Kardinal-Patriarch Sako für „Spiritualität des Exils und der Heimkehr“

„Die falsche Politik des Westens“ - Was man vom Propheten Ezelkiel für heute lernen kann

0
613
Foto ©: Mar Louis Raphael I Sako / Facebook

Bagdad, 25.11.18 (poi) Für eine „Spiritualität des Exils und der Heimkehr“ im Nahen Osten hat sich der chaldäisch-katholische Patriarch Mar Louis Raphael Sako ausgesprochen. Diese Spiritualität müsse unter den christlichen Gemeinschaften des Orients verbreitet werden, die in den letzten Jahren auf Grund der kriegerischen und islamistischen Umtriebe gezwungen waren, ihre Heimatorte zu verlassen.

Im Blick auf das Erste Testament erinnerte der Patriarch vor allem an den Propheten Ezechiel, der eine „starke Theologie der Vertreibung und der Rückkehr und des Wiederaufbaus“ formuliert habe. Die Heilige Schrift enthalte viel, das den Menschen helfen könne, die die Erfahrung der Vertreibung und des Exils, der Gefangenschaft und der Verfolgung, aber dann auch wieder der Heimkehr durchmachen mussten. Diese Spiritualität müsse unter den christlichen Gemeinschaften des Nahen Ostens heimisch gemacht werden, die in den letzten Jahren auf Grund der islamistischen Gewalttätigkeit vielfach gezwungen waren, ihre Heimstätten zu verlassen.

Vor allem bei Ezechiel, aber auch in den Psalmen seien viele Hinweise auf Heimkehr, Wiederaufbau und Wiederherstellung des gesellschaftlichen Gefüges zu finden, erinnerte der Patriarch. Heute gelte es, diesen spirituellen Reichtum auf dem Hintergrund der aktuellen Erfahrung – der Invasion der Ebene von Ninive durch die islamistischen Terroristen, der Vertreibung der Christen und ihrer schrittweisen Rückkehr nach der der Befreiung des Gebiets – neu zu entdecken. In diesem Zusammenhang könne die Entwicklung einer Theologie des „Exils und der Heimkehr“ für den Alltag jener Christen nützlich sein, die von den islamistischen Terroristen vertrieben wurden, in Lagern leben und mannigfache „soziale, wirtschaftliche, psychologische, politische und religiöse“ Herausforderungen bestehen müssten, betonte Mar Louis Raphael Sako. Auch jene Christen, die jetzt wieder in ihre Heimstätten zurückgekehrt seien, hätten mit Komplikationen zu kämpfen. Für alle betroffenen Christen sei es wichtig, ihre eigene Erfahrung mit der in der Heiligen Schrift berichteten zu vergleichen, um die „Zeichen der Zeit“ zu erkennen, Hoffnung zu leben und sich nicht von „Frustration und Hoffnungslosigkeit“ mitreißen zu lassen.

In einem „Vatican News“-Interview betonte der chaldäische Patriarch: „Der Nahe Osten ist nicht am Ende. Und er wird nicht untergehen“. Als wesentliche Bedingung für einen friedlichen Nahen Osten stellte der Patriarch fest: Die Christen müssen bleiben. „Obwohl sie eine Minderheit sind, eine kleine Herde. Sie haben eine Rolle und sie haben ihre Würde“, argumentiert der Patriarch. Die Frage stelle sich also nach der Rolle der Kirche in dieser Situation, was kann sie in der Praxis tun? Der Patriarch hat eine Antwort: „Sowohl in Syrien als auch im Irak muss sie die ,Theologie´ der Rückkehr, des Wiederaufbaus verbreiten. Wir müssen von der Bibel lernen. Wir schauen auf die Psalmen, auf die Prophezeiung der Rückkehr. Es liegt an uns Hirten, die Menschen zu ermutigen, zurückzukommen und neues Leben zu bringen“.

Im Hinblick auf die Rolle der internationalen Mächte, seufzte Kardinal-Patriarch Sako: „An allem, was im Nahen Osten passiert, ist die falsche Politik des Westens schuld. Westliche Nationen handeln nur in ihrem eigenen Interesse. Sie denken nicht darüber nach, wie man die nahöstlichen Völker respektiert, wie man ihnen helfen kann, in Würde, Freiheit und Respekt zu leben. Zum Beispiel im Irak, 15 Jahre nach dem Sturz des Regimes: Wo ist die Demokratie, wo sind die Menschenrechte? Wenn wir den Trend umkehren wollen, müssen wir anfangen, auf das Gewissen der Bürger und Politiker im Land zu einzuwirken“. Der Patriarch fordert eine effektive Trennung zwischen Staat und Religion, die Überwindung jeglicher Versuchung zur Theokratie. Mar Louis Raphael Sako optimistisch: „Die Zukunft wird besser sein, da bin ich mir sicher. Es gibt sichtbare Zeichen: Unsere muslimischen Brüder wollen Frieden und Stabilität. Sie wollen keine Kriege mehr. Vielleicht haben sie jetzt nicht die Macht, sie zu stoppen, aber sie sind die gesunde Kraft der Zukunft“.