Maronitischer Kardinal-Patriarch nahm Laienvertreter zum Ad-limina-Besuch mit

Papstlob für die Erhaltung des „kreativen Gleichgewichts“ zwischen Christen und Muslimen im Libanon und für die Grozügigkeit gegenüber den Flüchtlingen – Auch Präfekt der Ostkirchenkongregation, Kardinal Sandri, kam bei seinem jüngsten Libanon-Besuch zu einem ähnlichen Urteil

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Foto: © Piotr Rymuza (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution 3.0 Unported)

Vatikanstadt-Beirut, 21.11.18 (poi) Eine neue Form des Ad-limina-Besuchs hat der maronitische Kardinal-Patriarch Bechara Boutros Rai in die Praxis umgesetzt: Beim vorgeschriebenen Besuch, den die Hierarchen alle fünf Jahre an den Apostelgräbern in Rom („ad limina“) zu absolvieren haben, nahm der Patriarch von Antiochien nicht nur 36 maronitische Bischöfe mit, sondern auch das Leitungsgremium der „Maronitischen Stiftung“. Papst Franziskus sagte bei der Schlussaudienz für die umfangreiche maronitische Delegation am Dienstag, es sei „eine gute Idee“, dass sich der Patriarch beim Ad-limina-Besuch auch von den Laien begleiten lasse: „Dann erfahren wir noch genauer, welche Probleme die Gemeinschaften haben“. Humorvoll meinte er, man habe ihm gesagt, er werde rund 40 Personen zu begrüßen haben, aber jetzt seien es viel mehr geworden: „Es ist wie bei der wunderbaren Brotvermehrung. Danke, dass ihr gekommen seid“.

Papst Franziskus nützte die Gelegenheit, um für alles zu danken, was im Libanon an Positivem geschieht. Das sei zum einen das Bemühen um die Erhaltung des „kreativen Gleichgewichts“ zwischen Christen und Muslimen, ein „patriotisches und brüderliches“ Gleichgewicht, das stark sei „wie die Zedern“. Zum anderen sei die Großzügigkeit und Aufnahmebereitschaft der Libanesen gegenüber den Flüchtlingen hervorzuheben. „Grazie, grazie tante“, rief der Papst aus.

Die von Papst Franziskus benannten Aspekte stellte auch der Präfekt der vatikanischen Ostkirchenkongregation, Kardinal Leonardo Sandri, am Montag in einem Interview mit ACI-Stampa im Hinblick auf seine jüngste Libanon-Reise aus Anlass des 50-Jahr-Jubiläums der Vereinigung der Hilfswerke für die katholischen Ostkirchen („Riunione Opere Aiuto Chiese Orientali“/ROACO) in den Vordergrund. Der Libanon sei nicht nur ein Staat, sondern verkörpere auch eine „Botschaft des Miteinanders“.

Besonders beeindruckt zeigte sich Kardinal Sandri – der dieser Tage seinen 75. Geburtstag begehen konnte – von einem Besuch im Haus der Jesuiten in Tanayel an der Grenze zu Syrien, wo eine Konferenz über die Zukunft Syriens stattfand, an der Bischöfe aus Syrien und der Apostolische Nuntius in Damaskus, Kardinal Mario Zenari, teilnahmen. Die Jesuiten-Residenz in Tanayel erinnert an das Martyrium von drei Jesuiten in der Zeit der osmanischen Herrschaft; heute gibt es dort drei Schulen mit 1.500 Schülerinnen und Schülern (darunter vielen jungen Muslimen) und ein spirituelles Zentrum, das Exerzitien und Einkehrtage anbietet. Kardinal Sandri forderte bei der Konferenz in Tanayel eine „Phase 2“ für die katholische Kirche in Syrien. In der „Phase 1“ seien die syrischen Bischöfe in alle Welt gereist, um auf die dramatische Situation in ihrer Heimat aufmerksam zu machen, jetzt gebe es wieder mehr Stabilität in Syrien, daher sollten sich jetzt Kirchenvertreter aus aller Welt an Ort und Stelle ein Bild der Lage und der Bedürfnisse machen. Der Kardinal plädierte für „Transparenz“ bei der Verteilung materieller Hilfe und der Verwaltung des kirchlichen Eigentums, aber auch für die Beteiligung der Kirchen an der Erarbeitung einer neuen Verfassung für Syrien. Eine solche Verfassung müsse die Religionsfreiheit, die „gesunde Laizität“ und die volle staatsbürgerliche Gleichberechtigung aller Bewohner des Landes garantieren. Kardinal Zenari hob in Tanayel die Gefahr der „Armutsbombe“ in Syrien hervor. Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung müssten derzeit unter der Armutsgrenze leben.

In Bkerke – dem Sitz des maronitischen Patriarchen – traf Kardinal Sandri mit der Vollversammlung der katholischen Patriarchen und Bischöfe des Libanon zusammen (an dieser Vollversammlung nehmen auch die Generaloberen der Männer- und Frauenorden des Zedernlandes teil). Dabei wurde auch die Sorge um die rund 200.000 katholischen Arbeitsmigranten im Libanon besprochen, die vor allem von den Philippinen, aus Ceylon und Äthiopien kommen. Beeindruckt war Sandri auch von der Tätigkeit der libanesischen Caritas, die im Libanon über rund 2.000 freiwillige Helferinnen und Helfer verfügt, unter ihnen viele Jugendliche.

Am 15. November wurde Kardinal Sandri mit der ROACO-Delegation vom libanesischen Staatspräsidenten, General Michel Aoun, empfangen. Sandri unterstrich dabei, dass der Libanon mit großem Respekt, aber auch Sorge betrachtet werde, in der Hoffnung, dass das libanesische Modell des Zusammenlebens, des Pluralismus, der Religionsfreiheit auch für andere Staaten der Region Vorbild sein möge. Aoun unterstrich seinerseits, dass die Libanesen trotz der Schwierigkeiten im politischen Dialog durch den Patriotismus geeint seien. Es sei notwendig, die Präsenz der Christen im Nahen Osten zu betonen. In diesem Sinn habe er Papst Franziskus das Projekt einer im Libanon zu errichtenden „Akademie für Begegnung und Dialog“ unter der Ägide der Vereinten Nationen unterbreitet. Wie Aoun sagte, bestehe die Hoffnung, dass der Heilige Stuhl als erster dieser neuen Institution beitreten werde.

An der Heiligengeist-Universität in Kaslik nahm Kardinal Sandri an einem gemeinsam mit dem „Middle East Council of Churches“ organisierten „Runden Tisch“ über die Zukunft des Libanon und Syriens teil. Dabei wurde betont, dass die syrische Tragödie auch im Kontext der kriegerischen Auseinandersetzungen im Irak, im Heiligen Land und im Jemen gesehen werden müssen. Auf keinen Fall dürfe der Libanon mit dem Flüchtlingsproblem alleingelassen werden. Zur Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Libanon und Syrien wurde eine Vermittlungsmission des Heiligen Stuhls und der Arabischen Liga eingemahnt. Ebenfalls im Raum stand die Idee eines „Marshall-Plans für den Nahen Osten“, der aber an die Entwicklung einer Zukunftsvision für Syrien gebunden sei.