Kyrill I. besuchte Usbekistan im Zeichen des christlich-islamischen Miteinanders

Offizieller Anlass des Pastoralbesuchs war das 145-Jahr-Gedenken der Gründung der russisch-orthodoxen Eparchie Taschkent – Patriarch betonte schon bei seiner Ankunft, er habe sich in Usbekistan immer „zu Hause gefühlt“

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Foto ©: Serge Serebro, Vitebsk Popular News (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Taschkent-Moskau, 04.10.17 (poi) Im Zeichen des Miteinanders von orthodoxen Christen und Muslimen stand der jüngste Pastoralbesuch des Moskauer Patriarchen Kyrill I. in Usbekistan. Offizieller Anlass des Pastoralbesuchs war das 145-Jahr-Gedenken der Gründung der Eparchie Taschkent. Schon bei der Ankunft auf dem Flughafen von Taschkent betonte der Patriarch am 29. September, es sei überaus erfreulich, dass die Beziehungen zwischen dem Islam und der orthodoxen Kirche in Usbekistan „so gut sind“. Diese Beziehungen hätten sich seit seinem letzten Besuch in Taschkent noch „wesentlich verbessert“. Bei der folgenden Begegnung mit Großmufti Usman Alimow und dem Vorsitzenden des Staatskomitees für religiöse Angelegenheiten, Ortiqbek Yusupow, sagte der Patriarch, er habe sich in Usbekistan „immer zu Hause gefühlt“: „Wir waren immer eines Sinnes – und das beruhte auf gemeinsamen Erfahrungen. Wir mussten gemeinsam die harten Jahre des Staatsatheismus durchstehen, auch wenn die Religionsgemeinschaften in Usbekistan milder behandelt wurden als in Russland“.

Nach der Unabhängigkeit Usbekistans habe es zunächst so ausgesehen, als würden die Verbindungen zwischen Taschkent und Moskau schwächer, so der Patriarch. Aber gerade von islamischen Vertretern aus Usbekistan habe er immer wieder gehört, man müsse zusammenstehen. Oft sei ihm gesagt worden: „Wir leben in verschiedenen Ländern, aber wir stehen vor gemeinsamen Herausforderungen“. In der Tradition der guten Zusammenarbeit sei dann auch 1996 der erste Besuch des damaligen Moskauer Patriarchen Aleksij II. im unabhängigen Usbekistan erfolgt. Wörtlich stellte Kyrill I. weiter fest: „Als russisch-orthodoxe Kirche führen wir mit verschiedenen Religionen und christlichen Konfessionen Dialoge, aber für uns orthodoxe Christen in Russland, die Seite an Seite mit einer großen muslimischen Gemeinschaft leben, ist der Dialog mit dem Islam von besonderer Bedeutung“. Vor 20 Jahren habe das Moskauer Patriarchat beispielsweise einen Dialog mit iranischen Theologen begonnen: „Als wir erkannten, dass wir zu vielen Fragen ähnliche Auffassungen vertreten, haben wir eine ständige Kommission der russisch-orthodoxen Kirche und der islamischen Verantwortlichen im Iran errichtet“.

Auch Ortiqbek Yusupow unterstrich bei der Begegnung mit dem Patriarchen die guten interreligiösen Beziehungen in Usbekistan und die Zusammenarbeit zwischen der usbekischen Regierung und der orthodoxen Kirche des Landes mit Metropolit Wikentij (Morar) an der Spitze. Insbesondere würdigte er auch das in Taschkent im Bau befindliche neue orthodoxe Bildungs- und Kulturzentrum mit dem angeschlossenen „Museum des Christentums in Zentralasien“ (Patriarch Kyrill segnete dann am 1. Oktober die Baustelle). Großmufti Alimow hob hervor, dass „heute die Zusammenarbeit aller Religionsgemeinschaften zur Bekämpfung von Extremismus und internationalem Terrorismus überaus notwendig“ sei.

