
Bagdad, 22.12.18 (poi) Der chaldäisch-katholische Patriarch, Kardinal Mar Louis Raphael Sako, wird am 24. Dezember erstmals die Weihnachtsmesse gemeinsam mit dem päpstlichen Kardinal-Staatsssekretär Pietro Parolin feiern. Kardinal Parolin wird sich bis 28. Dezember im Irak aufhalten und u.a. auch Erbil und die kleinen christlichen Städte der Ninive-Ebene besuchen. In kirchlichen Kreisen des Irak wird die Visite Parolins im Zusammenhang mit Vorbereitungen auf einen möglichen Papstbesuch gesehen. Kardinal Parolin wird in Bagdad mit Repräsentanten der Regierung und Vertretern der Kirchen des Irak zusammentreffen. Am 24. Dezember um 20:30 Uhr Ortszeit wird Parolin gemeinsam mit dem chaldäischen Patriarchen in der Bagdader Josefskathedrale im Bezirk Qarrada die Weihnachtsmesse zelebrieren. In Bagdad wird Parolin auch die syrisch-katholische Marienkathedrale besuchen, wo im Herbst 2010 bei einem Überfall islamistischer Terroristen dutzende Gläubige (einschließlich von zwei jungen Priestern) den Tod fanden. Nach Bagdad wird der päpstliche Kardinal-Staatssekretär auch Erbil, den Sitz der autonomen kurdischen Regionalregierung, besuchen. Von dort aus ist eine Fahrt nach Qaraqosh (Baghdida), die bedeutendste christliche Stadt der Ninive-Ebene, vorgesehen, wo Kardinal Parolin in Konzelebration mit dem syrisch-katholischen Patriarchen, Mor Ignatius Yousif III. Younan, die Heilige Messe feiern wird.
Mar Louis Raphael Sako hat in seiner Weihnachtsbotschaft betont, dass die Feier der Geburt Christi zugleich Gelegenheit biete, der Erneuerung der menschlichen Natur durch die Gnade Gottes zu gedenken. Zu Weihnachten höre der Krieg auf, die Nächstenliebe wachse: „Durch das Zeugnis des Glaubens, die Gebete, die Nächstenliebe und den Beitrag zum Wiederaufbau des Landes können wir mit den Engeln ‚Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen seiner Gnade‘ singen“. Es gehe um die wahre „Humanisierung“, die in der syro-chaldäischen Kirchensprache mit dem Begriff „Mithbarnashutha“ bezeichnet werde. Durch die Sakramente empfange jeder Christ die „Gnade der Einheit“, aber diese Berufung bedürfe des tagtäglichen Einsatzes, des Mutes und harter Arbeit. Diese Berufung gelte allen Menschen guten Willens – in einer Perspektive der „Geschwisterlichkeit, der Nächstenliebe und des Friedens“.
Für die Christen sei die Bedeutung des Gebets und der Teilnahme am Leben der Gemeinschaft noch entscheidender, so der Kardinal-Patriarch. Der Glaube müsse den Weg ebnen, um wahrhaft Kinder Gottes zu sein und den „Dienst der Nächstenliebe und des Friedens“ zu stärken. In einer Nation, die erst kürzlich von Kriegen, Gewalttaten, Drohungen der Dschihadisten, politischer Instabilität und mühsam in Gang kommender Demokratisierung geprägt worden sei, stelle der Wert der „Einheit“ zwischen Bürgern unterschiedlicher ethnischer und religiöser Zugehörigkeit ein wesentliches Fundament für den Aufbau der Zukunft dar. Wer aber Chaos und Konfusion unter dem Vorwand religiöser und ethnischer Vorschriften verursache, glaube in Wahrheit nicht an Gott und dürfe nicht als Gläubiger bezeichnet werden.
„Zeit der Dürre hört auf“
Mittlerweile geht der Wiederaufbau in der Ninive-Ebene weiter. Die italienische katholische Nachrichtenagentur SIR berichtet aus der Kleinstadt Karamles: Dort wird am 24. Dezember zum ersten Mal seit vier Jahren wieder die Heilig-Abend-Messe in der Pfarrkirche St. Thaddäus (Mar Addai) gefeiert werden. Die christlichen Bewohner von Karamles waren von den IS-Terroristen zur Flucht gezwungen worden, die Pfarrkirche wurde auf barbarische Weise zerstört und profaniert. Mittlerweile wurde die Kirche wieder aufgebaut. Aber der von den Terroristen devastierte Kirchturm bleibt so wie er ist. Pfarrer Paul Mekko (der am Sonntag zum „Chorepiskopos“ befördert wird) betont, dass damit die Widerstandskraft der Christen in der Ninive-Ebene symbolisiert werden soll: „Wer diese Kraft mit Maschinenpistolen und Säbeln überwinden wollte, ist besiegt worden“. Auch im Inneren der Kirche gibt es eine Erinnerung an die Untaten der Islamisten: Ein großer Schrank, in dem die Überreste von liturgischen Büchern, Statuen, sakralen Geräten aufbewahrt werden, die dem dämonischen Hass der Islamisten zum Opfer fielen.
