Kardinal Parolin überbrachte Grüße des Papstes in Bagdad

Christfest war pünktlich zum Besuch des Kardinal-Staatssekretärs zum staatlichen Feiertag erklärt worden – Parolin: „Worte und Taten des Lichts zur Überwindung der Dunkelheit von Angst, Sinnlosigkeit und Hass“ – Dankbarkeit für das Zeugnis der irakischen Christen

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Foto: © Aziz1005 (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International)

Bagdad, 25.12.18 (poi) Pünktlich zum Besuch des päpstlichen Staatssekretärs Pietro Parolin wurde das Christfest (25. Dezember) von der irakischen Regierung zum staatlichen Feiertag erklärt. „Wir wünschen unseren christlichen Mitbürgern, allen Irakern und allen, die rund um die Welt feiern, fröhliche Weihnachten“, hieß es in einer Twitter-Botschaft der irakischen Regierung. Kardinal Parolin überbrachte in Bagdad die Grüße von Papst Franziskus, zugleich betonte er die Botschaft der Hoffnung und des Friedens des Evangeliums. Am Montag war der Kardinal-Staatssekretär zunächst mit dem irakischen Ministerpräsidenten Adel Abdul Mahdi zusammengetroffen. Anschließend besuchte er die syrisch-katholische Marienkathedrale, wo 2010 dutzende Gläubige bei einem Überfall islamistischer Terroristen den Tod gefunden hatten, um Mitternacht zelebrierte er mit Kardinal-Patriarch Mar Louis Raphael Sako die Mitternachtsmette in der chaldäisch-katholischen Josefskathedrale, am Dienstagmorgen feierte der Kardinal in der lateinischen Kathedrale der irakischen Hauptstadt das Pontifikalamt zum Christfest. Bei den drei Gottesdiensten dankte Parolin den Christen für ihr Glaubenszeugnis. Dieses sei wichtig für die gesamte Christenheit. Parolin rief die Christen auf, mit neuer Hoffnung ihren Beitrag zur Gesellschaft ihres Landes zu leisten.

Im Regierungspalast hatte Parolin daran erinnert, dass Christen und Muslime berufen seien, die Dunkelheit der Angst und der Sinnlosigkeit, der Verantwortungslosigkeit und des Hasses mit „Worten und Taten des Lichts“ zu erhellen und die „Samen des Friedens, der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Freiheit und der Nächstenliebe“ auszustreuen. Der Kardinal hob hervor, dass es notwendig sei, die Menschen in ihrer Verschiedenheit zu akzeptieren, „ohne die Unterschiede dazu zu benützen, um die einen gegen die anderen zu stellen, sondern um darin eine Möglichkeit der gegenseitigen Bereicherung zu entdecken“.

Bei der Mitternachtsmette in der chaldäischen Josefskathedrale hob Kardinal Parolin die Aktualität der der biblischen Lesungen und ihren Bezug zum Alltag des irakischen Volkes hervor. Der Kardinal betonte die Bedeutung der Überwindung des Hasses, denn „das, was uns verbindet, ist größer als das, was uns trennt“. Zugleich unterstrich Parolin die Dankbarkeit für das Zeugnis der irakischen Christen, das „zum lebendigen Beispiel für alle Christen der Welt“ geworden sei. Nur Gott könne einen Frieden geben, der den anderen als Bruder oder Schwester sehe und nicht als Feind. Daran erinnere auch das vor 200 Jahren entstandene Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“, das im Irak ebenfalls bekannt sei. Der irakische Staatspräsident Barham Salih war bei dem Gottesdienst anwesend.

Bei der Messe in der lateinischen Kathedrale sagte der Kardinal-Staatssekretär, die Geschichte der Christen im Irak sei mit der Heilsgeschichte verbunden: Es sei eine Geschichte der Drangsale und der Leiden, aber nie ohne die Unterstützung Gottes. Weihnachten fordere die übliche menschliche Logik heraus: Gottes große Macht zeige sich in einem kleinen Kind. Parolin erinnerte daran, dass auch der Papst den Christen im Irak stets nahe sei.

