Mosul hat wieder chaldäisch-katholischen Erzbischof

P. Michael Najeeb Moussa, der Retter der frühchristlichen Manuskripte Mesopotomaniens, wird die Kirche in der Tigris-Metropole wieder aufbauen

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Foto: © Sgt. Michael Bracken/PD-USGOV-MILITARY-ARMY (Quelle: Wikimedia; Lizenz: public domain)

Bagdad-Vatikanstadt, 22.12.18 (poi) Mosul hat wieder einen chaldäisch-katholischen Erzbischof: Die chaldäische Synode wählte den 63-jährigen Dominikanerpater Michael Najeeb Moussa zum neuen Oberhaupt der chaldäischen Christen in der vom islamistischen Terror schwer mitgenommenen Tigris-Metropole, deren christliche Geschichte in das 1. Jahrhundert zurückreicht. Papst Franziskus hat die Wahl bestätigt. Heuer wird es erstmals wieder eine Weihnachtsmesse in der Tigris-Metropole geben. Der erzbischöfliche Sitz von Mosul war seit 2015 vakant, nachdem der damalige Erzbischof Emil Shimoun Nona zum Oberhaupt der chaldäischen Katholiken in Australien ernannt worden war. In Australien gibt es eine große chaldäische Diasporagemeinde, Erzbischof Nona war in Mosul Nachfolger des Märtyrer-Bischofs Paulos Faraj Rahho, der von Islamisten ermordet wurde. Najib Michael Moussa wurde als der Retter der christlichen Manuskripte des mesopotamischen Raums weltbekannt, die für die ganze Christenheit von größter Bedeutung sind.

Michael Najeeb Moussa ist Jahrgang 1955, nach längerer Tätigkeit in der Ölindustrie trat er 1981 in Frankreich in den Dominikanerorden ein. 1987 wurde er von dem algerischen Märtyrer-Bischof Pierre Claverie (der vor kurzem selig gesprochen wurde) zum Priester geweiht. Als die IS-Terroristen 2014 Mosul überfielen und Armee und Polizei ihr Heil in der Flucht suchten, sorgte er für die Evakuierung der kostbaren christlichen Manuskripte. Seine Erfahrungen schilderte der Dominikaner in dem 2017 auf französisch erschienenen Buch „Sauvez les livres et les hommes“ (Rettet die Bücher und die Menschen).

Zur Bewahrung des christlichen Erbes im Orient gründete der Dominikaner im Irak ein eigenes Zentrum, das antike Manuskripte und sonstige Dokumente digitalisiert und so für die Nachwelt erhält. „Ohne diese unsere Wurzeln haben wir Christen keine Zukunft in unserer Heimat“, sagte der Pater in einem Interview mit der österreichischen katholischen Nachrichtenagentur „Kathpress“. P. Michael Najeeb Moussa gründete das „Centre Numerique et de Recherches sur les Manuscrits Orientaux“. Mehr als 8.000 Manuskripte konnte sein Team digitalisieren, viele davon mehr als 1.000 Jahre alt und bereits in einem sehr schlechten Zustand. Deshalb habe sich sein Institut auch der Restaurierung solcher Dokumente angenommen, so der Ordensmann. Mehr als 40.000 Manuskripte wurden zudem archiviert. Viele davon würden freilich noch auf ihre Digitalisierung warten. Das Zentrum beschränkt sich dabei nicht nur auf christliche Schriften. Genauso würden auch islamische, jesidische oder mandäische Handschriften in das Projekt aufgenommen.

Das Handschriftenzentrum der Dominikaner befand sich zuerst in Mosul, wurde dann aber aus Sicherheitsgründen nach Qaraqosh (Baghdida) verlegt und mit dem Vormarsch des IS 2014 dann weiter nach Erbil. Den Dominikanern gelang es dabei nicht nur, zahlreichen christlichen Familien bei der Flucht zu helfen, sondern auch tausende kostbare christliche Handschriften zu retten. Zum Erfolg der Rettungsaktion trug bei, dass P. Michael Najeeb im Sommer 2014 schon zehn Tage vor dem Ansturm der IS-Terroristen damit begann, aus den Gotteshäusern der Kleinstädte der Ninive-Ebene die kostbaren Manuskripte und Ikonen zu bergen.

