Jubiläums der Diözese Graz-Seckau erstmals einen ökumenischen Empfang. Dabei erinnerte er insbesondere an die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung in Graz 1997. Im Oktober tagte der orthodox-katholische Arbeitskreis St. Irenäus in der steirischen Landeshauptstadt; bei einer öffentlichen Veranstaltung referierten der Wiener serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic) und der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige zum Thema „Im Dienst an der Gemeinschaft“. „Streifzug und Reisesegen. Liturgische, ökumenische und interkulturelle Perspektiven“: Unter diesem Titel stand die Abschiedsvorlesung von Prof. Basilius Groen nach 16 Jahren der Lehr- und Forschungstätigkeit in Graz.