Junge Theologinnen und Theologen für ökumenischen „Dialog auf Augenhöhe“

Beim 6. Treffen der „jungen“ Kommission von „Pro Oriente“ wurde an einem „Leitfaden für einen gelingenden ökumenischen Dialog“ gearbeitet – Rumänischer Theologe Patriciu Vlaicu betonte, dass nach dem Treffen von Chieti 2016 der Wille spürbar geworden ist, den katholisch-orthodoxen Dialog voranzubringen – Diskussion mit dem serbisch-orthodoxen Bischof Andrej (Cilerdzic) über die Zukunft der Ökumene

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Foto ©: Pro Oriente

Wien, 09.10.17 (poi) Zu ihrer bereits sechsten Sitzung sind die Mitglieder der „Pro Oriente“-Kommission junger orthodoxer und katholischer Theologinnen und Theologen von 4. bis 7. Oktober in Wien zusammengetroffen. Im Zentrum des Treffens stand die Erarbeitung eines „Leitfadens für einen gelingenden ökumenischen Dialog“ (der von den jungen Theologinnen und Theologen in Band 2 der „Herder“-Reihe „Ökumenisches Forum“ veröffentlicht werden wird). Mit dem „Leitfaden“ legen die Mitglieder der „jungen“ Kommission von „Pro Oriente“ ein starkes Bekenntnis für einen „Dialog auf Augenhöhe“ ab. Die jungen Theologinnen und Theologen möchten aus der Fülle ihrer Beobachtungen zu den verschiedenen bisherigen Dialogprozessen Konsequenzen erarbeiten, die auch für künftige Dialoge hilfreich sein können. Die geplante Veröffentlichung wird auch eine Reflexion der Nachwuchsexperten über inoffizielle Dialogvorgänge wie z. B. „Pro Oriente“, „St. Irenäus“-Arbeitskreis, „Comité mixte catholique-orthodoxe en France“ enthalten. Moderiert wurde das Treffen von Michaela C. Hastetter (römisch-katholisch, Wien) und Sergij Bortnyk (ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats, Kiew).

Als Gast und Impulsgeber konnte der rumänisch-orthodoxe Priester und Theologe Prof. Patriciu Vlaicu gewonnen werden. Er ist seit 2014 Mitglied der Internationalen Kommission für den offiziellen theologischen Dialog zwischen der römisch-katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche (zuvor war er bereits Mitglied der französischen Kommission für den orthodox-katholischen Dialog). In seinem Impulsreferat sprach er offen von bestehenden Hindernissen im katholisch-orthodoxen Dialog. Er betonte, dass man die schwierigen Themen im Dialog nicht aussparen könne; man müsse alles aussprechen, nur so könne man einen tragfähigen Konsens erreichen. Die Dynamik und der Wille, den katholisch-orthodoxen Dialog voranzubringen, sei seit der Vollversammlung der internationalen Dialogkommission in Chieti im Vorjahr und der Verabschiedung des Dokuments „Synodalität und Primat im ersten Jahrtausend. Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verständnis im Dienst der Einheit der Kirche“, sichtlich spürbar geworden.
Patriciu Vlaicu stand den jungen Theologinnen und Theologen auch auf heikle Fragen Rede und Antwort. In Bezug auf die orthodoxe Delegation bei der internationalen Dialogkommission betonte er, dass in den letzten Jahren eine deutliche Verjüngung stattgefunden habe; es sei wertvoll, dass man in der Kommission sowohl Vertreter der kirchlichen Hierarchie, etablierte und erfahrene Professorinnen und Professoren und jüngere Theologen vereint habe. Die anti-ökumenischen Stimmen in der Orthodoxie seien laut, aber in den meisten orthodoxen Ländern doch eine Minderheit. Für Rumänien bezifferte Vlaicu die Zahl der „Anti-Ökumeniker“ auf zirka 300. Vergessen dürfe man aber nicht, dass vor allem die Unwissenheit über die Errungenschaften im katholisch-orthodoxen Dialog die Vorurteile weiter schüre. Der Aufbau von Vertrauen und Freundschaften sei zentral und solle zwischen den Kirchen mit neuer Kraft vorangetrieben werden. Der Theologe, der auch in Paris wirkt (am Centre Orthodoxe Dumitru Staniloae) überbrachte den Kommissionsmitgliedern die Grüße des rumänisch-orthodoxen Metropoliten für West- und Südeuropa, Iosif (Pop).

P. Nikodemus Schnabel, Prior-Administrator der „Dormitio“-Abtei in Jerusalem und Gründungsmitglied der „Pro Oriente“-Kommission junger orthodoxer und katholischer Theologinnen und Theologen, berichtete über die Ökumene in der Heiligen Stadt. Er verwies darauf, dass die pastorale Ebene der Ökumene gut funktioniere, vor allem auch weil diese Zusammenarbeit von den Gläubigen gefordert sei. Friede und Gerechtigkeit seien zentrale Themen, die die interkonfessionellen Arbeitsgruppen bestimmen. Viele „alte Geschichten“ zeichneten jedoch immer wieder ein sehr negatives Bild der Ökumene in Jerusalem. Nach wie vor gebe es Konflikte und auch neue Konflikte könnten entstehen, aber die grundsätzliche Tendenz zeige den guten Willen.

