Kirchlicher Brückenschlag zwischen Moskau und Addis Abeba

Christenverfolgung in einigen nahöstlichen und afrikanischen Staaten muss als zentrales Problem erkannt werden – Kyrill I. und Mathias I. wollen Zusamenarbeit zwischen russischer und äthiopischer Kirche stärken – Sowohl dem russsischen als auch dem äthiopischen Heiligen Synod sollen in nächster Zukunft Vorschläge zur Einrichtung einer permanenten bilateralen Dialogkommission vorgelegt werden

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Foto: © William H. Rau (Quelle: Wikimedia; Lizenz: public domain)

Moskau, 20.05.18 (poi) Die andauernde Christenverfolgung in einigen nahöstlichen und afrikanischen Staaten haben der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. und sein äthiopischer Gast, Patriarch Mathias I., bei einem Treffen in der Moskauer Erlöserkathedrale übereinstimmend als eines der vordringlichsten Probleme für die ganze Christenheit bezeichnet.  Die Christen seien oft Opfer der Kämpfe zwischen politischen Gruppierungen, “einschließlich der Auseinandersetzungen zwischen den führenden Weltmächten”. Umso notwendiger seien die Friedensinitiativen der Kirchen, um die Kontrahenten zu einem “friedlichen und konstruktiven Dialog” einzuladen, betonten die beiden Patriarchen. Der Schlüssel zur Lösung der bestehenden Probleme liege in der Besinnung auf die Prinzipien der Zusammenarbeit und des Vertrauens in den zwischenstaatlichen Beziehungen. Ebenso sei es notwendig, die interreligiösen Kontakte zu fördern und den Menschen bewusst zu machen, dass “Nächstenliebe und Compassion” die Grundlage der zwischenmenschlichen Beziehungen sind. Beide Patriarchen bedauerten die rapide Ausbreitung der Säkularisierungsprozesse in den modernen Gesellschaften und hielten fest, dass es notwendig sei, durch gemeinsame Anstrengungen das christliche Verständnis von Moralität sowie des “Instituts von Ehe und Familie” zu verteidigen.

Kyrill I. und Mathias I. kamen überein, die bilaterale Zusammenarbeit zwischen den beiden Kirchen in einer Reihe von Bereichen zu entwickeln, angefangen vom gemeinsamen Eintreten für die verfolgten Christen und der Verteidigung traditioneller moralischer Werte über die Kooperation im Bereich von Sozialarbeit und Diakonie  sowie in der Mission bis zur Intensivierung der Kontakte in der akademischen Sphäre, insbesondere durch die Wiederaufnahme von äthiopischen Studenten an universitären Einrichtungen des Moskauer Patriarchats, wie es bis zum Sturz von Kaiser Haile Selassie üblich war. Sowohl dem russischen als auch dem äthiopischen Heiligen Synod sollen in nächster Zukunft Vorschläge zur Einrichtung einer permanenten bilateralen Dialogkommission zwischen dem kirchlichen Moskau und dem kirchlichen Addis Abeba vorgelegt werden.

Die Begegnung der beiden Patriarchen nach der Göttlichen Liturgie zum orthodoxen Termin des Christi Himmelfahrt-Festes war von großer Herzlichkeit gekennzeichnet. Patriarch Kyrill verwies darauf, dass er 1971 – damals noch als Mitglied des Zentralkomitees des Weltkirchenrates – Gelegenheit hatte, anlässlich einer Sítzung des Zentralkomitees Addis Abeba zu besuchen. Die Beziehungen zwischen Russland und Äthiopien hätten tiefe historische Wurzeln, unterstrich der Moskauer Patriarch, heuer werde des 120. Jahrestages der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen gedacht. Die russische Kirche habe immer großes Interesse am Leben der äthiopischen Kirche gehabt, deren Studenten in den 1970er-Jahren gern aufgenommen und sie habe mitgelitten, als die äthiopische Kirche während der “Derg”-Herrschaft zu leiden hatte. Kyrill I. erinnerte aber auch daran, dass die ganze Welt schockiert war, als im April 2015 ein Video auftauchte, auf dem zu sehen war, wie äthiopische christliche Flüchtlingen in Libyen – ähnlich wie kurz zuvor die koptischen Arbeitsmigranten – von Islamisten ermordet wurden.

Furcht vor Atomkrieg

Der Moskauer Patriarch nutzte das Gespräch mit dem äthiopischen Patriarchen, um noch einmal seine Beweggründe für das Treffen mit Papst Franziskus darzulegen. Es wäre naheliegend gewesen, dass die Staaten mit christlicher Tradition gemeinsam gegen eine Gefahr wie den Terrorismus vorgehen, leider hätten sich die Gegensätze zwischen den Großmächten aber vertieft, die Beziehungen zwischen den Staaten mit gemeinsamem christlichen Hintergrund seien bedauerlicherweise “nicht gut”. Vor allem in Syrien seien die USA und Russland in die Feindseligkeiten einbezogen. Er habe das Gefühl gehabt, dass sich ein gefährlicher Augenblick der Geschichte nähere, weil auch ein zufälliger Zusammenstoss der beiden Mächte zu einem Atomkrieg führen könnte, “der die menschliche Zivilisation vernichtet”. Daher habe er Kontakt mit Papst Franziskus aufgenommen. Die auf Kuba unterzeichnete gemeinsame Erklärung sei von großer Bedeutung.

Patriarch Mathias I. betonte seinerseits das große Interesse seiner Kirche an einer Intensivierung des theologischen und akademischen Kontakts mit dem Moskauer Patriarchat. Er erinnerte daran, dass in der Zeit der Kooperation vor dem Sturz des Kaisers viele äthiopische Studenten an Einrichtungen des Moskauer Patriarchats studiert hatten. Nicht wenige von ihnen seien später auch Bischöfe der äthiopischen Kirche geworden. Als seine große Sorge bezeichnete der Patriarch die schwierige Situation der afrikanischen Kirchen, die in verschiedenen Ländern den Attacken von Terroristen ausgesetzt seien, die Gläubige – Christen wie auch Muslime – ermorden und Gotteshäuser niederbrennen. Angesichts der Gefahr des Terrorismus müssten die Christen solidarisch zusammenstehen.