Libanon: Religionsführer in Sorge um die nationale Einheit

Treffen der führenden christlichen, muslimischen und drusischen Geistlichen im „Drusischen Haus“ in Beirut – Aufsehenerregendes Interview von Kardinal-Patriarch Rai: „Libanesische Identität ist bedroht“

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Foto: © Yoniw (Quelle: Wikipedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Beirut, 02.08.19 (poi) Die nationale Einheit des Libanon sei die Garantie für eine bessere Zukunft des Landes, weshalb das friedliche Zusammenleben der konfessionellen und ethnischen Gruppierungen vor jeder Bedrohung durch „sektiererische Impulse oder konfessionelle Konflikte“ geschützt werden müsse,  heißt es in der Schlusserklärung eines interreligiösen Treffens, das am 30. Juli in Beirut im „Drusischen Haus“ abgehalten wurde. Führende christliche, muslimische und drusische Geistliche nahmen an der Konferenz teil und appellierten in ihrem abschließenden Kommunique angesichts der politischen Pattsituation an Ministerpräsident Saad Hariri und sein Team, sich um eine baldige Überwindung der Krise zu bemühen. Der Libanon brauche Stabilität, um die ernsthafte wirtschaftliche und soziale Notlage zu überwinden.

Der drusische Scheich Naim Hassan forderte Präsident Michel Aoun auf, alle Bedrohungen zu entschärfen, die die Grundsätze des nationalen Zusammenlebens gefährden. Man müsse sich am Abkommen von Taiz orientieren, mit dem 1989 die Grundlagen für die Beendigung des libanesischen Bürgerkriegs geschaffen wurden. Dieselben Empfehlungen wurden mit unterschiedlichen Akzenten auch vom maronitischen Patriarchen, Kardinal Bechara Boutros Rai, und dem sunnitischen Mufti, Scheich Abd-el-Latif Derian, ausgesprochen.

Im Libanon wird das Treffen der führenden Geistlichen auch mit dem Wiederaufleben der Spannungen zwischen maronitischen und drusischen Gruppierungen in der Provinz Mont Liban in Zusammenhang gebracht.

Der maronitische Patriarch hat am Freitag in einem aufsehenerregenden Interview mit dem Beiruter „Daily Star“ davon gesprochen, dass die libanesische Identität durch die politische Pattsituation und die Verschlechterung der sozio-ökonomischen Bedingungen akut bedroht sei. Viele Libanesen – „vor allem Christen“ – fühlten sich gedrängt, das Land zu verlassen.