Höhepunkt des Pastoralbesuchs war am Sonntag, 1. Oktober, die Weihe der restaurierten Kathedrale der Entschlafung der Muttergottes in Taschkent. Am selben Tag fand im Turkiston-Palast in der usbekischen Hauptstadt der Festakt zum Jubiläum der russisch-orthodoxen Eparchie Taschkent statt. Dabei begrüßte der Patriarch in besonders herzlicher Weise Tatjana Karimowa, die Witwe des ersten usbekischen Staatspräsidenten. In der Grußadresse von dessen Nachfolger Schawkat Mirzijojew hieß es u.a. wörtlich: „Die Geschichte der russisch-orthodoxen Kirche auf dem Territorium Usbekistans hat tiefe Wurzeln. Wir schätzen überaus ihre Rolle bei der Stärkung der interethnischen und staatsbürgerlichen Einigkeit in unserem Land wie auch bei der Förderung der Freundschaft und des gegenseitigen Verständnisses zwischen Menschen verschiedener Religionszugehörigkeit“. Die religiöse Toleranz sei ein „integraler Teil der usbekischen Mentalität“. Seit der Unabhängigkeit sei für die Religionsgemeinschaften eine günstige Umgebung in der Gesellschaft geschaffen worden, die es den orthodoxen Christen – „als der zweitgrößten Religionsgemeinschaft Usbekistans“ – erlaube, ein volles Leben zu führen. Viele orthodoxe Kirchen seien restauriert oder neugebaut worden. In Übereinstimmung mit der Entwicklungsstrategie Usbekistans für die Jahre 2017 bis 2021 seien weitere Maßnahmen vorgesehen, um die Prinzipien der Toleranz, des gegenseitigen Respekts und der Bewahrung der Rechte der Gläubigen zu fördern. In einer zunehmend von Konflikten und Konfrontationen geprägten Welt sei es von besonderer Bedeutung, die Einheit eines multiethnischen und multireligiösen Landes wie Usbekistan zu sichern und die Jugend zur Respektierung der universalen menschlichen Werte, zum spirituellen Wachstum und zur Stärkung der Institution Familie zu erziehen.

Patriarch Kyrill wog auf allen Stationen seines Besuchs die Worte seiner Botschaften im Hinblick auf gemeinsame Geschichte und neue Probleme sorgfältig ab. So sagte er vor Journalisten auf dem Flughafen, er habe viel über die großen Veränderungen Usbekistans gehört. Jetzt wolle er mit eigenen Augen sehen, was „die Menschen dieses Landes erreicht haben“. Er habe das Gefühl, dass die Bewohner Russlands und Usbekistans „viel gemeinsam haben“: „Wir haben gegen einen gemeinsamen Feind gekämpft, unsere Großväter starben bei der Verteidigung gegen den schrecklichen Feind Faschismus“. Auch wenn man jetzt in verschiedenen Ländern lebe, seien die Beziehungen stark geblieben. Die Tatsache, dass früher so viele Russen zum Aufbau von Industrie und Infrastruktur nach Usbekistan gekommen seien und jetzt so viele Bürger Usbekistans in Russland arbeiten, sei ein „Unterpfand guter Beziehungen auch in der Zukunft“.

In Buchara hob der Patriarch am 2. Oktober bei einer Begegnung mit den orthodoxen Gläubigen vor der im Jahr 1875 errichteten Michaelskirche die besondere Situation der Christen in dieser durch ihre „Madrasa“ (theologische Lehranstalt) in der ganzen islamischen Welt berühmten Stadt hervor: „Ihr lebt inmitten einer islamischen Majorität. Es ist sehr wichtig, dass unsere Beziehungen mit den Menschen muslimischen Glaubens immer gut und friedlich sind. Wie kann man den Frieden unter den Menschen festigen? Am besten dadurch, dass man niemanden verletzt. Gute Beziehungen zwischen den Gläubigen der beiden verschiedenen Religionen, Christentum und Islam, sind eine bestimmende Garantie des Allgemeinwohls“. Gerade in Buchara plädierte Kyrill I. aber auch für eine Vertiefung der christlichen Glaubenspraxis: „Es genügt nicht, zu sagen, wenn du Russe bist, solltest du orthodox sein. Viele, die sich als Orthodoxe bezeichnen, sehen Kirchen nur selten von innen und der Glaube ist für sie an der Peripherie ihrer Gedankenwelt angesiedelt. Wir sollten aktiv in unserem Bekenntnis des Glaubens sein, das drückt sich in der Mitfeier der Liturgie und im täglichen Gebet aus. Religiosität muss lebendig sein“.

In bemerkenswerter Weise folgte der Patriarch auch dem Brauch der orthodoxen Christen in Usbekistan, die islamischen Heiligtümer alttestamentlicher Propheten zu besuchen und dort zu beten. So besuchte er am 30. September das Mausoleum in Samarkand, wo Reliquien des Propheten Daniel von Christen und Muslimen verehrt werden. Am 2. Oktober begann er seinen Besuch in Buchara an der Quelle des Propheten Job (Hiob). Nach der örtlichen Legende kam Hiob während einer Dürreperiode nach Buchara, als die ganze Stadt unter Wassermangel litt; er habe mit seinem Wanderstab eine heilende Quelle erschlossen. Im Mausoleum über dieser Quelle versammeln sich regelmäßig auch orthodoxe Christen, um einen „Hymnos akathistos“ zu Ehren des heiligen Propheten und Dulders zu rezitieren.

Die Zahl der russisch-orthodoxen Gläubigen in Usbekistan wird auf zwei Millionen geschätzt. Es gibt Klöster für Mönche und Nonnen, zwei Kirchenzeitungen und ein Priesterseminar, in dem auch Priesterkandidaten aus anderen zentralasiatischen Ländern studieren.