Als der IS in der Nacht vom 6. auf den 7. August 2014 Qaraqosh eroberte, brachte der Dominikaner mit einigen Helfern die letzten Dokumente in Sicherheit. An den kurdischen Checkpoints wurden zwar die zigtausenden Flüchtlinge aus Qaraqosh durchgelassen, nicht aber die Autos. So verteilte der Ordensmann die Dokumente auf die Flüchtlinge „und zu Fuß haben wir unsere Geschichte und unsere Wurzeln in die kurdische Region gerettet“. Für die Flüchtlinge und für die Manuskripte schuf P. Michael Najeeb in Erbil, der Hauptstadt der kurdischen Region, einen „sicheren Hafen“, wie er sagte.

Trotz der Rettungsaktion ist es den völlig blinden IS-Fanatikern gelungen, tausende Manuskripte zu zerstören. Andere wiederum wurden von den Terroristen auf dem Schwarzmarkt verkauft. Der jetzt neuernannte Erzbischof von Mosul bemüht sich, möglichst viele davon wieder zurück zu bekommen. Insgesamt sei es dem IS wohl gelungen, bis zu 4.000 Handschriften zu zerstören, schätzte der Dominikaner im Gespräch mit „Kathpress“. Gott sei Dank seien viele davon aber vorher schon digitalisiert worden. Rund 1.000 seien aber wohl für immer verloren.

 

  1. Michael Najeeb: „Der IS wollte uns Christen und andere Nichtmuslime komplett auslöschen. Sowohl als Menschen als auch unsere Geschichte.“ Doch das sei ihm nicht gelungen. Genauso wie er dafür plädiere, dass die Christen in ihrer Heimat bleiben, wolle er sich auch für Versöhnung zwischen Christen und Muslimen einsetzen, so der Ordensmann. Nachsatz: „Auch wenn das wirklich sehr schwer ist“. Unter den Muslimen brauche es noch viel mehr Bildung: „Die Muslime sind Gefangene ihrer eigenen Texte, wenn diese nur wortwörtlich verstanden werden“. Aufklärung und ein Mentalitätswandel seien Gebote der Stunde.

Im Gespräch mit der katholischen Nachrichtenagentur „Aleteia“ hatte P. Michael Najeeb auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise klargemacht, dass der „Westen“ – Europa und Nordamerika – die Pflicht habe, die Religionsfreiheit der Nichtmuslime im Nahen Osten zu sichern. Dazu gehöre auch, die Islamisten und Salafisten, die „Gefangene ihrer Ideologie“ seien, zu erziehen. Frankreich habe in der Zeit seines Syrien-Mandats 1920-1946 unzählige Schulen errichtet, Großbritannien, das die Mandatsmacht über den Irak hatte, „leider keine“.

Der Dominikaner hob die führende Rolle der katholischen Kirche Frankreichs bei der Sorge für die verfolgten Christen in Mesopotamien hervor: „Die Hilfe aus Frankreich hat uns erlaubt, wieder den Kopf zu erheben“. P. Michael Najeeb nannte Beispiele wie den Straßburger Pfarrer Rodolphe Vigneron, der 20 Mal in den Irak gekommen sei und mithilfe seiner Pfarrgemeinde ein voll ausgerüstetes Schneideratelier auf die Beine gestellt habe.

Die kostbare Bibliothek des Dominikanerklosters von Mosul mit ihren rund 800 Manuskripten zu Fragen der Liturgie, der Theologie, der Spiritualität, der Hagiographie, der Geschichte, der Philosophie, der Literatur, der Musik usw. war nach dem IS-Überfall zunächst nach Erbil transferiert worden. 2015 war in Paris im Nationalarchiv die Ausstellung „Mesopotamien, Treffpunkt der Kulturen – Die große Stunde der irakischen Manuskripte“ zu sehen. Dabei wurde auch die wissenschaftliche und restauratorische Arbeit der Dominikaner von Mosul in Zusammenarbeit mit der vatikanischen Apostolischen Bibliothek und der St. John’s University im nordamerikanischen Collegeville präsentiert.