Die Proklamation des Christfestes zum nationalen Feiertag im Irak entsprach einer Bitte des chaldäisch-katholischen Kardinal-Patriarchen Mar Louis Raphael Sako. Der Patriarch wollte, dass damit öffentlich kundgetan wird, wie sehr das Christentum ein unauslöschlicher Bestandteil der Kultur und Tradition des Irak ist.

In Mosul ist es trauriger

Trauriger als in Bagdad – wo es heuer erstmals über die Treffpunkte der Christen hinaus wieder Weihnachtsdekorationen und Weihnachtsstimmung gab – stellte sich die Situation in Mosul dar. Auch zwei Jahre nach der Befreiung der Stadt, die einst eine Metropole des orientalischen Christentums war, sind erst wenige christliche Familien zurückgekehrt. Der christliche irakische Schriftsteller und Wissenschaftler Samir Elias führt das auch auf den zögerlichen Wiederaufbau der von den IS-Terroristen zerstörten Kirchen in der Tigris-Metropole zurück. In seinem im November veröffentlichten Buch „Die Kirchen Mosuls, Geschichte und Schmerz“ hat Samir Elias dokumentiert, wie die christlichen Gotteshäuser der Stadt von den Islamisten systematisch zerstört wurden. Der Autor appelliert an die irakischen Behörden, mehr finanzielle Mittel für die Wiederherstellung der Kirchen zur Verfügung zu stellen, derzeit laufe der Restaurierungsprozess viel zu langsam.

Bisher sei nur die chaldäisch-katholische Pauluskirche im Bezirk Al-Muhandisin wiederaufgebaut und wiedereröffnet worden, so Samir Elias. Die UNESCO arbeite an der Restaurierung von zwei Kirchen im (besonders betroffenen) westlichen Teil Mosuls, einer Dominikanerkirche und eines syrisch-orthodoxen Gotteshauses. Der Autor bedauert auch, dass manche halbzerstörte Kirchen als Konzertsaal oder gar als Müllablade-Platz gebraucht werden. Bisher gebe es leider auch keine gemeinsame Haltung der Kirchen im Hinblick auf die Rückkehr der Christen Mosuls in ihre Heimatstadt. Die chaldäisch-katholische Kirche ermutige die rasche Rückkehr der Christen nach Mosul, während die syrisch-orthodoxe Kirche eher auf internationale Sicherheitsgarantien setze. Die syrisch-katholischen Christen hätten sich dagegen zur Rückkehr entschlossen.

Auch Khaled al-Bir vom kurdischen Regionalministerium für die religiösen Stiftungen bedauert den Mangel an finanziellen Mitteln für den Wiederaufbau der Kirchen in der Ninive-Ebene. Das Ministerium suche deshalb Hilfe von internationalen Organisationen und vor allem von den Kirchen im Ausland. Zugleich gehe es darum, auch für den Wiederaufbau der religiösen Stätten anderer Gemeinschaften (etwa der Jesiden oder der sufischen Muslime) Sorge zu tragen. In der ganzen Region müsse den Menschen bewusst werden, dass der Wiederaufbau von Kirchen und anderen religiösen Stätten „integraler Bestandteil“ des „Prozesses des Wiederaufbaus des Vertrauens“ zwischen den verschiedenen Gemeinschaften ist.

Der Leiter des „Gilgamesh-Zentrums für die Bewahrung des historischen Erbes“, Faisal Jaber, sagte im Gespräch mit „Al Monitor“, er sei besorgt über die Haltung der Regierung in Bagdad gegenüber dem christlichen Erbe insgesamt, die sich auch in Detailfragen zeige. So würden etwa in Mosul die Gebäude des Al-Nasr-Klosters derzeit vom Sicherheitsdienst der Abteilung des Innenministeriums zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens als Hauptquartier genützt. Eine solche „Nutzung“ kirchlicher Gebäude – noch dazu ohne entsprechendes Entgelt – nähre die Befürchtungen in der christlichen Community, dass die IS-„Überlegenheitsideologie“ nach wie vor dominant sei.