Orthodoxie: Auseinandersetzung zwischen Tirana und Konstantinopel geht weiter

Die Zweifel an der Gültigkeit der von „Patriarch“ Filaret erteilten Weihen sind nicht ausgeräumt – Erzbischof Anastasios weist das vom Ökumenischen Patriarchen als Referenzbeispiel für die ukrainische Situation genannte „Schisma des Meletios“ zurück – Sorge um die „Bewahrung des orthodoxen Zusammenhalts“

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Foto: © Υπουργείο Εξωτερικών (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic lic)

Tirana, 01.04.19 (poi) Die Auseinandersetzung zwischen der albanisch-orthodoxen Kirche und dem Ökumenischen Patriarchat um die Gültigkeit der Weihen im Bereich der neuen „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ geht weiter. In einem überaus respektvoll formulierten Schreiben an Patriarch Bartholomaios I. teilte Erzbischof Anastasios (Yannulatos) von Tirana mit, dass sich der Heilige Synod seiner Kirche am 7. März mit der vom Ökumenischen Patriarchen in dessen Schreiben vom 20. Februar geäußerten Kritik befasst habe, aber seine Sorge im Hinblick auf die Apostolische Sukzession und die Synodalität aufrecht erhalten müsse. Die albanisch-orthodoxe Kirche sei überzeugt, dass in diesem historischen Moment die „Heilung schmerzlicher Wunden“ und vor allem die Überwindung des drohenden Schismas nach der Einberufung einer panorthodoxen Konsultation durch den Ökumenischen Patriarchen verlange. Ziel dieser Konsultation müsse die „geistliche Unterstützung aller orthodoxen Gläubigen in der Ukraine“ und vor allem die „Bewahrung des orthodoxen Zusammenhalts“ sein.

Wörtlich heißt es im Brief von Erzbischof Anastasios: „Die unterschiedlichen Auffassungen können einander nicht durch ausgedehnte Monologe, Statements, Stellungnahmen unverantwortlicher Personen, trügerische Kommentare oder widersprüchliche Postings in den ‚social media‘ begegnen. Krisen werden gemäß der orthodoxen Tradition durch ‚Synodalität‘ gelöst, also die Zusammenkunft der verantwortlichen Repräsentanten der orthodoxen Ortskirchen im Gebet“. Auf diese Weise könnten Lösungen der „Barmherzigkeit, Vergebung und Versöhnung“ gefunden werden.

Die entscheidende Frage sei die Apostolische Sukzession, unterstreicht Erzbischof Anastasios. Deshalb habe der Heilige Synod der albanischen Kirche in seinem ersten Brief an den Phanar vom 14. Jänner die „listige Rolle des selbsternannten ‚Ehrenpatriarchen‘ Filaret“ unterstrichen und theologische Bedenken im Hinblick auf die von Filaret erteilten Weihen artikuliert, „da die Gnade nicht wirksam wird, wenn der Zelebrant laisiert oder exkommuniziert ist“. Denn ein kanonisch zelebrierender Bischof handle nicht aus eigener Machtvollkommenheit, sondern im Namen der Kirche. Es sei fraglich, ob die Rehabilitierung Filarets durch Konstantinopel die von ihm vollzogenen Weihen „automatisch gültig gemacht“ habe.

Im Namen der albanischen Hierarchie zerpflückt Erzbischof Anastasios das vom Ökumenischen Patriarchen angeführte Referenzbeispiel mit dem ägyptischen Bischof Meletios im frühen 4. Jahrhundert. Aus der Arbeit des Metropoliten Basilios von Smyrna über das „Schisma des Meletios“ fehle im Brief des Ökumenischen Patriarchen der letzte Satz, demzufolge die von Meletios in seiner schismatischen Zeit geweihten Bischöfe durch Handauflegung und Gebet wieder aufgenommen wurden (was einer bedingungsweisen Wiederweihe gleichkommt). Erzbischof Anastasios zitiert weitere Quellen, wonach Meletios auch nach der Versöhnung keine Weihen erteilen und seine frühere Diözese nicht verwalten durfte, seine Anhänger wurden bedingungsweise wieder geweiht, mussten aber in der zweiten Reihe bleiben und durften nicht an der Wahl neuer Bischöfe teilnehmen. Die Versöhnung mit Meletios und seinen Anhängern sei über mehrere Etappen verlaufen: Buße, Handauflegung durch einen kanonischen Bischof, Gebet, Proklamation des kirchlichen Friedens.

Wenn man diese Vorgangsweise mit dem „Fall Filaret“ vergleiche, erscheine die ihm gegenüber geübte Toleranz als unerklärlich, betont der Erzbischof von Tirana. Man wisse nicht, ob Filaret überhaupt um Vergebung gebeten habe, er habe sich wiederholt mit dem Satz gebrüstet „Ich war und ich bin der Patriarch von Kiew und der ganzen Rus-Ukraine und ich werde es bleiben“, er trage das besondere russische patriarchale „Koukoulion“ (Kopfbedeckung). Filaret habe beim „Vereinigungskonzil“ am 15. Dezember die Fäden gezogen, er sei ständiges Mitglied des Heiligen Synods der „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ und bezeichne sich als Prälat aller Pfarrgemeinden von Kiew. Man müsse sich auch vor Augen halten, dass das „Schisma des Meletios“ nicht durch den Patriarchen von Alexandrien beendet wurde (zu dessen Jurisdiktionsbereich Meletios) gehörte, sondern durch eine Entscheidung des 1. Ökumenischen Konzils.

Die albanische Hierarchie stehe der Sorge des Ökumenischen Patriarchats um die Rückkehr von schismatischen ukrainischen Gläubigen in die „eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“ mit Sympathie gegenüber, unterstreicht Erzbischof Anastasios. Aber es sei offensichtlich, dass der erstrebte Friede nicht erreicht wurde, da 90 Bischöfe und mehr als 12.000 Pfarrgemeinden (der ukrainisch-orthodoxen Kirche) „nicht in Gemeinschaft mit dem Ökumenischen Patriarchat sind“. Zugleich bestehe das Risiko einer Auflösung der weltweiten orthodoxen Kirche.

Ausdrücklich geht der Erzbischof von Tirana auf den „vorwurfsvollen Ton“ des Briefes von Bartholomaios I. vom 20. Februar ein und verweist darauf, dass er immer in Koordination mit den Initiativen des Ökumenischen Patriarchen gehandelt habe. Er habe auch immer die Dankbarkeit für die Hilfe Konstantinopels beim Wiederaufbau der durch das atheistische kommunistische Regime zerstörten albanisch-orthodoxen Kirche zum Ausdruck gebracht, stellte Erzbischof Anastasios fest und fügte hinzu: „Wir sind aber überzeugt, dass ehrliche Dankbarkeit nicht den Verzicht auf das kritische theologische Denken und kirchliche Erfahrung oder die Verwerfung der Gewissensfreiheit bedeutet“.