Mosul: Erstmals feierte wieder ein Bischof die Gottesdienste der Kar- und Ostertage

Vom Altar mit der sterblichen Hülle seines von Islamisten ermordeten Vorvorgängers aus appellierte Erzbischof Najeeb Moussa an die Regierenden in Bagdad: „Wir Christen sind vollberechtigte Bürger, wie alle anderen“

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Foto: © Sgt. Michael Bracken/PD-USGOV-MILITARY-ARMY (Quelle: Wikimedia; Lizenz: public domain)

Bagdad, 20.04.19 (poi) Zum ersten Mal seit fünf Jahren feiert in der Tigris-Metropole Mosul wieder ein Bischof die Gottesdienste der Heiligen Tage der Karwoche und von Ostern. Der neue chaldäisch-katholische Erzbischof Michael Najeeb Moussa appellierte am Gründonnerstag und Karfreitag an die „kleine Herde“ der in die Stadt zurückgekehrten Christen, „Brücken der Geschwisterlichkeit zu bauen, Mauern niederzureißen und Hoffnung zu säen“. Der Erzbischof zelebrierte in der Paulskirche, an jenem Altar, wo die sterbliche Hülle seines von Islamisten ermordeten Vorvorgängers Paulos Faraj Rahho (1942-2008) ruht. Die Ermordung dieses Bischofs im Jahr 2008 – fünf Jahre nach dem Einmarsch der US-Amerikaner und ihrer Alliierten im Irak – galt bereits als Fanal für das Schicksal der christlichen Gemeinschaft in Mosul, die auf apostolische Zeit, auf das 1. Jahrhundert, zurückgeht.

In seiner Predigt sagte Erzbischof Najeeb Moussa, wie die italienische katholische Nachrichtenagentur SIR berichtet: „Habt keine Angst, habt den Mut, Christen zu sein. Unsere Aufgabe ist es, Zeugnis für Christus abzulegen. Das ist die Botschaft, die wir unseren Brüdern und Schwestern vermitteln wollen, die anderen Glaubensgemeinschaften angehören – und der ganzen irakischen Bevölkerung“. Der Erzbischof fügte aber auch eine politische Botschaft an: „Ohne Gerechtigkeit gibt es keine Zukunft für die Christen im Irak“. Gerechtigkeit bedeute, die Rechte aller Bürger zu garantieren, unabhängig von Religionsbekenntnis oder ethnischer Zugehörigkeit, appellierte Najeeb Moussa an die Regierenden in Bagdad: „Wir Christen sind vollberechtigte Bürger, wie alle anderen“.

Im Juni 2014 hatten die IS-Terroristen Mosul erobert – ohne einen Schuss abzugeben. Die Christen wurden vertrieben. Am 29. Juni 2014 proklamierte der selbsternannte „Führer“ der Terroristen, Abubakr al-Baghdadi, in der Al-Nur-Moschee von Mosul sein herbeiphantasiertes „Kalifat“. Es folgte die Vertreibung der Christen aus der Ninive-Ebene, unter ihnen auch der Dominikanerpater Michael Najeeb Moussa, dem die Rettung von1.300 kostbaren frühchristlichen Manuskripten und die Gründung des „Oriental Manuskript Digital Center“ zu verdanken ist.

Die von den IS-Terroristen geschändeten Kirchen in Mosul kehren langsam wieder zu ihrer ursprünglichen Bestimmung zurück. Derzeit ist die Paulskirche der einzige Ort, wo die chaldäisch-katholische Messfeier stattfinden kann. „Hier feiern wir Ostern, als Beweis dafür, dass das Licht in unserer Alltagsrealität die Finsternis überwindet“, sagte Erzbischof Najeeb Moussa im Gespräch mit SIR.

Er hoffe, dass das Osterfest in der Paulskirche in Mosul ein „Zeichen der Auferstehung und der Wiedergeburt“ wird, so der Erzbischof. Aber die Situation bleibe schwierig. Viele vertriebene oder geflohene Christen seien noch nicht in ihre Heimstätten zurückgekehrt, auch in der Ninive-Ebene erst an die 50 Prozent. In Mosul sei die Situation noch heikler, auch weil es noch IS-Zellen gebe. Viele christliche Familien hätten aber den Wunsch zur Rückkehr, „mein Osterwunsch ist mit ihnen“.

