Katholische Ostkirchen sollen „Handwerker des Dialogs, Förderer der Versöhnung, geduldige Erbauer einer Kultur der Begegnung“ sein

Papst Franziskus betont bei Begegnung mit den in Europa wirkenden „unierten“ Bischöfen die Gemeinsamkeiten mit den nichtkatholischen Ostkirchen und ruft dazu auf, dem gemeinsamen Einsatz in der Nächstenliebe den zentralen Platz einzuräumen

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Foto: © Eldhorajan92 (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International)

Vatikanstadt, 14.09.19 (poi) Die katholischen Ostkirchen in Europa seien berufen, in einer Welt, deren Frieden von allzu vielen Spaltungen bedroht ist, „Handwerker des Dialogs, Förderer der Versöhnung, geduldige Erbauer einer Kultur der Begegnung“ zu sein. Dies betonte Papst Franziskus am Samstag vor den Bischöfen dieser Ostkirchen, die in Rom zu ihrem Jahrestreffen versammelt waren. Zugleich unterstrich der Papst die Bedeutung der Vielfalt in der Kirche, christliche Einheit bedeute nicht Uniformität, die christliche Wahrheit sei „nicht eintönig, sondern symphonisch, sonst würde sie nicht vom Heiligen Geist kommen“. Kardinal Angelo Bagnasco, der Präsident des „Rates der Europäischen Bischofskonferenzen“ (CCEE),  hatte eingangs an den Fall des Eisernen Vorhangs vor 30 Jahren erinnert und an die Leiden der katholischen Ostkirchen unter den kommunistischen Regimen. Jetzt sei die Säkularisierung die große Herausforderung, der man sich aber mit Hoffnung stellen müsse, „denn der Hunger nach Gott ist in den Seelen der Menschen präsent“.

Papst Franziskus rief die am 2. Juni in Blaj vorgenommene Seligsprechung von sieben rumänischen „unierten“ Bischöfen in Erinnerung, die für ihre Treue zur Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom ins Gefängnis geworfen worden waren. Diese Treue sei ein „kostbarer Bestandteil des Glaubensschatzes“ der katholischen Ostkirchen, so der Papst. Die Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom beeinträchtige die besondere Identität der katholischen Ostkirchen nicht, sie bewahre sie beispielsweise vor der Versuchung, in nationale oder ethnische Partikularismen zu verfallen. Diese Partikularismen seien eine Gefahr in der Gesellschaft von heute, weil sie sich in Populismen verwandeln, die „alles kommandieren und gleichmacherisch umgestalten wollen“.

Die Besinnung auf die Märtyrer dränge dazu, den „Weg der ständigen Reinigung der kirchlichen Erinnerung“ zu beschreiten und auf eine immer größere Einheit mit allen an Christus Glaubenden zu setzen. Die katholischen Ostkirchen hätten die Berufung, das Evangelium der Nächstenliebe in einer Welt auszusäen, in der „so viele in den Sog der Spirale der Gewalt, des Teufelskreises von Forderungen und ständigen wechselseitigen Beschuldigungen“ geraten. An die Bischöfe der katholischen Ostkirchen appellierte der Papst, „in der christlichen Familie jene zu sein, die sich im Blick auf den Gott allen Trostes dafür einsetzen, die Wunden der Vergangenheit  zu heilen, Vorurteile und Spaltungen zu überwinden und im gemeinsamen Weg mit den nichtkatholischen Brüdern und Schwestern allen Hoffnung zu geben“.

Der gemeinsame Weg beruhe auf Gebet, Demut und Nächstenliebe, unterstrich Papst Franziskus: „Wenn wir gemeinsam gehen, können wir gemeinsam etwas für die anderen tun, für unser gemeinsames Haus und so die antike Bedeutung des Wortes vom ‚Vorsitz in der Liebe‘ wiederentdecken, der dem römische Bischofssitz zugebilligt wird“. Als Beispiele eines solchen Dialogs nannte der Papst den gemeinsamen Besuch mit Patriarch Bartholomaios I. und dem Athener Erzbischof Hieronymos (Liapis) in einem Flüchtlingslager auf Lesbos, das Friedensgebet für das Heilige Land in den vatikanischen Gärten und den Friedensdialog für den Nahen Osten in Bari im Juli des Vorjahrs.

Ausdrücklich unterstrich Papst Franziskus, dass die katholischen Ostkirchen, wenn sie ihre kirchlichen Traditionen aufrichtig leben, aus den selben spirituellen, liturgischen und theologischen Quellen schöpfen müssen wie die orthodoxen Kirchen. Es sei schön, gemeinsam Zeugen so großer Reichtümer zu sein. Auch im akademischen Bereich gebe es Möglichkeiten der Zusammenarbeit und damit zur Ausbildung von Priestern mit einer offenen Mentalität. Vor allem aber gehe es darum, einander zu helfen, die Nächstenliebe gegenüber allen zu leben. In der Nächstenliebe gebe es keine „kanonischen Territorien“. Es tue ihm weh, wenn er auch bei Katholiken den Kampf um Jurisdiktionsbereiche sehe, sagte der Papst. Christus werde nicht die Frage stellen, welche und wieviele Territorien „unter unserer Jurisdiktion verblieben sind oder was wir zur Entwicklung der nationalen Identität beigetragen haben. Vielmehr wird er fragen, ob wir imstande waren, den Nächsten zu lieben, alle Nächsten, und das Evangelium des Heils an jene zu verkünden, denen wir auf den Straßen des Lebens begegnen“. Wenn sich Christen unterschiedlicher Konfession gemeinsam über den leidenden Bruder beugen, wenn sie gemeinsam denen helfen, die Einsamkeit, Armut, Ausgrenzung erleiden, wenn die ungeborenen Kinder, die Jugendlichen ohne Hoffnung, die „ausrangierten“ Kranken und Alten ins Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt werden, dann habe schon der gemeinsame Weg in der Nächstenliebe begonnen, der die Spaltungen heile.