Moskauer Patriarch und anglikanischer Erzbischof legen Zeugnis ab für die Verfolgten im Nahen Osten

Gemeinsame Erklärung von Kyrill I. und Erzbischof Justin Welby – Forderung nach „großzügiger humanitärer Hilfe sowohl für die Leidenden im Nahen Osten als auch für die vielen Flüchtlinge in Europa und in Amerika“

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Foto ©: mospat.ru

Moskau, 22.11.17 (poi) „Vor aller Welt legen wir gemeinsam Zeugnis ab für unsere Brüder und Schwestern, die wegen ihres Glaubens an Christus verfolgt werden“: Mit diesen Worten beginnt die gemeinsame Erklärung des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. und des anglikanischen Erzbischofs von Canterbury, Justin Welby, die am Dienstagabend in Moskau unterzeichnet wurde. „Wir können nicht gleichgültig bleiben“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. In vielen Ländern des Nahen Ostens und Afrika gebe es eine Christenverfolgung, die sich in Massentötungen, der barbarischen Zerstörung von Kirchen, der Schändung Heiliger Stätten und der Vertreibung unzähliger Menschen manifestiere. Die beiden Kirchenoberhäupter betonten, sie seien schmerzerfüllt, wenn sie an den Exodus der Christen aus jenen Gebieten denken müssten, von wo aus sich das Evangelium in alle Welt verbreitet hätte. Die kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten hätten bisher zehntausende Menschenleben gekostet und Millionen heimatlos gemacht. Die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der christlichen Präsenz im Nahen Osten verlange Sicherheitsgarantien, die Wiederherstellung der sozialen Infrastruktur und die Schaffung eines Umfelds, in dem das Evangelium gepredigt werden kann und zerstörte Kirchen wiederaufgebaut werden können. Patriarch Kyrill und Erzbischof Justin appellieren an die internationale Gemeinschaft, den Christen und allen Menschen im Nahen Osten rasch Hilfe zu leisten. Großzügige humanitäre Hilfe sei sowohl für die Leidenden im Nahen Osten als auch für die vielen Flüchtlinge in Europa und Amerika notwendig.

In den kommenden Jahren werde der Wiederaufbau in Syrien und im Irak eine primäre Aufgabe für die Zusammenarbeit der christlichen Kirchen sein, betonen die beiden Kirchenoberhäupter. Zugleich dürfe nicht vergessen werden, dass es präventiver Maßnahmen gegen die – „wie eine Epidemie“ – vor sich gehende Ausbreitung extremistischer Ideologien gehe. Die religiösen und politischen Führungspersönlichkeiten der Welt müssten ihre Anstrengungen vereinen, um eine effektive Antwort auf den Extremismus zu geben. Der interreligiöse Dialog sei ein wichtiger Aspekt dieser Zusammenarbeit. Unterschiede in der Lehre dürften nicht als Hindernis für das Zusammenleben von Religionsgemeinschaften in “Frieden und Harmonie“ betrachtet werden.

Sorge über „Atheisierung“ im Westen

Im Gespräch mit dem anglikanischen Primas hatte Patriarch Kyrill seine Sorge über die „Zunahme des Atheismus“ im Westen zum Ausdruck gebracht. Die Entwicklungen – „rasche Atheisierung, der Ausschluss Gottes aus dem menschlichen Leben, die Verachtung für das Göttliche und das moralische Gesetz“ – seien furchterregender als in der einstigen Sowjetunion. In der Sowjetunion sei die Einpflanzung des Atheismus die Konsequenz einer Ideologie gewesen, „aber Ideologien leben nicht lang, sobald sie weg sind, lässt auch die Atheisierung nach“. Große Sorgen bereite ihm die Festschreibung der „Vernachlässigung moralischer Werte“ in der Gesetzgebung westlicher Nationen, sagte der Patriarch.

Kyrill I.brachte im Gespräch mit dem Oberhaupt der Anglican Communion auch seine Sorge über die Verletzung der Rechte der orthodoxen Gläubigen des Moskauer Patriarchats in der Ukraine zum Ausdruck. „Nehmen Sie mich beim Wort, es gibt schwere Verletzungen der Religionsfreiheit in der Ukraine“, sagte der Moskauer Patriarch wörtlich. Die Versuche, der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats Gotteshäuser zu entziehen, arteten oft in „Akte physischer Gewalt“ gegen patriarchatstreue Gläubige aus. Außerdem gebe es immer wieder Versuche, im ukrainischen Parlament Gesetze zur Diskriminierung der Gläubigen des Moskauer Patriarchats durchzubringen.