Auch wenn jetzt nur eine „kleine Herde“ in der Paulskirche versammelt sei, „ist das ein Zeichen der Wiedergeburt“, so der Erzbischof: „Es geht nicht um Zahlen, sondern um die Stärke des Glaubens“. Entscheidend sei es, den christlichen Glauben mit Entschiedenheit zu leben, „diesen Glauben, den wir nie aufgegeben haben, trotz aller Gewalt, Verfolgung und Unrecht der IS-Terroristen“. Die Auferstehung Jesu sei eine Einladung zum Mut des Zeugnisses für das Evangelium. Erzbischof Najeeb Moussa: „Wir müssen unseren irakischen Brüdern und Schwestern zeigen, dass wir Menschen der Freude, der Hoffnung, der Nächstenliebe sind“.

Emigranten kehren zurück

Viele christliche Familien aus der Diaspora sind in den letzten Tage in die Ninive-Ebene zurückgekehrt, um die Drei Heiligen Tage und das Osterfest in der alten Heimat feiern zu können. Dies berichtete der chaldäische Priester Paul Thabit Mekko aus Karamles im Gespräch mit der katholischen Nachrichtenagentur „AsiaNews“. Nach seinen Angaben geht der Prozess des Wiederaufbaus in vielen Kleinstädten der Ninive-Ebene wie Baghdida (Qaraqosh), Bartella, Karamles usw. langsam, aber stetig voran, auch wenn die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sehr groß seien. Von 14.000 Wohnhäusern seien bisher rund 6.500 restauriert oder neugebaut worden.

Heuer sei es zum dritten Mal seit der Befreiung der Ninive-Ebene aus dem Zugriff der Islamisten möglich gewesen, die Kar- und Ostertage zu feiern, sagte Thabit Mekko. 2017 habe das fast nur symbolischen Charakter gehabt, 2018 seien die von den Islamisten beschädigten Kirchen noch nicht betretbar gewesen, aber heuer könne man in den Gotteshäusern wieder „das Klima, die Atmosphäre und Beteiligung von früher“ (vor dem Einfall der IS-Terroristen) atmen. Am Palmsonntag habe es an vielen Orten in der Ebene wieder eindrucksvolle Palmprozessionen gegeben, vor allem in Baghdida. Auch in Karamles sei die Beteiligung groß gewesen, nicht zuletzt, weil der neue Erzbischof von Mosul, Michael Najeeb Moussa, die Gottesdienste leitete, „der den Menschen Glaube und Hoffnung zusprach“.

Es sei beeindruckend gewesen, dass „so viele von unseren Leuten“ aus Europa, Nordamerika und Ozeanien gekommen seien, um die Heilige Woche in der Ninive-Ebene mitzufeiern, betonte der Priester. Zum Beispiel sei ein Mann aus Karamles, der seit vielen Jahren in Kanada lebt, eigens zurückgekommen, um seine Tochter im Heiligtum der Heiligen Barbara taufen zu lassen. Die Absicht vieler Leute sei es, die Kinder die Wurzeln der Familien in der christlichen Tradition der Ninive-Ebene entdecken zu lassen. Die Menschen hätten sich auch durch das außerordentliche Schlechtwetter mit dramatischen Regenfällen nicht abhalten lassen.

Am Palmsonntag sei zum Beispiel die alte Tradition wieder aufgenommen worden, in den Feldern gesegnete Olivenzweige einzupflanzen. Das sei ein Zeichen der „Verbundenheit mit diesem Landstrich“ und der Entschlossenheit, hier zu bleiben, sagte Thabit Mekko. Zweifellos gebe es nach wie vor viele Probleme, auch in der Landwirtschaft, die ökonomische Situation sei generell schwach, es mangle an Arbeitsplätzen. „Wir brauchen Beschäftigung, Vertrauen, vor allem aber Sicherheit. In letzter Zeit ist die Situation tatsächlich ruhig. Wir müssen aufhören, zurückzuschauen, auf die Missetaten des IS und auf unsere Situation als Vertriebene. Wir müssen hier, in diesem Land, unsere Zukunft bauen und denen, die fortgegangen sind, zur Heimkehr verhelfen“, sagte der chaldäische Priester.