
Paris-Moskau, 17.04.19 (poi) Seine tiefe Betroffenheit und sein Mitgefühl im Hinblick auf die Brandkatastrophe, von der Notre-Dame betroffen ist , hat der Moskauer Patriarch Kyrill I. in einer Botschaft an den Pariser Erzbischof Michel Aupetit zum Ausdruck gebracht. Er sei tief betrübt über die Nachrichten vom vernichtenden Feuer, “das so großen Schaden an Notre-Dame, diesem hochverehrten Heiligtum Frankreichs, angerichtet hat”, so der Patriarch. Er fühle mit dem Pariser Erzbischof, den französischen Katholiken und allen, denen “dieses Meisterwerk der christlichen Architektur” am Herzen liege. Sein Gebet gelte der Überwindung der Auswirkungen der Katastrophe und der Wiederherstellung der Kathedrale in ihrem “früheren Glanz” in naher Zukunft. Die gemeinsamen Anstrengungen von Kirche, Staat und so vielen engagierten Menschen “mögen von Erfolg gekrönt sein”.
Eine der meistverehrten Reliquien aus dem Domschatz von Notre-Dame hat ostkirchliche Wurzeln, wie am Dienstag von orthodoxen Blogs berichtet wurde. Es handelt sich um ein Reliquiar, das einen Splitter des „wahren Kreuzes“ enthält. Ursprünglich sei angenommen worden, dass es ein Geschenk des oströmischen Kaisers Manuel II. Palaiologos (1391-1425) war. Tatsächlich dürfte es sich aber um ein Reliquiar zum Andenken des Kaisers Manuel I. Komnenos (1143-1180) gehandelt haben. Dieses Reliquiar sei als Hochzeitsgabe mit Prinzession Euphrosyne, einer Tochter des Kaisers Isaac II. Angelos, an den Hof der galizischen Rus (Halytsch, später im österreichischen Sprachgebrauch „Galizien“) gelangt. Prinzessin Euphrosyne war die zweite Frau des Kiewer Großfürsten Roman (1152-2005). Auf einer goldenen Plakette an dem – bei der Brandkatastrophe geretteten – Reliquiar wird ausdrücklich der Name von Manuel I. Komnenos genannt.
Der polnische König Kasimir III. „der Große“ habe dieses Reliquiar erhalten, nachdem polnische Truppen im Jahr 1340 den galizischen Herrschaftssitz Lemberg (Lwiw/Lwow) erobert und geplündert hatten. Das Reliquiar sei nach Krakau gebracht und dem Kronschatz der polnisch-litauischen Doppelrepublik einverleibt worden. Nach seiner Abdankung habe dann König Johann Kasimir (1609-1672) besonders kostbare Reliquiare aus dem Kronschatz mit sich nach Frankreich genommen. Nach seinem Tod erbte Anne de Gonzague (1616-1684) das Reliquiar. Als Frau des Pfalzgrafen Eduard war sie als die „Princesse Palatine“ bekannt, weshalb das Reliquiar bis heute „Croix Palatine“ heißt. Anne de Gonzague übergab das Reliquiar an die Abtei von Saint-Germain-des-Pres. Nach der Französischen Revolution gelangte das Kreuz an die Kathedrale Notre-Dame.
Die orthodoxe BIschofskonferenz von Frankreich – die von Metropolit Emmanuel (Adamakis) von Paris geleitet wird – hat in einer Erklärung betont, dass der Brand von Notre-Dame die Fassungskraft übersteige. Jenseits aller religiösen und konfessionellen Grenzen spreche Notre-Dame, dieses “sinnbildliche Monument der katholischen Kirche Frankreichs”, zum kollektiven Gedächtnis der ganzen Welt, heißt es in der Erklärung. Auch die orthodoxen Christen hätten es geliebt, sich in Notre-Dame zu versammeln, dort das Gedenken des Heiligen Dionysius von Paris als Zeichen der gemeinsamen Vergangenheit zu erleben oder die Heilige Dornenkrone zu verehren. Notre-Dame sei mehr als eine Kathedrale, das Gotteshaus sei auch ein Ort der Begegnung mit der Transzendenz, des Dialogs mit der Geschichte und mit der Hoffnung auf Ewigkeit. Dieses wunderbare Beispiel der Architektur habe die Unruhe der Zeiten erlebt, um das Symbol der Identität Frankreichs zu werden. Man habe Notre-Dame als unwandelbar angesehen, umso schmerzlicher sei für alle die teilweise Zerstörung der Kathedrale.
Die orthodoxen Christen teilten den Schmerz der katholischen Brüder und Schwestern, die am Montag “einen Teil von sich selbst verloren haben”. Pariserinnen und Pariser, Französisinnen und Franzosen – und mit ihnen die ganze Welt – seien zutiefst erschüttert. Daher versichere die orthodoxe Bischofskonferenz den Erzbischof von Paris, Michel Aupetit, seinen Klerus und die Gemeinschaft der Gläubigen, die alle im Innersten verletzt worden seien, ihrer Unterstützung und ihres Gebets. Alle hätten an diesem Montag der Heiligen Woche in einer besonderen Tiefe das Geheimnis der Passion erlebt, “die niemals vom auferstandenen Christus getrennt werden kann, das ist unser gemeinsamer Glaube”.