Oberhaupt der indisch-orthodoxen Kirche besuchte Russland

Katholikos Baselios Mar Thoma Paulos II. traf mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill zusammen – Ökumenische Annäherung zwischen russisch-orthodoxer und indisch-orthodoxer Kirche soll auch zu Zusammenarbeit im praktischen Bereich führen

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Foto: © A.Savin (Quelle: Wikimedia; Lizenz: Free Art License)

Moskau, 07.09.19 (poi) Im Zeichen der ökumenischen Annäherung zwischen den orthodoxen und den orientalisch-orthodoxen Kirchen hat das Oberhaupt der indisch-orthodoxen Malankara Kirche, der Katholikos Baselios Mar Thoma Paulos II., dem Moskauer Patriarchat einen offiziellen Besuch abgestattet. Ein Höhepunkt des Besuchs war am 3. September die Begegnung der Delegation des Katholikos – der u.a. auch der für die kirchlichen Außenbeziehungen zuständige Metropolit Zacharia Mar Nikolovos und der Sekretär des Heiligen Synods der indisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Youhanon  Mar Dioscuros, angehörten – mit Patriarch Kyrill I. im Moskauer Danielskloster. Die Bemerkung von Patriarch Kyrill, dass viele russische Besucher Indiens von der Existenz einer christlichen Gemeinschaft im Land überrascht waren, die nicht auf Mission aus dem Westen zurückgeht, sondern mit dem Heiligen Thomas auf die Zeit der Apostel, löste bei den Besuchern überaus freundliche Reaktionen aus. Der malankarische Katholikos sagte seinerseits, auf die Fürsprache des Apostels Andreas und aller Heiligen sei die russische Kirche eine “spirituelle Quelle für die ganze Welt“ geworden.

Bereits am 1. September war die indische Delegation mit Metropolit Hilarion (Alfejew), dem Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, zusammengetroffen. Der Katholikos und seine Begleiter nahmen an der Göttlichen Liturgie teil, die Metropolit Hilarion in der St. Michael-und-Theodor-Kirche des Tschernigow-Metochions feierte, wo auch das Kyrill-Method-Institut für Postgraduate-Studien untergebracht ist. Nach der Liturgie erinnerte Metropolit Hilarion daran, dass Baselios Mar Thoma 1988 als  jüngster Bischof der malankarischen Kirche der Delegation des damaligen Katholikos bei den Tausendjahr-Feiern der  „Taufe der Rus“ angehörte. In den 30 Jahren seit 1988 habe sich die russisch-orthodoxe Kirche unglaublich verändert. In der Sowjet-Zeit habe es 6.000 russisch-orthodoxe Pfarren gegeben, jetzt seien es 40.000. 1988 seien 20 russisch-orthodoxe Klöster aktiv gewesen, jetzt gebe es mindestens 1.000. Aus den 1988 zugelassenen drei russisch-orthodoxen Seminar seien jetzt mehr als 50 geworden. In der Sowjet-Zeit war es undenkbar, so der Metropolit, dass an säkularen Universitäten Theologie gelehrt wird, jetzt sei die Theologie als universitäres Fach anerkannt. Von all dem könnten sich die indischen Gäste mit eigenen Augen überzeugen. Im Hinblick auf das Kyrill-Method-Institut wies Metropolit Hilarion daraufhin, dass an dieser seit mehr als zehn Jahren bestehenden postuniversitären Einrichtung junge Wissenschaftler ausgebildet würden, von denen viele Priester werden, andere dagegen „ergreifen säkulare Berufe, um den Geist des Christentums in die säkulare Welt einzubringen“.

Katholikos Baselios Mar Thoma Paulos II. sagte in Erinnerung an seinen Moskau-Besuch 1988, auch damals habe man sehen können, wie lebendig der Glaube in Russland war und wie viele gläubige Menschen es gab. Zugleich brachte er seine Hoffnung auf eine erfolgreiche Entwicklung der Beziehungen zwischen den beiden Kirchen zum Ausdruck. Sowohl der Katholikos als auch die anderen Mitglieder seiner Delegation unterstrichen das Interesse an einer Intensivierung der Zusammenarbeit im theologisch-akademischen Bereich. In diesem Zusammenhang wurde darauf verwiesen, dass die englische Ausgabe des Buches „Das Sakrament des Glaubens“ von Metropolit Hilarion an den Schulen der Malankara-Kirche in Indien als Lehrbuch benützt wird.