Ein besonderer Akzent des diesjährigen Treffens der jungen Theologinnen und Theologen wurde durch eine öffentliche Veranstaltung am serbisch-orthodoxen Bischofssitz zum Thema „Hat die Ökumene Zukunft?“ gesetzt. Der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic) diskutierte unter Leitung von Regina Augustin („Pro Oriente“) mit den drei jungen Theologen Michaela C. Hastetter, Christian Föller und Sergij Bortnyk. In seiner Begrüßung betonte Bischof Andrej, dass das „gemeinsame apostolische Erbe“ die orthodoxe Kirche und die katholische Kirche zutiefst verbinde. Er zeigte sich dankbar und begeistert über die Arbeit von „Pro Oriente“ (bereits beim vorangegangenen Vespergottesdienst hatte der Bischof hervorgehoben, dass „Pro Oriente“ die Christen in Wien „zusammenbringe“, um das christliche Erbe der Stadt zu entfalten und weiterzuentwickeln; in der Vesper wurde ganz selbstverständlich das Vater unser von den orthodoxen Gläubigen und den katholischen Gästen gemeinsam gebetet).

Aus seiner persönlichen Erfahrung schilderte der (als Sohn eines Priesters) in Osnabrück geborene serbische Bischof, dass ihn die Ökumene sein ganzes Leben hindurch begleitet habe: „Die Ökumene bringt mich weiter. Aber es geht darum, diesen großen Dialog in den Alltag umzusetzen“. Schon in der Schule (wo Andrej Cilerdzic den katholischen Religionsunterricht besucht hatte) habe er das Miteinander der Christen erlebt, sagte Bischof Andrej. Später habe er immer wieder „ökumenische Schlüsselerlebnisse“ gehabt, etwa im September 2014 im friulanischen Redipuglia beim Weltkrieg I-.Gedenken, als er mit vielen anderen Gästen aus den christlichen Kirchen und der Politik im strömenden Regen stundenlang auf die Ankunft von Papst Franziskus wartete: „Und dann waren da plötzlich tausende behinderte Kinder und ihre Eltern, die nichts anderes wollten, als den Segen des Bischofs von Rom zu empfangen. Da hat sich die ganze Theologie gedreht und man konnte verstehen, was der Bischof von Rom eigentlich tut“.
Christian Föller (Münster), der auch an der Orthodoxen Geistlichen Akademie in St. Petersburg studiert hat, betonte die Notwendigkeit, nicht über andere Christen zu reden, sondern mit ihnen. Auch Michaela C. Hastetter unterstrich den Wert der persönlichen Begegnung, ja der Freundschaft, für den ökumenischen Dialog. Sergij Bortnyk zerpflückte populäre Vorurteile über den konfessionellen Aspekt der Vorgänge auf dem Kiewer Majdan Nesaleschnosti an der Jahreswende 2013/14: „Es waren auch viele orthodoxe Christen des Moskauer Patriarchats dabei“.

Sehr intensiv wurde bei der Veranstaltung diskutiert, ob es mehr auf die „Dokumente wachsender Übereinstimmung“ (diese theologische Publikationsreihe legt in bisher vier Bänden die Ergebnisse aller auf Weltebene zwischen den christlichen Konfessionen durchgeführten offiziellen Lehrgespräche seit 1931 in deutscher Sprache vor) ankomme oder auf das „miteinander reden, miteinander essen, miteinander beten“. P. Nikodemus Schnabel verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass gerade die jungen Theologen an Hand etwa der Konsens-Dokumente aus den 1980er –Jahren entdecken können, „wie weit wir schon waren“.

Auf der „Seidenstraße der Liebe“

Die Pastoraltheologin Michaela C. Hastetter zeichnete für die Zukunft der Ökumene abschließend das poetische Bild einer „Seidenstraße der Liebe“: „Während Nationen heute aus Angst vor der Zukunft neue Mauern aufrichten, liegt die Zukunft der Ökumene in einer Beseitigung von Trennwänden. Mit einem alten Bild ließe es sich so ausdrücken: Die Zukunft der Ökumene zwischen orthodoxer und katholischer Kirche hängt an der Wiederaufnahme der ‚Seidenstraße der Liebe‘, die jene alte Trenn- und Scheidewand überwindet, die immer noch quer durch die Herzen, Mentalitäten, Denkkategorien und kulturellen Prägungen zwischen dem christlichen Orient und Okzident verläuft“. Zu Zeiten Marco Polos seien auf der Seidenstraße Wolle, Seide, Gold und Silber transportiert und gehandelt worden. Ökumenisch auf der Seidenstraße unterwegs sein hieße, Handel mit den Früchten des Geistes treiben, „Beziehungen der Liebe, des Friedens, der Freude, der Langmut, der Güte, der Freundlichkeit, der Selbstbeherrschung in Treue und Geduld aufzubauen“. Auf die Zukunft der Ökumene übertragen, heiße dies im Bild, auf der „Seidenstraße der Liebe“ von Rom nach Konstantinopel über Wien und Belgrad bis hin nach Georgien und Armenien zu gehen und umgekehrt von Jerewan über Tiflis, Konstantinopel, Bukarest, Belgrad, Wien hinauf nach Moskau und hinunter nach Rom ohne Bosheit, „ohne Neid und Habsucht, ohne Zwist, Eifersüchteleien, Eitelkeit, Gezänk und neue Zerwürfnisse“ zu wandern.