Die Kirche Mar Addai wurde am Fest der Heiligen Barbara, der Patronin des Städtchens Karamles, wieder eingeweiht. 330 Familien sind bisher nach Karamles zurückgekehrt, die Rückkehr von 240 weiteren Familien wird noch erwartet. Viele dieser Familien seien im Libanon, in Jordanien, in der Türkei, berichtet Pfarrer Mekko. Aber nur wenn es eine stabile und starke Regierung gebe, sei ein Wiederaufbau des Landes und eine Rückkehr der Vertriebenen möglich.
In den letzten Tagen waren Pfarrer Mekko und seine Pfarrkinder glücklich, weil es ausgiebig geregnet hat. Für den Pfarrer hat das auch symbolische Bedeutung: „Für den Irak hört die Zeit der Dürre auf“. Weihnachten wird heuer im Karamles wieder gefeiert werden, wie es der mesopotamischen Tradition entspricht: Während der Liturgie erfolgt die Prozession mit dem Christuskind zur Krippe auf dem Kirchenplatz (neben der Krippe steht ein großer Christbaum). Nach der Messfeier wird auf dem Kirchenplatz das „Feuer der Hirten“ entzündet. Dabei wird in besonderer Weise um den Frieden im Irak und um die Rückkehr der vertriebenen oder geflüchteten christlichen Familien gebetet werden.
Christin als Migrationsministerin abgelehnt
Mittlerweile ist auf den bevorstehenden Besuch von Kardinal Parolin im Irak ein Schatten gefallen. Bei der Abstimmung über die von Ministerpräsident Adel Abdul Mahdi zur Vervollständigung des Regierungskabinetts ernannten Minister lehnte das irakische Parlament die Kandidatur der Christin Hana Emmanuel Gorgis an der Spitze des Ministeriums für Migranten und Flüchtlinge ab. Unter den 276 bei der Parlamentssitzung anwesenden Abgeordneten lehnten auch vier der fünf christlichen Mandatare die Kandidatur ab.
Das chaldäische Patriarchat hatte im Hinblick auf die Kandidatur von Hana Emmanuel Gorgis am 17. Dezember die Vorwürfe „einiger Politiker“ zurückgewiesen, die „unverantwortlich, provokativ und ohne moralischen Anstand“ formulierte Kommentare „bezüglich einer angeblichen Einmischung der Kirche in politische Angelegenheiten“ abgegeben hatten. Die Kirche sei schon immer „zum Wohle der Menschen und zum Schutz ihrer Rechte und ihrer Würde“ an sozialen Problemen interessiert gewesen, hieß es in der Erklärung, in der an die Verurteilung des Irak-Krieges durch Papst Johannes Paul II. und die Verteidigung der Rohingya-Muslime durch Papst Franziskus erinnert wurde. Wenn die Kirche in öffentliche Angelegenheiten eingreife, verfolge sie niemals private Interessen und wolle keine zivilen Institutionen ersetzen, sondern „an der Förderung der Gerechtigkeit und der Achtung der Rechte eines jeden Menschen mitwirken“. Das chaldäische Patriarchat erinnert auch daran, dass Mar Louis Raphael Sako „keine Anstrengungen gescheut“ habe, um „die Wiedergeburt des Irak zu begünstigen“. Dies bedeute auch, die Wahl von kompetenten Personen zu unterstützen, die nicht mit der christlichen Gemeinschaft verbunden seien.
„Die Kirche will sich in keiner Weise in parteipolitische Konflikte einmischen, aber das chaldäische Patriarchat ist im Rahmen seiner Verantwortung stets bereit, sich für das Wohl aller Iraker einzusetzen“, hieß es in der Erklärung. Ministerpräsident Abdul Mahdi hatte den chaldäisch-katholischen Patriarchen ersucht, ihm christliche Persönlichkeiten zu nennen, die man zum Eintritt in die Regierungsverantwortung einladen könnte. Kardinal-Patriarch Mar Louis Raphael Sako nannte daraufhin u.a. den Namen von Hana Emmanuel Gorgis.