Kardinal Schönborn Ehrengast in Belgrad bei den Gedenkfeiern zum Ende des Ersten Weltkriegs

Initiative des katholischen Erzbischofs der serbischen Hauptstadt, Stanislav Hocevar – Treffen mit dem orthodoxen Patriarchen an der Orthodoxen Theologischen Fakultät

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Foto: © Stebunik (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Belgrad-Wien, 09.11.18 (poi) Kardinal Christoph Schönborn ist Ehrengast bei den Gedenkfeierlichkeiten zum Endes des Ersten Weltkriegs von 9. bis 11. November in Belgrad. Die Gedenkfeierlichkeiten sind eine Initiative des Belgrader katholischen Erzbischofs Stanislav Hocevar. Schon vor dem Eintreffen des Kardinals am Freitagabend versammelten sich Repräsentanten der Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Belgrader katholischen Christkönigskirche zu einem ökumenischen Friedensgebet, anschließend wurde im Garten des Erzbischöflichen Palais ein „Dornbusch des Moses“ als „Zeichen der Verständigung und des Dialogs unter den Menschen Europas“ gepflanzt. Am Samstagvormittag feiert Kardinal Schönborn im Zeichen des Gebets um Frieden und Versöhnung unter den Völkern Europas die Heilige Messe in der katholischen Marienkirche. Am frühen Nachmittag ist ein Gebet an den österreichischen und ungarischen Soldatengräbern auf dem Novo groblje-Friedhof vorgesehen. Auf dem Friedhof sind u.a. 640 österreichisch-ungarische Soldaten begraben, die zwischen 1914 und 1915 bei den Kämpfen um Belgrad gefallen waren. Erst vor einem Jahr hat Erzbischof Hocevar die neu renovierte Kapelle zum Andenken an die Gefallenen geweiht. Am Abend wird an der Orthodoxen Theologischen Fakultät der Universität Belgrad die serbische Übersetzung des Buches „Die Lebensschule Jesu“ von Kardinal Schönborn präsentiert. Dabei ist auch eine Begegnung zwischen dem serbisch-orthodoxen Patriarchen Irinej und Kardinal Schönborn vorgesehen. Im Buch „Die Lebensschule Jesu“ stellt der Wiener Erzbischof Wege vor, wie Gläubige von heute zu Jüngern Christi werden können. Die Frage: „Was will Jesus Christus von uns?“ steht dabei im Vordergrund. Grundlage des Buches sind Glaubensgesprächen (Katechesen), die der Kardinal in den Jahren 2011 und 2012 im Wiener Stephansdom gehalten hat. Die Texte gehen – ausgehend von den Evangelien – biblisch vor. Sie zeigen, wie der Weg der Umkehr zu Gott in der Lebensschule Jesu beginnt und wie dies unter heutigen Gegebenheiten verwirklicht werden kann. Am Sonntag wird Kardinal Schönborn – der von Militärbischof Werner Freistetter begleitet wird – das Flüchtlingslager Obrenovac besuchen, wo u.a. auch die serbische Caritas aktiv ist.

Im Gespräch mit der italienischen katholischen Nachrichtenagentur SIR sagte Erzbischof Hocevar am Donnerstag, das Programm der Gedenkfeierlichkeiten sei „ökumenisch, spirituell und kulturell“, um an alle Menschen zu appellieren, sich für „Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit“ einzusetzen. Der Erzbischof verwies auch auf die Restaurierung des erzbischöflichen Palais in Belgrad, das früher die österreichisch-ungarische Botschaft in der serbischen Hauptstadt beherbergte. Am 10. Juli 1914 kam es im Arbeitszimmer des österreichisch-ungarischen Botschafters Wladimir Giesl von Gieslingen in den Abendstunden zu einem dramatischen Ereignis: Der russische Botschafter Nikolai Gartwig war bei seinem österreichischen Kollegen erschienen, um seine Besorgnis über das österreichische Ultimatum zum Ausdruck zu bringen. Das Gespräch verlief nach Angaben Giesls durchaus im diplomatischen Ton, aber plötzlich sank der 57-jährige russische Botschafter zu Boden und starb wenige Minuten später, obwohl Giesl und seine Mitarbeiter sofort Erste Hilfe geleistet hatten. Bei den jetzigen Gedenkfeierlichkeiten werden Repräsentanten der verschiedenen Religionsgemeinschaften eine gemeinsame Friedensbotschaft unterzeichnen, „damit die europäischen Völker in Verschiedenheit geeint sein können“.

Bei der Pressekonferenz am Freitagvormittag in Wien zum Abschluss der Vollversammlung der österreichischen Bischöfe wiederholte Kardinal Schönborn einmal mehr seine Überzeugung, dass Serbien 1914 mit der Kriegserklärung durch Österreich-Ungarn Unrecht getan wurde. Aus diesem Grund habe er sich sehr bewusst dafür entschieden, zum Gedenken an das Weltkriegsende nach Belgrad zu reisen. Bereits am Donnerstag hatte der Kardinal in einem „Kathpress“-Interview gesagt, er wolle er mit dem Besuch ein bescheidenes, aber klares Zeichen dafür setzen, dass Serbien 1914 mit der Kriegserklärung durch Österreich-Ungarn Unrecht getan wurde. „Wir können das geschehene Übel nicht wieder gutmachen, aber klar zum Ausdruck bringen, dass wir heute den Weg der Versöhnung, des Miteinanders und des Frieden gehen in einem Europa, das sich bei allen Problemen doch in einem Einigungsprozess befindet“, so Schönborn wörtlich. Der Erste Weltkrieg habe die großen Tragödien des 20. Jahrhunderts eingeleitet, so der Kardinal. Die Folgen des „sinnlosen Blutbads“ (inutile strage), wie Papst Benedikt XV. im Jahr 1917 in seinem Friedensappell formulierte, seien unermesslich: „Der Nationalsozialismus und der Sowjet-Kommunismus sind die beiden giftigen Pflanzen, die aus diesem sinnlosen Morden hervorgegangen sind“.

Ähnlich wie der Wiener Erzbischof äußerte sich auch Bischof Freistetter im Gespräch mit „Kathpress“. Er erhoffe sich von dem Besuch ein „starkes Zeichen für den Aufbruch in eine gemeinsame europäische Zukunft“. Unrecht, das von den österreichischen und ungarischen Einheiten bei der Besetzung Serbiens im Ersten Weltkrieg begangen wurde, müsse benannt und dürfe nicht beschönigt werden. Zugleich gelte es nach vorne zu blicken. Er würde es begrüßen, so Freistetter, wenn Serbien rasche Schritte in Richtung Europäischer Union unternimmt.