Metropolit Hilarion erinnerte an die Geschichte der Beziehungen zwischen russisch-orthodoxer und indisch-orthodoxer Kirche. Dabei hob er insbesondere den Einsatz des (1978 in den Armen von Papst Johannes Paul I. verstorbenen) Metropoliten Nikodim (Rotow) und von Patriarch Kyrill in dessen Zeit als Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats hervor.  Metropolit Zacharia Mar NIkolovos unterstrich, dass die Tragödie der russisch-orthodoxen Kirche im 20. Jahrhundert und ihr „Revival“ ein eindrucksvolles Beispiel dafür sei, wie eine Kirche in der Prüfung stärker werden kann.

In Moskau besuchte die indische Delegation mit dem Katholikos an der Spitze u.a. auch das Maria-Marta-Kloster (wo die später von den Bolschewiki ermordete Märtyrer-Großfürstin Jelisaweta Fjodorowna eine karitative Ordensgemeinschaft begründet hatte), das Nowospasskij-Kloster und das Sretenskij-Kloster mit der angeschlossenen Theologischen Akademie. In der St. Aleksij-Zentralklinik traf die indische Delegation mit dem Leiter der Synodalabteilung für Caritas und Sozialarbeit, Bischof Panteleimon (Schatow) von Orekhowo, zusammen. Katholikos Baselios Mar Thoma sagte, dass ihm Patriarch Kyrill den Hinweis auf die St. Aleksij-Zentralklinik gegeben habe. Die indisch-orthodoxe Kirche sei sehr interessiert an Sozialarbeit und Krankenhausseelsorge. Derzeit betreibe die Kirche in Indien zehn Krankenhäuser und zwei medizinische Ausbildungsstätten, 2016 sei auch ein Zentrum für Krebsforschung begründet worden. Der Katholikos äußerte die Hoffnung, dass es zu einem Erfahrungsaustausch zwischen russisch-orthodoxen und indisch-orthodoxen Medizinern und Pflegepersonen kommen wird.

Auf dem Programm der indischen Delegation stand auch die Moskauer Theologische Akademie, wo es in Anwesenheit des Rektors, Bischof Pitirim von Zwenigorod, zu einem intensiven Meinungsaustausch mit den Studenten kam. Der Katholikos betonte, dass die Erkenntnis Gottes nicht nur durch theologische Studien, sondern auch durch das Gebetsleben gewonnen werde. Baselios Mar Thoma II. lud die Studenten zum Gebet um „größere Einheit“ zwischen russisch-orthodoxer und indisch-orthodoxer Kirche ein.

Zwei Exkursionen führten die Mitglieder der indischen Delegation in die Umgebung Moskaus: Zunächst besuchten sie das berühmte Dreifaltigkeitskloster in Sergijew Posad, wo sie die Reliquien des Heiligen Sergej von Radonesch verehrten und am Grab des Moskauer Patriarchen Pimen beteten, der Indien besucht hatte. Eine weitere Exkursion führte nach Sofrino, wo sich die großen Werkstätten für den liturgischen und sonstigen kirchlichen Bedarf befinden.

Die indisch-orthodoxe Malankara Kirche gehört zur orientalisch-orthodoxen Kirchenfamilie, der auch die armenisch-apostolische, die syrisch-orthodoxe, die koptisch-orthodoxe, die äthiopisch-orthodoxe und die eritreisch-orthodoxe Kirche angehören. Das Zentrum der Kirche befindet sich in Kottayam im indischen Bundesstaat Kerala. Außer in Indien ist die indisch-orthodoxe Kirche auch in Malaysia, Singapur, in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Europa, Nordamerika und Australien präsent.