
Rom-Moskau, 23.10.18 (poi) „Patriarch Bartholomaios hat das Schisma gewählt. Er hatte die Wahl, das Koordinationszentrum aller orthodoxen Kirchen oder im Schisma zu sein“: Dies betonte der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion (Alfejew), im Gespräch mit der italienischen katholischen Nachrichtenagentur SIR. Das habe auch schwerwiegende Auswirkungen auf den ökumenischen Dialog. Das Moskauer Patriarchat werde sich an keinen Gremien beteiligen, in denen das Patriarchat von Konstantinopel den Vorsitz oder den stellvertretenden Vorsitz führt, ein Hinweis auf die internationale Kommission für den offiziellen theologischen Dialog zwischen katholischer und orthodoxer Kirche; der Koordinierungsausschuss dieser Kommission soll demnächst im piemontesischen Kloster Bose zusammentreten.
Wörtlich sagte der Moskauer Metropolit in dem Interview mit SIR: „In Übereinstimmung mit dem Kirchenrecht muss man sagen, dass Bischöfe, die schismatische Gruppen anerkennen, selbst schismatisch werden“. Nach Auffassung Moskaus befinde sich Bartholomaios I. nach der Anerkennung der schismatischen Gruppierungen in der Ukraine daher selbst im Schisma. In der Praxis bedeute das, dass es keine eucharistische Konzelebration von Moskauer und konstantinopolitanischen Priestern geben könne und dass die russisch-orthodoxen Gläubigen in Kirchen des Patriarchats von Konstantinopel nicht die Heilige Kommunion empfangen können. Weil nach Moskauer Auffassung der Ökumenische Patriarch im Schisma sei, habe man auch seinen Namen aus der offiziellen Ehrenliste (Diptychon) entfernt. In den russisch-orthodoxen Gottesdiensten werde daher nicht mehr für den Patriarchen von Konstantinopel gebetet, die Fürbittliste beginne mit dem Patriarchen von Alexandrien.
Metropolit Hilarion betonte in dem Interview aber, dass der Vorgang „reversibel“ und eine Rückkehr zur Normalität möglich sei, wenn der Patriarch von Konstantinopel seine Entscheidungen im Hinblick auf die Ukraine widerrufe „und sich der Familie der orthodoxen Kirchen wieder anschließt“. Der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats stellte fest, dass die russisch-orthodoxe Kirche ebenso wie das Patriarchat von Antiochien für die Abhaltung einer panorthodoxen Versammlung zur Lösung der Ukraine-Frage plädiere. Leider sei Konstantinopel damit nicht einverstanden, weil man der Auffassung sei, dass die Zuerkennung der Autokephalie in der Kompetenz des Ökumenischen Patriarchats liege. Moskau sei anderer Auffassung. Auch bei der Autokephalie-Erklärung Moskaus habe es sich nicht um eine einseitige Entscheidung Konstantinopels gehandelt, sondern um eine panorthodoxe Entscheidung der damals bestehenden vier orthodoxen Patriarchate – Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem. In den 1990er Jahren seien die orthodoxen Kirchen übereingekommen, dass die Zuerkennung der Autokephalie in Zukunft auf panorthodoxem Konsens beruhen müsse. Jetzt habe Konstantinopel erklärt, dass diese Übereinkunft nicht existiere und dass sie nicht gültig sei.
Im Hinblick auf die Frage, warum die russische Kirche die Chance des Konzils von Kreta 2016 versäumt habe, um die Autokephalie-Frage zur Sprache zu bringen, antwortete Metropolit Hilarion, dass sich mehrere Kirchen von diesem Konzil zurückgezogen oder eine Verschiebung verlangt hätten. Auch Moskau habe diese Verschiebung verlangt, aber Konstantinopel sei nicht bereit gewesen, darauf einzugehen. Die ursprünglich im Programm des Konzils vorgesehene Frage der Autokephalie sei dann auch gar nicht behandelt worden.
Die Anfang der 1990er Jahre entstandene Spaltung der Orthodoxie in der Ukraine ist nach Ansicht von Metropolit Hilarion in eine gesellschaftliche Spaltung umgewandelt worden. Es gebe Leute, die nur ukrainisch sprechen wollen „und Millionen, die russisch sprechen wollen, aber die Behörden geben diesen Menschen und ihren Kindern nicht die Möglichkeit, das zu tun“. Es gehe nicht nur um eine Sprachenfrage, sondern um eine Frage der Identität.
Patriarch Kyrill I. sei zutiefst besorgt über die Situation, unterstrich der Metropolit in dem SIR-Interview. Der Patriarch habe persönlich viel getan, um die heutige Situation zu vermeiden. Er sei viele Jahre Leiter des kirchlichen Außenamts gewesen, er sei viele Male mit Patriarch Bartholomaios und mit ökumenischen Repräsentanten zusammengetroffen und wisse am besten, wie wichtig die orthodoxe Einheit sei. Bis Ende August sei Patriarch Kyrill persönlich bei der Suche nach einer Lösung des Ukraine-Problems involviert gewesen. Aber bei der Begegnung im Phanar am 31. August sei dann klar geworden, dass Patriarch Bartholomaios nicht mehr die Absicht hatte, den Dialog fortzusetzen. Hilarion: „Er hatte seine Gründe, seine Ideen und wollte nicht zuhören“. Patriarch Bartholomaios sei offensichtlich überzeugt gewesen, dass die anderen seine Entscheidungen akzeptieren müssten: „Aber das ist nicht so gewesen, wie wir gesehen haben“.
„Eine Farce“
In einem Interview mit der griechischen Website „Romfea“ übte Metropolit Hilarion am Montag scharfe Kritik an der am Samstag erfolgten Neubenennung des „Kiewer Patriarchats“. Wörtlich sagte Hilarion: „Diese ganze Farce zeigt nur zu deutlich, dass die – damals von allen orthodoxen Kirchen einschließlich Konstantinopels anerkannte – Moskauer Entscheidung von 1997, Filaret zu exkommunizieren, richtig war. Filaret kann sich so viel Titel zulegen wie er will, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er nie Patriarch war und es nicht ist“. Der Heilige Synod des „Kiewer Patriarchats“ hatte Filaret am Samstag den Titel „Seine Heiligkeit Filaret, Erzbischof und Metropolit von Kiew, der Mutter der russischen Länder, heiliger Archimandrit des Kiewer Höhlenklosters und der Lawra von Potschajew“ verliehen.
Die Unterstützung Konstantinopels für Filaret sei noch „überraschender“ als dessen neue Titel, so Metropolit Hilarion. Man müsse die Frage stellen, ob die Ratgeber von Patriarch Bartholomaios, die ihm die Verteidigung „dieser abscheulichen Gestalt“ empfahlen, dies bis zu Ende durchdacht hätten. Im Hinblick auf den neuen Archimandritentitel Filarets für die beiden wichtigsten ukrainischen Klöster äußerte Hilarion die Befürchtung, dass Filaret diese Heiligtümer übernehmen wolle und „nationalistische Gruppen“ bereit seien, mit dem Segen des „Patriarchen“ dies zu tun. Es sei die Frage, ob dem Appell des Heiligen Synods von Konstantinopel, jede Inbesitznahme von Kirchen und Klöstern zu vermeiden, und den entsprechenden Versicherungen von Präsident Petro Poroschenko zu trauen sei.