Neuer ukrainischer „Primas“: „Tore sind offen für alle“

Metropolitan Hilarion verglich die beiden ukrainisch-orthodoxen Bischöfe des Moskauer Patriarchats, die am „Vereinigungskonzil“ in Kiew teilnahmen, mit Judas – Patriarchen Kyrill I. und Bartholomaios I. hatten vor dem „Vereinigungskonzil“ noch einmal bei Gemeindegottesdiensten ihre Position klargelegt

0
726
Foto: © Elya (talk) (Quelle: Wikimedia; Lizenez: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Kiew-Moskau, 16.12.18 (poi) Der neugewählte Primas der neuetablierten autokephalen orthodoxen Kirche der Ukraine, Metropolit Epifanij (Dumenko), zelebrierte am Sonntag erstmals in dieser Funktion in der Kiewer Hagia Sophia – die aus kommunistischer Zeit Staatseigentum ist, aber der neuen Kirche zur Verfügung gestellt wurde. In seiner ersten Ansprache nach der Wahl am Samstagabend hatte Metropolit Epifanij vom Vorplatz der Hagia Sophia aus an alle orthodoxen Christen in der Ukraine appelliert, sich um die neue Kirche zusammenzuschließen. Die Tore der neuen Kirche seien „offen für alle“: „Wir rufen zur Einheit auf, wir rufen alle auf, sich dieser nun anerkannten ukrainischen orthodoxen Kirche anzuschließen“. Er sei überzeugt, dass diese „vereinigte und allgemein anerkannte Kirche“ im Glauben und in der Wahrheit dem ukrainischen Volk dienen und es „auf dem Pfad der Erlösung“ leiten werde. Freilich bleibe noch viel zu tun, es gehe darum, die „Vereinigung der ukrainischen Orthodoxie“ zu „vervollständigen“, die ukrainische theologische Wissenschaft zu pflegen, für die Beendigung des Krieges und für die Herrschaft des gerechten Friedens in der Ukraine zu beten. Kritische Kommentare löste das erste Bild des neugewählten Primas am Präsidiumstisch des „Vereinigungskonzils“ vor der Ikonostase der Hagia Sophia aus, wo er flankiert vom ernst blickenden Pariser Metropoliten Emmanuel (Adamakis) und Präsident Petro Poroschenko zu sehen war: „Ist unser Präsident und Schokoladenfabrikant ein neuer Heiliger Kaiser Konstantin?“

Moskau blieb auch am Sonntag zurückhaltend in der Kommentierung der Kiewer Vorgänge. Metropolitan Hilarion (Alfejew), der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, beschränkte sich im Hinblick auf die Teilnahme von zwei Metropoliten der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats am Kiewer „Vereinigungskonzil“ – Metropolit Simeon (Schostatskij) von Winnitsa und Metropolit Aleksandar (Drabinko) von Perejaslaw – auf den Vergleich mit Judas. Im Gespräch mit „RIAS-Nowosti“ erinnerte Metropolit Hilarion daran, dass 88 der 90 Bischöfe der kanonischen ukrainisch-orthodoxen Kirche nicht am „Vereinigungskonzil“ teilgenommen hätten: „Die Teilnahme von zwei Hierarchen der kanonischen Kirche an einem Ereignis, das zur Zerstörung dieser Kirche bestimmt war, kann nur bedauert werden. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass unter den zwölf Aposteln ein Judas war. Bei 90 Apostel-Nachfolgern hätte man eigentlich sechs bis sieben ‚Judasse‘ erwarten können“.

Metropolit Simeon, ein persönlicher Freund von Präsident Poroschenko, soll der Kandidat Konstantinopels als Primas der neuen orthodoxen Kirche der Ukraine gewesen sein. Auch Poroschenko habe beim „Vereinigungskonzil“ Druck in dieser Richtung ausgeübt, sei aber angesichts der Mehrheit der Anhänger des „Patriarchen“ Filaret (dessen „Vize“ Metropolit Epifanij war) erfolglos geblieben. Erzbischof Kliment (Wetscherja), der Leiter der Informationsabteilung der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, sagte im Gespräch mit BBC,  dass die beiden „abtrünnigen“ Metropoliten keinerlei Verbindung mehr mit der ukrainisch-orthodoxen Kirche haben. Die beiden Metropoliten hätten sich für das Schisma entschlossen, das müsse auch den anderen orthodoxen Kirchen mitgeteilt werden. Beide hätten sich „selbst exkommuniziert“, das könne nur „mit Bedauern“ festgestellt werden. Der Heilige Synod der ukrainisch-orthodoxen Kirche habe seinen Bischöfen, seinen Priestern und der Laienschaft ausdrücklich untersagt gehabt, an dem „Konzil“ am 15. Dezember teilzunehmen.

In den Tagen vor dem 15. September hatten die Patriarchen Kyrill I. und Bartholomaios I. bei Gemeindegottesdiensten noch einmal ihre Positionen festgelegt. So sagte der Moskauer Patriarch Kyrill I. am 9. Dezember beim Gottesdienst in der Moskauer Kirche St. Tatjana: „Hört auf die Worte derer, die für die ‚unabhängige vereinigte Kirche in der Ukraine‘ eintreten. Wieviel Wut und Hass ist in diesen Worten. Kann Arglist und Hass von Gott kommen? Nein! Können daher jene, die sich für eine sogenannte ‚unabhängige Kirche‘ einsetzen und bereit sind, das Leben anderer Menschen zu zerstören, ihr kirchliches Leben zu ruinieren, in Gotteshäuser und Klöster einzubrechen, Kinder Gottes sein?“ Die Befürworter der Spaltung seien voll Hass, sie sprächen von „Licht“, verharrten aber in der „Finsternis“. Metropolit Onufrij (Berezowskij), das Oberhaupt der autonomen ukrainisch-orthodoxen Kirche, sage nie etwas Böses über die Schismatiker, betonte Patriarch Kyrill: „Es ist einfach, einige tragen das Erbe der Heiligen im Licht, andere verfallen den Mächten der Finsternis“. Der Patriarch betonte, dass es für das Moskauer Patriarch in der Ukraine nicht um Sein oder Nichtsein gehe, vielmehr gehe es darum, was die Kirche in der Ukraine sein soll: „Die Kirche Gottes, die Seinem Willen folgt, oder die falsche Kirche, die dem Teufel dient und nur in Kleider des Lichts verkleidet ist“.

Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. sagte seinerseits bei einem Gottesdienst am 13. Dezember – dem Andreas-Fest nach Julianischem Kalender – in der Andreaskirche in Galata, die von vielen in Konstantinopel lebenden Russen besucht wird, er betrachte sich als „geistlicher Vater“ aller orthodoxen Gläubigen, auch der Russen. Es sei „unannehmbar“, den Abbruch der eucharistischen Gemeinschaft als Instrument zur Durchsetzung der eigenen Meinungen zu benützen“, betonte der Patriarch im Hinblick auf die jüngsten Entscheidungen des Moskauer Patriarchats in Sachen Ukraine. Wörtlich sagte der Patriarch vor den in der Andreaskirche versammelten russischen Gläubigen: „Ich bin mir eurer Sorgen und Dilemmata bewusst…Aber wir sind eine Familie, ich als euer Vater und ihr als meine geistlichen Kinder. Die Sorge in der russischen Gemeinschaft unserer Stadt und überhaupt in der Türkei ist auf die extreme Entscheidung der russischen Kirche und unseres Moskauer Patriarchen-Bruders zurückzuführen, die eucharistische Gemeinschaft mit dem Ökumenischen Patriarchat, also mit der Mutterkirche, zu unterbrechen. Es ist menschlich und demokratisch, unterschiedliche Meinungen über verschiedene Probleme zu haben. Aber die eucharistische Gemeinschaft abzubrechen, um den anderen die eigene Meinung aufzudrängen, ist inakzeptabel. Ich bin sicher, dass die russische Schwesterkirche bald diese ihre extreme Entscheidung überdenken wird“.

Im Hinblick auf die Moskauer Aufforderung an die russischen Gläubigen, nicht an den Gottesdiensten des konstantinopolitanischen Patriarchats teilzunehmen und dort nicht die Sakramente zu empfangen, meinte Bartholomaios I., man solle sich keine Sorgen machen und diesen Aufforderungen kein Gehör schenken. Alle orthodoxen Kirchen in der Türkei würden den russischen Gläubigen offenstehen.

Die Auseinandersetzungen seien darauf zurückzuführen, dass sich „nationale Faktoren“ mit normalen Angelegenheiten der kirchlichen Jurisdiktion vermischt hätten, sagte der Ökumenische Patriarch. Der „Ethno-Filetismus“ sei aber bereits 1872 bei der Synode von Konstantinopel als Häresie verurteilt worden (damals ging es um die vom Sultan geförderte Gründung eines selbständigen bulgarisch-orthodoxen Exarchats mit dem Sitz in Konstantinopel).

„Diplomaten waren ausschlaggebend“

Das Oberhaupt der früher als schismatisch geltenden „ukrainischen autokephalen orthodoxen Kirche“, Erzbischof Makarij (Maletytsch), hat in einem TV-Interview eingeräumt, dass die Autokephalie für eine neue orthodoxe Kirche in der Ukraine durch die Interventionen ausländischer Diplomaten zustandegekommen sei. US-amerikanische, britische „und andere“ Diplomaten hätten sich mit ihm – und dem selbsternannten Kiewer „Patriarchen“ Filaret – getroffen, um zu erkunden, ob sie bereit wären, einen „Tomos“ (Dekret) über die Autokephalie zu empfangen. Die Diplomaten hätten dringend die Vereinigung der damals noch getrennten, zu diesem Zeitpunkt als „schismatisch“ geltenden „Kirchen“ – „Kiewer Patriarchat“ und „ukrainische autokephale orthodoxe Kirche“ nahegelegt. Wörtlich sagte Erzbischof Makarij: „Was hätten wir tun sollen? Seit 2015 hatten der Sprecher des ‚Kiewer Patriarchats‘, Erzbischof Jewstratij (Zorja), und all die anderen nur Lügen verbreitet, zum Beispiel, dass unsere Bischöfe von Moskau gelenkt würden“.